Discountmärkte mit gefährlichen Nagelplattenbindern

Seit dem Jahr 2002 kam es in Nordrhein-Westfalen in 5 Discount-Supermärkten mit Nagelplatten-Dachkonstruktionen zu Bränden mit schlagartigem Einsturz der Dächer. Innerhalb weniger Minuten nach Ausbruch eines Brandes kam es zum Vollbrand und Totaleinsturz des Daches.

Dabei ergibt sich das Gefahrenpotential dieser Dachkonstruktion aus der Statik: Die tragenden Dachelemente, deren Holzelemente lediglich an den Knoten mit Nagelplatten verbunden sind, werden lediglich auf den Außenwänden aufgelagert. Zusätzliche Stützen sind nicht vorhanden. Kommt es zum Versagen eines Nagelplattenbinders, ist keine Lastumlagerung möglich, so dass es in den meisten Fällen zum Totaleinsturz kommt.

Nagelplatten-Dachkonstruktionen weisen aufgrund der Verwendung von sägerauhen Holzelementen ein hohes Brandpotential auf. Klimatechnik, Heizung, Lüftung und die Elektronik befinden sich typischerweise unter dem Dach und erhöhen die Brandgefahr, so dass es häufig zu einem raschen Übergreifen des Brandes auf das gesamte Gebäude und damit zum Einsturz des Daches kommt. Aufgrund dieser unkalkulierbaren Gefahr gestalten sich auch die Löscharbeiten problematisch: Durch die erhöhte Einsturzgefahr ist das Löschen lediglich von außen möglich. Ein Innenangriff der Feuerwehr hingegen gilt als extrem gefährlich.

Trotz der genannten Risiken gilt für Discountmärkte mit Nagelplatten-Dachkonstruktionen, die in der Regel eine Verkaufsfläche von 700 bis 1500 qm aufweisen, nicht die Mindestanforderung im Brandverhalten, F 30-B. Diese Anforderung ist nach der Verkaufsstättenverordnung NRW (VkVO NRW) erst ab einer Größe von 2000 qm anzuwenden.

Die Gefährlichkeit der Nagelplatten-Dachkonstruktion widerspricht allerdings der Bauordnung für das Land Nordrhein-Westfalen, da die Rettung von Menschen sowie wirksame Löscharbeiten (BauO NRW, § 17 Brandschutz) durch das bereits beschriebene unkalkulierbare Brandverhalten nicht möglich ist. Die hohe Wahrscheinlichkeit des Einsturzes eines Daches läuft zudem dem § 3 der Bauordnung NRW zuwider. Dieser besagt, dass bauliche Anlagen so geschaffen sein müssen, dass die öffentliche Sicherheit oder Ordnung, insbesondere Leben, Gesundheit oder die natürlichen Lebensgrundlagen nicht gefährdet werden dürfen.

Daher fragen wir die Landesregierung:

1. Wie bewertet die Landesregierung die Problematik und die Risiken der Verwendung von Nagelplatten-Dachkonstruktionen in vielen Discount-Supermärkten in NRW?

2. Aus welchem Grund werden Gebäude mit einer Größe von 700 bis 1500 qm von der Mindestanforderung im Brandfall ausgenommen, obwohl nachweislich ein hohes Gefahrenpotenzial besteht?

3. Welche Empfehlungen bzw. Erlasse beabsichtigt die Landesregierung hinsichtlich von Bauanträgen für Nagelplatten-Dachkonstruktionen?

4. Bei welcher Gelegenheit wird die Landesregierung diese Problematik auch auf Bundesebene ansprechen?

5. Wie informiert die Landesregierung die Verbraucherinnen und Verbraucher in NRW über die Gefahren eines Brands in Discountmärkten?

