Automotive NRW: Eine Strategie für eine Schlüsselbranche

I. Bedeutung und Abgrenzung der Automobilbranche in Nordrhein-Westfalen:

Die Automobilindustrie in Nordrhein-Westfalen erfährt einen schmerzhaften Umbruch, der in den vergangenen Jahren zu erheblichen Arbeitsplatzverlusten geführt hat. Umso wichtiger ist es, die Rahmenbedingungen für den Standort fortwährend zu verbessern.

Die Automobilindustrie ist mit ihrer Zulieferindustrie für Nordrhein-Westfalen von herausragender Bedeutung. Sie hat Produktions- und Lieferbeziehungen mit nahezu allen Wirtschaftsbranchen. Das erschwert die eindeutige Abgrenzung der Automobilbranche. Zur Identifizierung von Unternehmen, die der Automobilindustrie zuzuordnen sind, stehen verschiedene Klassifizierungsmodelle zur Verfügung. Der Verband der deutschen Automobilindustrie (VDA) beschränkt sich darauf, Automobil-Zulieferer den Branchen Metall, Elektrotechnik und Chemie zuzuordnen. Während in Deutschland Unternehmen in der Regel nach den EACCodes (Branchencode der European Co-operation for Accreditation) klassifiziert werden, hat sich international eine Systematik der Wirtschaftszweige nach NACE durchgesetzt, um Automobilhersteller und -zulieferer im Rahmen ihrer Zuliefer-Rangfolge (TIER-1 bis TIER-n) zu unterscheiden.

Die IATF (International Automotive Task Force) setzt sich aus Vertretern der Automobilhersteller und Automobilverbänden zusammen. Neben den OEM's (Original Equipment Manufactures) wie BMW; Daimler Chrysler, Fiat Auto, Ford, General Motors, PSA (Peugeot Citroen), Renault und Volkswagen gehören ihr nationale Verbände der Zulieferindustrie wie die AIAG (USA), ANFIA (Italien), FIEV (Frannkreich), SMMT (Großbritannien) und der VDA (Deutschland) als Mitglieder an. Ziel der Task Force ist die Verbesserung der Produktqualität für Automobilkunden weltweit. Damit ist die IATF eine für die globale Automobilindustrie wichtige und Definitionen bestimmende Organisation. Auch die IATF nutzt den NACE-Code zur Klassifizierung der Automobilindustrie mit allen Zulieferern. Dabei besteht die IATF jedoch auf die konkrete Angabe der vollständigen NACE-Codes inkl. der vorangestellten Buchstaben. Eine genaue Zuordnung aller Zulieferer zur Automobilbranche ist schwierig, da viele Hersteller nur mit einem Teil ihrer Produktionspalette die Automobilindustrie beliefern.

Die von der Landesregierung beschriebene Klassifikation der Automobilindustrie in der Antwort der Großen Anfrage der SPD (Drucksache 14/1297) reicht jedoch bei weitem nicht an die realen Gegebenheiten heran. Es fehlen wichtige Bereiche wie z. B. Maschinenbau (NACE 29), Elektronik (NACE 31), Metallerzeugnisse wie Bremsscheiben und Achsen (NACE 28), Autoglas (NACE 26), chemische Grundstoffe für die Automobilindustrie (NACE 24), Kunststoffe für Armaturenbretter und Türverkleidungen (NACE 25.2) und andere.

Vor diesem Hintergrund sind die Daten aus der Beantwortung der Großen Anfrage der SPD (Drucksache 14/1297) nicht ausreichend und müssen überarbeitet werden.

In Ergänzung zur Großen Anfrage Nr. 1 der SPD-Fraktion "Die AUTOmobile Wertschöpfungskette: Industrie, Handel und Dienstleistungen in Nordrhein-Westfalen (Drucksache 14/1297) fragen wir daher:

Vorbemerkung:

Die Automobilindustrie spielt für Nordrhein-Westfalen eine sehr wichtige Rolle. Zu ihr zählen sowohl die Hersteller von Kraftfahrzeugen als auch deren Zulieferer.

