Sendeanlage Mainhausen
In Mainhausen wendet sich eine Bürgerinitiative gegen die Radiosendeanlage Mainhausen und fordert die Landesregierung und die Gemeindevertretung auf, die bestehenden Mietverhältnisse zu kündigen. Bürgermeister Gröning berichtete am 4. März 2002 in der öffentlichen Bürgerversammlung der BI, die Kündigung der Verträge habe bislang das Land verhindert.
Vorbemerkung des Ministers für Umwelt, Landwirtschaft und Forsten:
Auf einem Areal zwischen zwei Ortsteilen von Mainhausen, den Ortsteilen Zellhausen und Mainflingen, betreibt die Deutsche Telekom AG diverse Sendeanlagen (Sendefunkstelle Seligenstadt). Teile der Anlagen sind an Dritte vermietet. Die Anlagen werden teilweise seit Jahrzehnten betrieben, so z. B. das Zeitsignal der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt. Dieses Zeitsignal wird auch international genutzt (z.B. durch die Republik Österreich). § 12 des Gesetzes über Funkanlagen und Telekommunikationseinrichtungen (FTEG) vom 31. Januar 2001 (BGBl. I S. 170) verpflichtet die Bundesregierung, in einer Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates nähere Regelungen des Schutzes von Personen in den durch den Betrieb von Funkanlagen und Radaranlagen entstehenden elektromagnetischen Feldern zu treffen. Ortsfeste Funkanlagen außerhalb des Frequenzbereiches der 26. BImSchV fallen unter das oben erwähnte Gesetz. Hierzu gehört die Sendefunkstelle Seligenstadt. Für die Frequenzbereiche werden jetzt mit der Verordnung über das Nachweisverfahren zur Begrenzung elektromagnetischer Felder (BEMFV) die Grenzwerte der 26. BImSchV und die Referenzwerte der Tabelle 2 des Anhangs III der "Empfehlungen des Rates zur Begrenzung der Exposition der Bevölkerung gegenüber elektromagnetischen Feldern (0 bis 300 GHz) des Rates der Europäischen Union vom Juli 1999 eingebracht. Die Verordnung ist am 28. August 2002 in Kraft getreten. Die Verordnung ersetzt das bisher nach der Verfügung des ehemaligen Bundesministeriums für Post und Telekommunikation Nr. 306/97 angewandte Standortverfahren für ortsfeste Funkanlagen.
Für den Standort Mainflingen wurde von der Deutschen Telekom AG ein Änderungsantrag zur Erteilung einer Standortbescheinigung gestellt, der derzeit bearbeitet wird.
Diese Vorbemerkungen vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage im Einvernehmen mit dem Minister für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung und der Sozialministerin wie folgt:
Frage 1. a) Welche Eigentumsverhältnisse bestehen an dem Grundstück, auf dem die Anlage steht?
Aus der meinem Hause vorliegenden Bescheinigung für die ortsfeste Sendefunkanlage, die Sendefunkstelle (S-FuSt) Seligenstadt 3, Station B, in 63533
Mainhausen, vom 27. März 1997, und dem dazugehörigen Katasterplan können keine Eigentumsverhältnisse hergeleitet werden.
Frage 1. b) Welche Verträge mit welchen wirtschaftlichen Vereinbarungen bestehen auf welche Dauer mit welchen Partnern?
Weitere Verträge der Deutschen Telekom AG mit Dritten, mit Ausnahme des oben erwähnten Falls des Zeitsignals, sind nicht bekannt.
Frage 1. c) Hat das Land tatsächlich bislang die Kündigung verhindert?
Dieser Sachverhalt ist nicht bekannt.
Frage 1. d) Was spricht aus wessen Perspektive gegen eine Kündigung?
Es wird auf die Antworten zu den Fragen 1 b) und 1 c) verwiesen.
Frage 2. Sind Beeinträchtigungen, wie Störung anderer elektronischer Gerätschaften, von der Sendeanlage Mainhausen zu befürchten?
