Initiative Finanzverwaltung: Einnahmeverwaltung stärken - Effizienz verbessern - Gerechte Steuererhebung gewährleisten

Die nordrhein-westfälische Finanzverwaltung ist als Markenzeichen über die Grenzen des Landes hinaus bekannt. Die Ausbildung ist hervorragend und die Motivation der Beschäftigten vorbildlich. Trotz stetig steigender Belastungen haben die Finanzämter ihre Aufgabe als unverzichtbares Regulativ zur Generierung von Einnahmen ausgezeichnet erfüllen können.

Die nordrhein-westfälische Finanzverwaltung konnte immer wieder unter Beweis stellen, dass sie mit den Herausforderungen fertig wird. Dies ist umso bedeutsamer, weil sich in den vergangenen Jahren die Rahmenbedingungen erheblich verschlechtert haben. Die fortschreitende Komplizierung des Steuerrechts und steigende Fallzahlen bei gleichzeitigem Personalabbau haben der Finanzverwaltung Höchstleistungen abgefordert. Sie reagierte darauf mit wiederholt veränderten Verfahrensabläufen und zusätzlichen Bearbeitungsregeln für die Beschäftigten. Eine gleichbleibende Arbeitserledigung war dabei aufgrund fehlender Planungssicherheit kaum möglich.

Es waren die Vorsteher der nordrhein-westfälischen Finanzämter, die Alarm schlugen und sich schützend vor ihre Beschäftigten stellten. Die Chefs der Ämter sahen sich gem. § 58 LBG in der Pflicht, den Finanzminister auf die negativen Folgen der sich seit Jahren verschlechternden Lage der Steuerverwaltung und die daraus resultierenden Vollzugsdefizite sowie die stetig schwindende Motivation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aufmerksam zu machen. Die Finanzämter haben nach der Abgabenordnung den Auftrag, die Steuern nach Maßgabe der Gesetze gleichmäßig festzusetzen und zu erheben. Insbesondere haben die Finanzbehörden sicherzustellen, dass Steuern nicht verkürzt, zu Unrecht erhoben oder Steuererstattungen und Steuervergütungen nicht zu Unrecht gewährt oder versagt werden.

Die Vorsteher haben festgestellt, dass die Ämter diesem Auftrag nur noch unvollkommen gerecht werden können. Dies war eine "offizielle Überlastungsanzeige" von höchster Stelle.

Risikomanagement ist nicht der Königsweg:

Zur Bewältigung des Arbeitsanfalles setzt die Finanzverwaltung verstärkt auf das Risikomanagement. Bei der Bearbeitung von Steuerfällen wird eine Abstufung vorgenommen, so dass nur noch auf das Wesentliche abgestellt und somit der für die Arbeitserledigung zur Verfügung stehende Zeitrahmen eingehalten werden kann. Steuerfälle werden in unterschiedliche Fallgruppen eingeteilt, für die hinsichtlich der Bearbeitungsintensität unterschiedliche Regeln gelten. Alle Steuerfälle, die nicht zu den risikoreichen Erklärungen gehören, sollen lediglich "überschlägig" bearbeitet werden. Inzwischen wird diese "risikoorientierte" Fallbearbeitung durch einen in das IT-Programmsystem integrierten "maschinellen" Risikofilter unterstützt.

Diese "gewichtende Arbeitsweise" war auch in der Vergangenheit vorgeschrieben und mit dem Landesrechnungshof abgestimmt, weil eine hundertprozentige Bearbeitung eines Steuerfalles unmöglich war bzw. einen nicht mehr gerechtfertigten Personalaufwand erfordern würde. Allerdings kommt der Landesrechnungshof in seinen Prüfungsfeststellungen zu dem Ergebnis, dass die "risikoorientierte" Veranlagung durch die Gewichtung eine Fehlerquote von 36,5% aufweist. Das Beanstandungsvolumen bei 1.743 Steuerfällen lag im Saldo bei 378.000. Der Landesrechnungshof geht überschlägig von jährlichen Steuerausfällen in einer Größenordnung von 250 Mio aus. Denn das Risikomanagement in der Finanzverwaltung birgt die Gefahr, dass die im Risikofilter festgelegten Aussteuerungskriterien nur am vorhandenen Personal ausgerichtet wird: Das heißt beispielsweise bei Krankheit, Urlaubszeit oder Mutterschutz müssen mit weniger Personal höhere Risikogrenzen akzeptiert werden.

"Risikoreich" oder "risikoarm" könnte also allein schon von der Zahl der zur Verfügung stehenden Mitarbeiter abhängen.

Viele Probleme im Umgang mit der gewichtenden Veranlagung sind grundsätzlich nur Übergangsprobleme, bis am Ende ein besseres System eine beschleunigte Bearbeitung mit einem geringen Ausfallrisiko ermöglicht. Diese Betrachtung ist aber theoretisch, da der Steuergesetzgeber immer neue Normen schafft, die ein "Zu-Ende-Denken" des gerade aktuellen Systems unmöglich macht. So ist das "Risikomanagement" auf Dauer in der Erprobung und führt allmählich zur bewussten Inkaufnahme von Steuerausfällen und wird in der Praxis eher ein Instrument zur Personalsteuerung, indem es die Arbeitsweise an dem konkret zur Verfügung stehenden Personal ausrichtet. So werden nur noch die "schlimmsten" Auswüchse in den Blick genommen. Eine Umsetzung des nach wie vor immer komplizierter werdenden Steuerrechtes mit laufenden Rechtsänderungen wird immer schwieriger.