Antwort des Ministers für Bauen und Verkehr vom 20. April 2007 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Ministern für Wirtschaft, Mittelstand und Energie und dem Innenminister: Vorbemerkung Nagelplattenbinder werden bei unterschiedlichen Gebäudetypen als kostengünstige Dachkonstruktion verwendet, ihr Einsatz ist somit nicht nur auf Discountmärkte beschränkt. Seit dem Jahr 2000 sind in Deutschland nach Informationen des Landesfeuerwehrverbandes NRW und der Arbeitsgemeinschaft der Leiter der Berufsfeuerwehren NRW in Discountmärkten mindestens 17 Brände mit schlagartigem Einstürzen der Dächer bekannt geworden. In der überwiegenden Anzahl der Fälle sind die Brände außerhalb der Betriebszeiten entstanden (Brandstiftung). Bei einigen dieser Einsätze wurden Einsatzkräfte der Feuerwehren verletzt bzw. gefährdet. Einsätze der Feuerwehr, bei denen Menschen aus den Discountmärkten gerettet werden mussten, sind nicht bekannt.

Das Schutzziel einer sicheren und schnellen Räumung bei derartigen Gebäuden wird durch die Erfüllung der Vorschriften über Anzahl, Anordnung, max. Länge und Kennzeichnung von Rettungswegen, organisatorische Maßnahmen sowie des vorbeugenden baulichen und technischen Brandschutzes erreicht.

Zur Frage 1:

Der Totaleinsturz eines Daches durch Brandeinwirkung, an das keine Anforderungen an die Feuerwiderstandsdauer gestellt wird, kann je nach Einsatztaktik des Einsatzleiters der Feuerwehr ­ wie bei jedem Innenangriff - mit Gefahren für die am Löscheinsatz beteiligten Feuerwehrkräfte verbunden sein. Die Feuerwehren in NRW fordern deshalb, dass beim Neubau von Verkaufsstätten, die nicht in den Geltungsbereich der Verkaufsstättenverordnung fallen, das Tragwerk des Daches in der Feuerwiderstandsklasse F 30 B erstellt werden soll. Das gleiche Sicherheitsziel kann aber auch mit anderen Maßnahmen erreicht werden. Dazu gehören technische ebenso wie statische Maßnahmen. Da diese Gebäude keiner Sonderbauvorschrift unterliegen, ist im jeweiligen Einzelfall von der Bauaufsichtsbehörde in Abstimmung mit der Brandschutzdienststelle zu klären, ob und ggf. welche Maßnahmen erforderlich sind.

Zur Frage 2:

An Dachkonstruktionen werden nach der Bauordnung NRW grundsätzlich keine Anforderungen hinsichtlich der Feuerwiderstandsdauer gestellt. Dies ermöglicht die Errichtung von Dachstühlen und Dachkonstruktionen z. B. in Holzbauweise und entspricht der Bautradition in Deutschland. Lediglich in einigen Sonderbauvorschriften werden Anforderungen an die Feuerwiderstandsdauer des Dachtragwerkes gestellt. Dies gilt z. B. für die Verkaufsstättenverordnung NRW, die eine Feuerwiderstandsdauer der Dachtragwerke in nicht gesprinklerten Verkaufsstätten fordert. Discountmärkte fallen wegen ihrer geringeren Verkaufsfläche nicht unter die Regelungen der Verkaufsstättenverordnung, die erst für Verkaufsstätten ab einer Verkaufsfläche von ca. 2000 qm gilt.

Zur Frage 3:

Da Brandereignisse mit anschließendem Einsturz von Dächern in ganz Deutschland bekannt geworden sind und Discountmärkte i.d.R. auch bundesweit Filialen betreiben, strebt die Landesregierung eine Abstimmung mit den anderen Ländern darüber an, ob und ggf. welche Maßnahmen bei der Errichtung von Nagelplatten-Dachkonstruktionen zu beachten sind.

Zur Frage 4:

Die Problematik wurde auf Veranlassung des Vertreters von NRW bereits in Arbeitsgremien der Bauministerkonferenz behandelt. Die Beratungen sind noch nicht abgeschlossen.

Zur Frage 5:

Die bestehenden Brandschutzmaßnahmen haben sich bei den bekannt gewordenen Bränden hinsichtlich der Kundinnen und Kunden der Verkaufsstätten als wirksam erwiesen. Im Übrigen wird auf die Beantwortung der Fragen 1 und 4 verwiesen.