Mit der Erteilung der bereits erwähnten Bescheinigung für die ortsfeste Sendefunkanlage Seligenstadt 3, Station B, wird die Einhaltung der im März 1997
gültigen Personenschutzgrenzwerte bzw. der Herzschrittmachergrenzwerte (gemäß der im Rahmen des BAPT-Standortbescheinigungsverfahrens herangezogenen Grenzwerte) bescheinigt (Darstellung der Gefährdungsbereiche für Herzschrittmacher gemäß DIN VDE 0848, Teil 2, 10/91).
Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass ein Änderungsantrag gestellt wurde. In diesem Zusammenhang werden neue Messungen durchgeführt.
Frage 3. Der Betreiber behauptet die Unschädlichkeit der Anlage, warum konnte er dies bisher nicht schriftlich dokumentieren?
Zur Beantwortung wird auf die Antwort zu Frage 2 verwiesen, in der der Inhalt der bisherigen Standortbescheinigung dargestellt wurde.
Frage 4. Sind der Landesregierung neue wissenschaftliche Erkenntnisse zu gesundheitlichen und anderen Beeinträchtigungen und Risiken durch Sendeanlagen bekannt?
Im September 2001 hat die deutsche Strahlenschutzkommission (SSK) im Auftrag des Bundesumweltministeriums (BMU) eine Bewertung der bisherigen wissenschaftlichen Ergebnisse über die Wirkungen elektromagnetischer Felder (EMF) vorgenommen. Die SSK hat ihre Bewertung mit dem Ergebnis vorgelegt, dass die jetzt in der Bundesrepublik geltenden Grenzwerte nach dem gegenwärtigen Erkenntnisstand vor nachgewiesenen Gesundheitsschäden ausreichend schützen. Ein wissenschaftlicher Nachweis eines Zusammenhangs zwischen einer Gesundheitsbeeinträchtigung und elektromagnetischen Feldern liegt dann vor, wenn wissenschaftliche Studien unabhängiger Forschungsgruppen diesen Zusammenhang reproduzierbar zeigen und das wissenschaftliche Gesamtbild das Vorliegen eines kausalen Zusammenhangs stützt. Anlässlich einer Veranstaltung des Länderausschusses für Immissionsschutz zu Mobilfunk und Gesundheit im September 2002 hat ein Vertreter der SSK die o.a. Bewertung nochmals vorgetragen.
Am 24. Januar 2002 haben der Ausschuss für Umwelt, Landwirtschaft und Forsten in seiner 40. Sitzung sowie der Innenausschuss in seiner 49. Sitzung eine öffentliche Anhörung zum Thema Mobilfunk durchgeführt.
Frage 5. Wer führt derzeit auf welche Dauer angelegte epidemiologische Studien über die Auswirkungen elektromagnetischer Wellen bzw. zum Thema Elektrosensibilität durch und wann werden Ergebnisse erwartet?
Auf internationaler Ebene sind in der Vergangenheit zahlreiche Studien durchgeführt und zusammenfassend ausgewertet worden. Es wird beispielhaft auf entsprechende Publikationen der Weltgesundheitsorganisation (WHO), der Royal Society of Canada, des Health Council of the Netherlands sowie auf den Steward-Report aus den Jahren 1999 bis 2002 verwiesen. Auf internationaler Ebene wurde im Mai 1996 mit einer Laufzeit von neun Jahren bei der WHO ein Projekt zur Beurteilung der Auswirkungen elektrischer und magnetischer Felder auf die Gesundheit und Umwelt (Internationales EMF-Projekt) gestartet.
Auf nationaler Ebene beschäftigt sich die Universität Witten/Herdecke seit langem mit dem Phänomen der Elektrosensibilität.
Auf nationaler Ebene stellt das BMU Haushaltsmittel für die Wirkungsforschung zur Verfügung. Durch geeignete Vergabe- und Managementverfahren wird sichergestellt, dass sich die Forschung an den von der WHO formulierten Kriterien für EMF-Forschungsprojekte orientiert. Das Forschungsprogramm, in dem unter anderem auch in epidemiologischen Studien mögliche Zusammenhänge zwischen Feldern des Mobilfunks und der Häufigkeit von möglichen Erkrankungen geklärt werden sollen, wird vom Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) im Auftrag des BMU durchgeführt. Einen weiteren Schwerpunkt stellt die Klärung von Sachverhalten im Zusammenhang mit der Elektrosensibilität dar.