Die Automobilindustrie ist eine Querschnittsindustrie, das heißt, dass Unternehmen aus nahezu allen Wirtschaftsbranchen einen Beitrag zum Bau von Automobilen leisten. Ein gewisses Erfassungsproblem besteht darin, dass die amtliche Statistik zunächst keine Auskunft darüber gibt, wie viele Unternehmen mit welchen Produktions- und Umsatzanteilen an der Herstellung von Kraftwagen beteiligt sind. Auf dieses Problem hat die Landesregierung bei der Beantwortung der Großen Anfrage 1 ausführlich hingewiesen.

Die in der Einleitung zur Großen Anfrage 7 vorgeschlagenen Klassifizierungen tragen nicht zur Lösung des Problems bei ­ sie sind vielmehr eine Wiederholung von Hinweisen der Landesregierung. Der Verband der Automobilindustrie (VDA) beschränkt sich bei seinen statistischen Analysen auf die Unternehmen, die in der amtlichen Statistik dem Wirtschaftszweig "Herstellung von Kraftwagen und Kraftwagenteilen (NACE 34) zugeordnet werden. Nach Auskunft des VDA liegen ihm keine differenzierten Analysen aus den anderen Wirtschaftsbereichen vor, aus denen Zulieferunternehmen entstammen.

Der Hinweis auf die Systematisierung der International Automotive Task Force (IATF) kann in diesem Zusammenhang aus den folgenden Gründen auch nicht weiterhelfen:

Nach Auskunft der IATF ist es richtig, dass Unternehmen, die sich nach ISO/TS1 zertifizieren lassen, die sogenannten "scopes" angeben müssen (NACE Codes). Über diese Daten verfügen jedoch nur die jeweiligen Zertifizierungsgesellschaften. Diese Daten stehen zur Erfassung des automobilindustriellen Geschehens in Nordrhein-Westfalen aus folgenden Gründen nicht zur Verfügung:

· Eine Abfrage bei den Zertifizierungs-Gesellschaften (55 weltweit und 19 unter der Regie des Qualitäts Management Center im Verband der Automobilindustrie (VDA-QMC), die grundsätzlich alle Unternehmen aus NRW zertifizieren können) ­ noch dazu verbunden mit der Abgrenzung Zulieferer aus NRW ­ hält die IATF "für in der Praxis unrealistisch".

· Nach Aussagen des IATF lässt sich kaum feststellen, wie groß der Anteil der Unternehmen an der gesamten Zulieferindustrie ist, der bereits nach ISO/TS zertifiziert wurde (allein die Abstufung innerhalb der Zulieferkette von TIER-1 bis TIER-n ergibt eine Bandbreite von schätzungsweise 1.000 - ca. 100.000 Unternehmen weltweit).

· Darüber hinaus weist IATF auf datenschutzrechtliche Hindernisse hin; Kundendaten werden von der IATF nicht herausgegeben.

Das Erfassungsproblem ist nicht ohne weiteres lösbar. An einer genaueren Erfassung des tatsächlichen automobilwirtschaftlichen Geschehens ist die Landesregierung allerdings auch sehr interessiert.

Vom Landesamt für Datenverarbeitung und Statistik (LDS) wird deshalb z.Z. ein Modell entwickelt, mit dessen Hilfe eine genauere Schätzung von Beschäftigung und Umsatz in der Automobilzulieferindustrie, die nicht unter der NACE 34 erfasst wird, möglich ist. Grundlage der Auswertung ist die Produktionsstatistik. Diese anspruchsvolle und aufwändige Auswertung wird die Landesregierung dem Landtag voraussichtlich im Herbst 2007 vorlegen.

Die Automobilindustrie steht nach wie vor vor großen Herausforderungen. Dies zeigen die aktuellen Diskussionen um Emissionen (bspw. CO2 und Feinstaub). Weitere Herausforderungen ergeben sich außerdem aus dem globalen Wettbewerbs- und Innovationsdruck.

ISO/TS: International Organization for Standardization.