Hilfsfristüberschreitungen im Rettungsdienst
Nach § 22 Abs. 2 Satz 2 des Hessischen Rettungsdienstgesetzes (HRDG) ist für die Notfallversorgung vorzusehen, dass ein geeignetes Rettungsmittel jeden an einer Straße gelegenen Notfallort in der Regel innerhalb von 10 Minuten (Hilfsfrist) erreichen kann. Die Hilfsfrist umfasst den Zeitraum vom Eingang einer Notfallmeldung bei der zuständigen Zentralen Leitstelle bis zum Eintreffen eines geeigneten Rettungsmittels am Notfallort (§ 22 Abs. 2 Satz 3 HRDG).
Bei der Darstellung und der Beurteilung der Hilfsfrist ist neben der reinen Zeitvorgabe als Planungsmaß der Strukturqualität auch der Anteil der Notfälle, der so genannte Zielerreichungsgrad, zu berücksichtigen. Bei der im Rahmen der Qualitätssicherung des Rettungsdienstes durchzuführenden Überprüfung der Einhaltung des Soll-Wertes der Hilfsfrist gilt als Maß für die Ergebnisqualität in der Notfallversorgung deren Einhaltung immer dann als erfüllt, wenn in einem Rettungsdienstbereich 95 v.H. (Zielerreichungsgrad) aller an einer Straße gelegenen Einsatzorte innerhalb der Hilfsfrist von 10 Minuten durch ein geeignetes Rettungsmittel in der Realität unter Ausnutzung aller Möglichkeiten von Dispositions- und Einsatzstrategien sowie Fahrzeugsystemen erreicht werden konnte.
Entsprechend der Nr. 2.2 "Vorgaben für die bodengebundene Notfallversorgung" der 1. Fortschreibung des Vorläufigen Rettungsdienstplanes des Landes Hessen (Staatsanzeiger vom 28. Mai 2001, S. 1926) sind als Einflussgrößen bei der Hilfsfristbemessung zu nennen:
- die nicht planbaren zufälligen "Elementar-Ereignisse" im äußeren Umfeld,
- die Standortverteilung der Rettungswachen,
- die Anzahl einsatzbereiter geeigneter Rettungsmittel und deren aktuelle Standorte zum Dispositionszeitpunkt eines Notfalls,
- die Kombination der verschiedenen Dispositions- und Einsatzstrategien sowie der Fahrzeugsysteme,
- das Alarmierungs- und Ausrückverhalten,
- die "Intelligenz" der Zentralen Leitstelle und
- weitere äußere Zufälligkeiten, die mit dem sich zufällig ereignenden Notfall zusammenfallen.
Außerdem ist festzuhalten, dass es sich bei der hessischen Hilfsfrist im Vergleich mit den anderen Flächenländern um eine sehr ehrgeizige Vorgabe handelt. Neben Hessen haben nur noch Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen eine Hilfsfrist von 10 Minuten definiert. Von den anderen Ländern haben vier eine Hilfsfrist von 12 Minuten und sechs Länder 15 Minuten Hilfsfrist, wobei einige Länder zwischen städtischen und ländlichen Gebieten unterscheiden.
Diese Vorbemerkung vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt:
Frage 1. Bei wie viel Prozent der Rettungsdiensteinsätze in Hessen wurde in welchen einzelnen Rettungsdienstbereichen die gesetzliche Hilfsfrist von 10 Minuten überschritten? (Bitte getrennte Ausweisung der einzelnen hessischen Rettungsdienstbereiche.)
Aufgrund der gesetzlichen Vorgabe und der Aufforderung durch den Vorläufigen Rettungsdienstplan des Landes haben die Träger der Notfallversorgung (Landkreise und kreisfreie Städte) in einem laufenden Prozess ständig die Einhaltung der Hilfsfrist zu überprüfen.
Allerdings wurden sie erst durch die Einführung der EDV in den Zentralen Leitstellen auch technisch in die Lage versetzt, die Einsatzzeiten realistisch und zeitnah auszuwerten. Da die EDV-Ausstattung erst im Jahre 2000 seinen vorläufigen Abschluss gefunden hat, befindet sich die Statistik bei einigen Trägern erst noch im Aufbau.
Aus diesem Grund gibt es derzeit noch keine validen Daten für eine Aussagefähigkeit zur Einhaltung der Hilfsfrist in den einzelnen Rettungsdienstbereichen. Soweit Daten vorliegen, sind sie nur bedingt aussagefähig, da sie nichts über Einsatzkriterien, die Teilzeiten sowie die Zeitabschnitte im Rettungsablauf aussagen (z.B. Gesprächs- und Dispositionszeit, Alarmierungs- und Ausrückzeit, Anfahrtszeit, Eintreffzeit). Deshalb ist bisher keine Schlussziehung über mögliche Gründe bei etwaigen Hilfsfristüberschreitungen möglich.
Wie unabhängig hiervon eine vorläufige Hilfsfristanalyse ergeben hat, wird in ca. 32 v.H. der Einsätze der Einsatzort in weniger als 5 Minuten und in ca. 65 v.H. in weniger als 8 Minuten der Einsatzort erreicht.
Deshalb hat das Hessische Sozialministerium beschlossen, für eine differenzierte und vergleichbare Darstellung der Einsätze und Hilfsfristen ein DVgestütztes landesweites Statistikprogramm aufzubauen. Dieses Projekt befindet sich derzeit in der Umsetzung.
Frage 2. Welche Maßnahmen wurden von den jeweiligen Trägern des Rettungsdienstes ergriffen, um bei Abweichungen die Einhaltung der gesetzlichen Hilfsfrist zu gewährleisten? (Bitte getrennte Ausweisung der einzelnen Rettungsdienstbereiche.)
Bei Feststellung der Nichteinhaltung der Landesnorm durch Unterschreiten des Zielerreichungsgrades in Höhe von 95 v.H. sind zuerst alle organisatorischen Wirkbereiche, wie z. B. das Ausrückverhalten, die bestehenden Alarmierungswege, die praktizierten Dispositions- und Einsatzstrategien, die "Leitstellenintelligenz", auf Schwachstellen zu prüfen, ehe Kosten verursachende Faktoren, wie z. B. zusätzliche Rettungsmittel oder zusätzliche Rettungswachen, zur Erfüllung des Zielerreichungsgrades der Hilfsfrist ins Auge gefasst werden. Deshalb hat das Hessische Sozialministerium in Abstimmung mit den kommunalen Spitzenverbänden den Trägern der Notfallversorgung angeboten, sie bei der Ermittlung der Daten und Umsetzung von Maßnahmen zur Einhaltung der Hilfsfrist zu unterstützen.
Darüber hinaus planen einzelne Träger eigenständige Maßnahmen, wie z.B. Verkürzung der Dispositions- und Ausrückintervalle, Optimierung der Einsatzstrategie und -steuerung, Einführung einer flexiblen Fahrzeugstrategie, Anpassung der Rettungsmittelvorhaltung, Neuordnung der Rettungsmittelstandorte, Ausbau der bereichsübergreifenden Zusammenarbeit sowie Schulung der Mitarbeiter.