Handhabung der Ausnahmegenehmigung gemäß § 8 HwO

Gemäß § 8 Handwerksordnung (HwO) kann eine Bewilligung zur Eintragung in die Handwerksrolle in Ausnahmefällen dann erteilt werden, wenn die Ablegung einer Meisterprüfung eine unzumutbare Belastung darstellt. Voraussetzung ist, dass die notwendigen Kenntnisse und Fertigkeiten nachgewiesen werden.

Der Begriff der Unzumutbarkeit wurde im November 2000 in den sog. Leipziger Beschlüssen (in Anlehnung an die Rechtsprechung) konkretisiert.

In NRW wurden bis zum 30. Juni 2006 Antragstellungen gemäß § 8 HwO von der jeweils zuständigen Bezirksregierung entschieden. Seit Juli 2006 obliegt diese Zuständigkeit den Handwerkskammern.

Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung:

1. Gemäß Ziffer 2.6. Leipziger Beschlüsse ist bei "Arbeitslosigkeit und bei drohender Arbeitslosigkeit in Folge einer Ausgliederung handwerklicher Leistungen oder Umstrukturierungen handwerklicher Betriebe" ein Ausnahmefall im Sinne von § 8 HwO anzunehmen, wenn der Antragsteller/die Antragstellerin mehrere Jahre in dem Bereich beschäftigt war und aus Mangel an offenen Stellen in seinem/ihrem Beruf keine adäquate Stelle findet.

Bedarf es aus Sicht der Landesregierung zusätzlicher Voraussetzungen, um auf der Grundlage von Ziffer 2.6. eine Ausnahmeregelung unbefristet zu erteilen?

2. Können nach Einschätzung der Landesregierung familiäre Belastungen und/oder erhebliche gesundheitliche Beeinträchtigungen von Familienmitgliedern die Ablegung einer Meisterprüfung unzumutbar werden lassen?

3. Kann nach Einschätzung der Landesregierung auch eine zu hohe Entfernung zwischen Wohnort und Meisterschule zu einer Unzumutbarkeit der Ablegung der Meisterprüfung führen?

4. Teilt die Landesregierung die Einschätzung, dass sich eine Unzumutbarkeit der Ablegung einer Meisterprüfung im Sinne von § 8 HwO auch nachträglich, d. h. nach erfolgter Aufnahme der Ausbildung an der Meisterschule, einstellen kann?

5. Das BVerfG hat den Akteuren in Politik und Handwerk in mehreren Entscheidungen (1961/2000) auferlegt, von der Möglichkeit der Erteilung einer Ausnahmegenehmigung gemäß § 8 HwO großzügig Gebrauch zu machen.

Wie schätzt die Landesregierung mit Blick auf diese Vorgabe die diesbezügliche Genehmigungspraxis in NRW ein?

Antwort der Ministerin für Wirtschaft, Mittelstand und Energie vom 17. April 2007 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales:

Zur Frage 1:

Eine Ausnahmebewilligung nach § 8 HwO auf der Grundlage von Ziffer 2.6 der "Leipziger Beschlüsse" wird grundsätzlich befristet erteilt. Damit sie unbefristet erteilt werden kann, bedarf es zusätzlicher Voraussetzungen, die die Unzumutbarkeit der Ablegung der Meisterprüfung begründen.

Zur Frage 2:

Familiäre Belastungen und/oder erhebliche gesundheitliche Beeinträchtigungen von Familienmitgliedern sowie andere belastende soziale Aspekte können gemäß Ziffer 2.13 der Leipziger Beschlüsse und der Rechtsprechung (BVerwG, Urteil vom 29.08.2001, Gewerbe Archiv 2001, S. 479 ff.) zur Feststellung der Unzumutbarkeit Berücksichtigung finden. Hierzu hat eine Gesamtbetrachtung aller Umstände des Einzelfalls zu erfolgen.

Zur Frage 3:

Eine zu hohe Entfernung zwischen Wohnort und Meisterschule kann nur im Einzelfall zu einer übermäßigen, nicht zumutbaren Belastung im Sinne der Generalklausel der Ziffer 2. der Leipziger Beschlüsse führen. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass bei der Meisterschulung in vielen Fällen nicht unerhebliche Entfernungen üblich sind (z. B. Fahrten innerhalb eines Regierungsbezirks).

Zur Frage 4:

Ja.

Zur Frage 5:

In den Jahren von 1998 bis einschließlich 2006 sind in Nordrhein-Westfalen durchschnittlich ca. 75% der Anträge auf Ausnahmebewilligung positiv beschieden worden. Etwa 13 % der Anträge nach § 8 HwO wurden abgelehnt. Die restlichen Anträge (ca. 12 %) haben sich auf sonstige Weise erledigt, z. B. durch Antragsrücknahme durch den Antragsteller. Die hohe Erfolgsquote spricht für einen großzügigen Gebrauch des Ausnahmetatbestands nach § 8

HwO in Nordrhein-Westfalen.