Geschlechtergerechte Sprache anwenden!
I. Sprache strukturiert unser Denken Sprache spiegelt gesellschaftliche Realitäten wider, stabilisiert sie oder kann zu ihrer Veränderung beitragen. Sprachverhalten und Denkweisen beeinflussen einander. Studien aus dem Bereich der Sprachwissenschaft und Psychologie verweisen seit langem darauf, dass maskuline Formulierungen ein nachweislicher Faktor sind, die "männliche Vorstellungen" verstärken. Es hat sich deutlich gezeigt, dass solche Formulierungen eine signifikante Auswirkung auf Assoziationen und Reaktionen von Lesenden und Hörenden hat. Maskulin bezeichnete Positionen, wie "Politiker" oder "Aufsichtsratsvorsitzender" werden in der Vorstellung kaum mit Frauen in Verbindung gebracht. Für maskuline Ehrentitel oder Ämter werden weniger Frauen vorgeschlagen und haben Frauen eine geringere Chance gewählt zu werden, wenn nur von "Kandidaten" und "Bewerbern" die Rede ist. Wie amerikanische Untersuchungen zeigen, werden Frauen in einem Beruf schlechtere Leistungen zugeschrieben, wenn dieser Beruf im Maskulinum beschrieben ist. Das immer noch oft bemühte Argument, Frauen bei maskulinen Formulierungen mitzumeinen, greift deshalb nicht. Denn "Mitmeinen" verhindert nicht, dass sich in den Köpfen der Hörenden bzw. Lesenden überwiegend männliche Bilder einstellen.
Geschlechtergerechte Formulierungen sind somit keine politisch korrektere Verpackung für einen in Wahrheit gleichgebliebenen Inhalt, sondern sie schaffen andere Realitäten. In diesem Sinne drückt Sprache also nicht nur Diskriminierung von Frauen aus, sondern sie schafft sie, sie konstruiert und begründet sie. Werden Frauen nicht genannt, bleiben sie unsichtbar. Geschlechtergerechte Sprache ist demgegenüber ein Baustein für die Gleichstellung von Frauen und Männern. Die amerikanische Genderforscherin Donna Haraway brachte es bereits 19991 auf den Punkt: "Gramma is politics by other means" (Grammatik ist Politik mit anderen Mitteln).
II. Gesetzliche Grundlage
Die Gesetzgebung in Nordrhein-Westfalen ist in ihren Bemühungen um das Ziel einer Gleichstellung von Frauen und Männern diesen Erkenntnissen gefolgt und hat 1999 im Landesgleichstellungsgesetz (LGG) festgelegt: "Gesetze und andere Rechtsvorschriften sollen sprachlich der Gleichstellung von Frauen und Männern Rechnung tragen. Im dienstlichen Schriftverkehr ist auf die sprachliche Gleichbehandlung von Frauen und Männern zu achten. In Vordrucken sind geschlechtsneutrale Personenbezeichnungen zu verwenden. Sofern diese nicht gefunden werden können, sind die weibliche und die männliche Sprachform zu verwenden." (LGG, § 4, Sprache).
III. Defizite in der Praxis
Bereits in der vergangenen Legislaturperiode hat die Grüne Landtagsfraktion die Umsetzung dieser Vorschrift durch die Landesregierung intensiv verfolgt und schriftlichen Äußerungen verschiedener Ministerien hinsichtlich ihrer Anwendung einer geschlechtergerechten Sprache ausgewertet. Das Fazit war teilweise ernüchternd. Während einige Häuser in ihren Bemühungen zur Umsetzung sehr erfolgreich waren, ignorierten andere den § 4 des LGG in ihren Veröffentlichungen vollständig.
Auch derzeit ist die Anwendung einer geschlechtergerechten Sprache trotz des eindeutigen Auftrags im LGG völlig unzureichend. Beispiele lassen sich vielerorts finden. In den Internetauftritten der Ministerien ist von Bürgern, Steuerzahlern, Experten, Verbrauchern, Kunden oder Hausbesitzern die Rede. Augenscheinlich vertreten verschiedene Ministerien auch die Ansicht, dass Begriffe wie "Gläubiger, Besoldungsgesetzgeber, Besoldungsempfänger, Dienstherr oder Bundesgesetzgeber" ausschließlich in männlicher Formulierung auszudrücken sind.
Auch der Landtag selbst - Landtagsverwaltung und die meisten Fraktionen - ist hier keine vorbildliche Ausnahme. Plenaranträge der Fraktionen sind in der überwiegenden Mehrheit durchgängig maskulin formuliert. Besucherinnen können nur als "Besucher" das Haus betreten, Ausstellungen werden in maskuliner Formulierung angekündigt, der Internetauftritt der Landtagsverwaltung ist nicht durchgängig geschlechtergerecht formuliert. Selbst das neue Jugendangebot des Landtagsinternetportals weist viele maskuline Formulierungen auf. Im hier verfügbaren Computerspiel "Wer ist wer?" im Landtag bleibt das weibliche Geschlecht bei der Bezeichnung der Spielfiguren nahezu unberücksichtigt.
IV. Beschluss Angesichts des grundsätzlichen Auftrags zur Gleichstellung und der Vorschriften im Landesgleichstellungsgesetz beschließt der Landtag:
· die im Landtag vertretenen Fraktionen tragen der sprachlichen Gleichstellung von Frauen und Männern Rechung, indem sie Wort- und Schriftbeiträge für das Plenum geschlechtergerecht gestalten;
· die Landtagsverwaltung ist zu einer konsequenten Anwendung geschlechtergerechter Sprache im dienstlichen Schriftverkehr und bei allen öffentlich zugänglichen schriftlichen Darstellungen aufgefordert;
· die Landesregierung ist beauftragt, Gesetze (sowie deren Entwürfe) und andere Rechtsvorschriften, ihren dienstlichen Schriftverkehr und die Öffentlichkeitsarbeit aller Ministerien konsequent sprachlich geschlechtergerecht zu gestalten.