Frage 6. Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass schädliche Auswirkungen durch langfristige Einflüsse elektromagnetischer Wellen auf den menschlichen Organismus zukünftig noch festgelegt werden?
Es wird auf die Antworten zu den Fragen 4 und 5 verwiesen.
Frage 7. Was spricht dagegen, den Evangeliensender auch über Kabel und/oder Satellit zu betreiben?
Einzelheiten zum Betrieb des Evangeliensenders sind nicht bekannt.
Frage 8. Müssen die in Deutschland bestehenden Grenzwerte für elektromagnetische Wellen geändert werden?
Es wird auf die Antworten zu den Fragen 4 und 5 verwiesen.
Die Bundesregierung hat im Rahmen der o.a. Beauftragung der SSK wissenschaftliche Fachgespräche, bei denen die gesamte Bandbreite des in Deutschland vorhandenen Sachverstandes beteiligt war, durchgeführt. Unter Berücksichtigung aller Ergebnisse plant die Bundesregierung keine Veränderung der geltenden Grenzwerte. Darauf hat die Bundesregierung in ihrer Antwort auf die Große Anfrage der Fraktion der CDU/CSU, BT-Drucksache 14/5848, hingewiesen.
Frage 9. Wie ist die konkrete Messpraxis in Mainhausen zu bewerten im Hinblick auf die Messstandorte und -tageszeiten.
Im Rahmen der Erteilung der Standortbescheinigung sind nach Maßgabe der damaligen Verfügung 306/97 Berechnungen und Messungen durchgeführt worden. Für die jetzt beantragte Änderung der Standortbescheinigung werden nach Maßgabe des erwähnten Nachweisverfahrens BEMFV umfangreiche Messungen durchgeführt. Insofern hat die damalige Messpraxis den gesetzlichen Anforderungen entsprochen und die heutige Messpraxis orientiert sich an den heutigen Anforderungen.
Frage 10. Sieht die Landesregierung einen immissionsschutzrechtlichen Korrekturbedarf im Bereich der Bundesregelungen?
Aufgrund der eindeutigen Bewertung dieser Frage durch die Bundesregierung sieht die Landesregierung in den gegenwärtigen rechtlichen Rahmenbedingungen zur Errichtung von Sendeanlagen eine ausreichende Basis zum Schutz der Bevölkerung. Bei Einhaltung der rechtlichen Vorschriften ist eine Gesundheitsgefährdung nach derzeitigem Kenntnisstand, insbesondere aufgrund der vorliegenden wissenschaftlichen Untersuchungen, unwahrscheinlich.
Frage 11. Hält die Landesregierung es für zumutbar, dass der Betreiber der Anlage den Anwohnern in Mainhausen zumuten will, auf eigene Kosten Geräte und Häuser elektronisch abzuschirmen?
Dieser Sachverhalt ist nicht bekannt.
Frage 12. Welche konkreten Wege sieht die Landesregierung, damit kommunale Gremien und die Bürgerschaft über die Errichtung und die Nutzungsauslegung mit entscheiden können?