Umso wichtiger ist, dass die Landesregierung eine ausreichende Personalausstattung der Finanzämter sicherstellt, damit die risikoorientierte Bearbeitung nicht zu unkalkulierbaren Steuerausfällen und damit zu einer bürgerfeindlichen, ungerechten Besteuerungspraxis führt.

Fusion von Finanzämtern nur dort, wo wirklich positive Effekte erzielt werden können.

An vielen Stellen im Land hat sich gezeigt, dass die Zusammenlegung von Finanzämtern nicht unbedingt der Konzentration der Arbeitskapazitäten oder dem Gewinnen von Synergieeffekten dient, sondern ausschließlich dem Abbau weiterer Stellen. So wurden beispielsweise in Aachen erst im Februar 2006 drei Finanzämter in einem Neubau zusammengefasst.

Die Struktur des Hauses ist so angelegt, dass sowohl räumlich wie elektronisch die Eigenständigkeit der bisherigen Ämter erhalten bleibt. Wenn diese Ämter künftig zu zwei Ämtern zusammengefasst werden, können lediglich die Funktionen des Amtsleiters und der Geschäftsstelle eingespart werden. Diese Aufgaben müssten dann von dem vorhandenen Personal der verbleibenden Ämter übernommen werden. Diesem geringen Einsparpotential stehen aber nicht unerhebliche Mehraufwendungen gegenüber: Neue Steuernummern (kurz vor

Einführung einer bundeseinheitlichen Steuernummer), neue elektronische Wege, Umzug von Mitarbeitern zur Schaffung neuer Bearbeitungseinheiten und neuen Organisationsstrukturen sind mit Kosten verbunden, die vermieden werden könnten. Minimalen Personaleinsparungen stehen einer starken Arbeitsverdichtung bei den verbleibenden Beschäftigten gegenüber.

Vergleichbare Fehlplanungen stehen auch für die drei Essener Finanzämter an, die erst seit 2004 ein neu errichtetes Finanzamtszentrum bilden!

Die Finanzamtsfusionen bei gleichbleibender Arbeitsbelastung führen lediglich zu 5 bis 7 Stelleneinsparungen (Vorsteher, Hauptsachgebietsleiter, Geschäftsstelle, Hauptsachbearbeiter). Weitere Vorteile sind nicht erkennbar.

Nicht nachvollziehbar sind beispielsweise auch die Maßnahmen in Erkelenz und Geilenkirchen: Hier wird darüber nachgedacht, die beiden Gebäude komplett durch einen Neubau am Standort Heinsberg zu ersetzen. Beide Ämter sind gut funktionierende Einheiten, deren Zusammenlegung zusätzliche Belastungen für die Beschäftigten, aber keinen erkennbaren Vorteil für die Bürger und die Verwaltung bringt.

Daneben stellt sich die Frage, ob die Finanzämter in der geplanten Größe noch nach dem bisherigen hierarchischen Aufbauprinzip geführt werden können oder ob neue Organisationsstrukturen entwickelt werden müssen. So werden beispielsweise vergleichbare Kommunalverwaltungen im Dezernentenprinzip geführt. Folglich würden dann der Einsparung durch den Wegfall der wenigen bisherigen Leitungsstellen vergleichbarer Besoldungsstruktur (BesGr. A 15 und/oder A 16) zusätzliche Ausgaben entgegenstehen. Damit würde eine Ausweitung der Besoldungsstruktur "nach oben" stattfinden müssen, weil eine erheblich größere Zahl an Mitarbeitern zu führen wäre.

IT-Unterstützung Zentrales Problem ist die Finanzverwaltung mit leistungsfähigen Programmen. Nach dem bundesweiten Scheitern des Projektes "Fiscus" ist es jetzt wichtig, das Rechenzentrum der Finanzverwaltung in Nordrhein-Westfalen in die Lage zu versetzen, den Finanzämtern zeitnah die notwendigen Programme zur Verfügung zu stellen.

So sind beispielsweise die Betriebsprüfungsdienste inzwischen mit Personalcomputern ausgestattet. Aber es fehlt nach wie vor an der erforderlichen Software. Die Steuerprogramme, die den Prüfern zur Verfügung stehen, fallen hinter die der steuerberatenden Berufe bzw. der Steuerabteilungen der großen Unternehmen weit zurück. Mittlerweile bietet die private Software-Industrie auf dem Markt Programme an, die in der Finanzverwaltung noch immer in der Erprobung sind. Schon heute können die Steuerberater automationsunterstützt ihren Mandanten Prüfungsschwerpunkte einer kommenden Betriebsprüfung benennen, da die von der Finanzverwaltung eingesetzte Software am freien Markt verfügbar ist. Unternehmen haben so die Möglichkeit, sich entsprechend vorzubereiten. Dies ist völlig legal und keine Steuerverkürzung. Die Steuerfahnder in NRW haben sich selbst geholfen und ein eigenes Programm zur Prüfungsvorbereitung und -begleitung geschrieben. Leider fehlt dazu jegliche Vernetzung mit den vorhandenen Netzwerken und Dateien der Landesfinanzverwaltung.

Bundesweit wurden inzwischen neue Steuervordrucke eingeführt, die alle scanner-lesbar sind. Das soll zu erheblicher Bearbeitungsvereinfachung führen. Die Praxis sieht leider z. Zt. anders aus: Noch gibt es keinen Scanner, der seine uneingeschränkte Funktionstüchtigkeit unter Beweis gestellt hat; die Vordrucke müssen entsprechend oft händisch nachgebessert werden, sind aber durch die Maschinenlesbarkeit schwer auszufüllen.