Die Möglichkeit der Mitentscheidung über die Errichtung von Sendeanlagen durch kommunale Gremien und Bürgerschaft ist soweit gegeben, wie die planerische Steuerung entsprechender Standorte der städtebaulichen Planung zugänglich ist. Prinzipiell kommen als Möglichkeit der Bestimmung von Standorten für Sendeanlagen, soweit sie bodenrechtlich relevant sind, Regelungen in den Bauleitplänen in Betracht. Denkbar ist der Ausschluss oder die Einschränkung von Anlagen im Bebauungsplan im Rahmen von Festsetzungen über die Art der baulichen Nutzung. Die Möglichkeiten der Bestimmung von Standorten für Sendeanlagen im Rahmen der Bauleitplanung sind jedoch sachlich begrenzt durch die Bindung aller Maßnahmen der planerischen Steuerung solcher Anlagen an die Grundsätze des § 1 Abs. 3 bis 6 BauGB. Die Planung muss nach § 1 Abs. 3 BauGB für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich sein. Es müssen also hinreichend gewichtige städtebauliche Belange für die Planung sprechen. Dabei ist die Erforderlichkeit anhand einer objektiven Betrachtungsweise zu prüfen. Städtebauliche Belange müssen also die Zuweisung der Anlagen auf bestimmte Standorte erfordern. Fehlt es an entsprechenden städtebaulichen Belangen oder sind diese nur vorgesehen, wäre eine entsprechende Planung als unzulässige Negativplanung rechtswidrig. Jede Bauleitplanung unterliegt dem Gebot gerechter Abwägung des § 1 Abs. 6 BauGB. In diese Abwägung sind alle maßgeblichen öffentlichen und privaten Belange entsprechend ihrem jeweiligen Gewicht einzustel4 len. Als private Belange sind etwa das Interesse an der Verbreitung von Information und die wirtschaftlichen Interessen des Rundfunkbetreibers in der Abwägung zu berücksichtigen. Im Hinblick auf den Belang der allgemeinen Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse muss sich auch die gemeindliche Abwägung an den Grenzwerten der 26. BImSchV orientieren.
Diese gewährleistet den Schutz vor Gesundheitsgefahren, erheblichen Nachteilen und erheblichen Belästigungen im Sinn des BundesImmissionsschutzgesetzes. Zwar stellen die in der 26. BImSchV genannten Beurteilungsmaßstäbe keine in der Bauleitplanung strikt zu beachtenden Vorgaben dar, da die Bauleitplanung auch Vorsorgeplanung ist. Jedoch beinhalten diese Maßstäbe fachliche Beurteilungen, die in der Rechtssprechung als sachgerecht anerkannt worden sind. Dies kann in der Bauleitplanung nicht außer Acht gelassen werden. Im Ergebnis bedeutet das, dass gesundheitliche Belange den grundsätzlichen Ausschluss von Sendeanlagen z. B. aus Wohngebieten städtebaulich nur insoweit begründen können, wie die Einhaltung der immissionsschutzrechtlichen Grenzwerte durch entsprechend große Abstände die städtebauliche Ordnung als solche und den Gebietscharakter infrage stellen würde.
Im Hinblick auf die mögliche planungsrechtliche Relevanz von Sendeanlagen sichert die novellierte Hessische Bauordnung die Beteiligung der Gemeinde durch einen entsprechenden Vorbehalt auch dann, wenn die Anlage von der bauaufsichtlichen Genehmigung freigestellt ist. Mit der Beteiligung werden die Vorgaben des Baugesetzbuches und die Planungshoheit der Gemeinden gewahrt, in dem der Gemeinde die bundesrechtlich rechtsgrundsätzlich verlangte Möglichkeit eröffnet wird, plansichernde Maßnahmen zu ergreifen.
Eine planungspraktische Erforderlichkeit zur städtebaulichen Planung der Standorte ist allerdings nicht erkennbar.
Es wird zudem auf die Maßnahmen zur "Verbesserung von Sicherheit und Verbraucher-, Umwelt- und Gesundheitsschutz, Information und vertrauensbildende Maßnahmen beim Ausbau der Mobilfunknetze" in Form einer Selbstverpflichtung der Mobilfunkbetreiber vom 6. Dezember 2001 verwiesen. Die Bundesregierung hat zugesagt, diese seitens der Betreiber zugesagten Maßnahmen regelmäßig zu überprüfen und zu bewerten. Die freiwillige Selbstverpflichtung sieht u.a. die Offenlegung der Netzplanungen durch halbjährliche Erörterung der Planung unter Einbeziehung von Standortalternativen sowie die Unterrichtung der Kommunen über beabsichtigte Errichtungsmaßnahmen vor.