Unterrichtsausfall aus Krankheitsgründen sinnvoll bekämpfen - Konzepte brauchen mehr als 255 Zeichen

Unterrichtsausfall ist ein permanentes Problem im Schulalltag, das in allen Schulen und in allen Bundesländern auftritt, zu allen Zeiten aufgetreten ist und vielerorts hoch emotionalisiert diskutiert wird.

Ein differenzierter Blick auf das Phänomen Unterrichtsfall ist jedoch dringend erforderlich, um die aufgeheizte Debatte gerade in NRW wieder zur Sachlichkeit zu führen.

Die Schulministerin hat im Internet zur Mitwirkung an der Problemlösung aufgefordert. Allerdings stehen lediglich 255 Zeichen für einen Beitrag zur Eintragung zur Verfügung. Das erlaubt kaum, Problemlösungen für den Bereich der Vertretung bei Erkrankungen von Lehrkräften, die den Hauptanteil an Unterrichtsausfall verursachen, differenziert anzugehen.

Auch bei optimierten Ressourcen zur Bekämpfung von Unterrichtsausfall aus Krankheitsgründen wird in den Schulen Unterricht ausfallen, weil Lehrerinnen und Lehrer durch z. B. Klassenfahrten, Besuchen von außerschulischen Lernorten zeitlich und örtlich anders eingebunden sind. Diese schulischen Veranstaltungen und außerunterrichtlichen Lerngelegenheiten, die auch im Schulprogramm verankert sein sollten, bleiben pädagogisch äußert wünschenswert und gehören in das Schulleben und zum Lernen dazu. Die benötigten Zeiten sollen durch eine intelligente Schulorganisation gebündelt werden, um Unterrichtsausfall so gering wie möglich zu halten. Zusätzlich ist jedoch von jeder Schule ein qualifiziertes Vertretungsunterrichtskonzept vorzuhalten, das die Lehrkräfte verpflichtet, genügend Vertiefungsund Übungsmaterial für ein differenziertes selbstständiges Weiterarbeiten am Thema durch die Schülerinnen und Schüler vorzuhalten. Solche Konzepte werden schon in zahlreichen Schulen erfolgreich angewandt.

Auch die NRW-Schulministerien haben sich immer mit der Problemlage des krankheitsbedingten Unterrichtsausfalls konfrontiert gesehen und Interventionen entwickelt. Ein Instrument zur Bekämpfung des Unterrichtsausfalls war die oft und viel beschworene Stellenreserve, die aktuell wieder in der Debatte ist. Sie hatte in der Vergangenheit nicht dazu geführt, dem Problem beizukommen. Die zusätzlichen Stellen wurden für zusätzliche Differenzierung, zur Angebotserweiterung oder zur Reduzierung von Kurs- oder Klassengröße eingesetzt und waren damit im laufenden Stundenplan regulär verplant. Sie standen im Bedarfsfall dann nicht ohne weiteres zur Verfügung. Sollten die Lehrkräfte für Unterrichtsvertretung eingesetzt werden, so waren ihre eigenen zusätzlichen Angebote selbst vom Ausfall betroffen. Die vorhandene Stellenreserve zur Vermeidung von Unterrichtsausfall wurde gegenüber der Schulgemeinde nicht transparent genug verwaltet. So wusste die Schulkonferenz - und damit auch die Eltern - häufig genug nicht, wie die Stellenreserve im Alltag bereits verplant war.

Die Stellenreserve war in der Praxis mehr ein pädagogisches Ausgleichs- und Differenzierungselement und konnte die Erwartungen, Unterrichtsaufall wirksam zu reduzieren, nicht einlösen.

In der Folge wurde die Stellenreserve in das Instrument Geld-statt-Stellen umgewandelt.

Damit sollte die Fokussierung auf die tatsächlich notwendige Unterrichtsvertretung erfolgen und Schulen sollten bedarfsgerechter auch in Bezug auf benötigten Fachunterricht versorgt werden. Mit der Einführung des Instruments Geld-statt-Stellen wurde ein erster großer Schritt in Bezug auf größere Flexibilisierung und dezentralere Steuerung geleistet.

II Probleme im Schulalltag:

Zu Recht weisen Schulen, Eltern- und Lehrerverbände darauf hin, dass die mittel- und langfristig planbaren Vertretungsbedarfe (z. B. eine Operation und folgende REHA-Maßnahme oder Elternzeiten) durch das Instrument Geld statt Stellen zufrieden stellend geregelt werden können. Probleme bereitet die Vertretung im Falle von kurzfristigen Erkrankungen, z. B. montags zur ersten Stunde, wenn die Krankmeldung zeitgleich mit den Schülerinnen und Schülern in der Schule eintrifft.

Eine "Vertretungsbereitschaft" für solche kaum kalkulierbaren Bedarfe wird von erfahrenen Schulleitungen schulorganisatorisch von Anfang an vorgesehen. Kolleginnen und Kollegen werden in einem roulierenden System dafür eingesetzt, so dass Belastungen verteilt werden.

Allerdings kann eine solche Bereitschaft nur in eng begrenztem Umfang, z. B. für die problematischen Wochenanfangsstunden vorgehalten werden. Keinesfalls können dadurch die Vertretungsprobleme aufgefangen werden, die den meisten Ärger verursachen. Das sind die kurzen Krankschreibungen in Folge ("Kettenkrankschreibungen") und ohne verlässliche Aussage über die zu erwartende Ausfallzeit insgesamt. Diese ist auch in vielen Fällen von ÄrztInnen und erkrankten Lehrkräften nicht zu prognostizieren.

Für die Schulen entsteht jedoch das Problem, dass sie mit ihren Anfragen zwecks Vertretung beim Geld statt Stellen-Pool keine Hilfen erfahren, da diese Mittel für langfristige Ausfälle vorgesehen sind.

So liegt auf der einen Seite formal zunächst ein kurzer Ausfall einer Lehrkraft vor, die u. U. Folgekrankschreibungen nach sich ziehen kann, die dann jede für sich wiederum formal eine einzelne kurze Ausfallzeit darstellt.

Für Schülerinnen und Schüler und Eltern bleiben jedoch das Faktum und die Wahrnehmung wichtig, dass Unterricht langfristig ausfällt oder ggf. nur unzureichend vertreten werden kann.

Die bereits bestehenden Arbeitsbelastungen lassen die Bereitschaft von Kolleginnen und Kollegen schmelzen, über ihre bestehende Dienstverpflicht zur Übernahme von Vertretung hinaus, dann auch zusätzlich vergütete Vertretungsstunden zu leisten.

Es werden somit zusätzliche Kräfte für die Problemlösung benötigt.

III Lösungsansätze:

Die Schulen haben differenziert zu betrachtende Bedarfe - sie benötigen

1. Ein Instrument zur Deckung der mittel- bis langfristig absehbaren Vertretungsbedarfe. Das kann wie bisher durch das Geld statt Stellen Instrument geleistet werden.

2. Ein direkt bei den Schulen anzusiedelndes Vertretungsbudget, das mit dem ersten Schultag die Schulleitung unmittelbar handlungsfähig macht, um kurzfristig Unterrichtsausfall begegnen zu können. Es räumt einen Zugriff auf Mittel ein, die speziell kurzfristigen Unterrichtausfall vermeiden helfen sollen. Die Schulleitung soll dadurch in die Lage versetzt werden, z.

B. Personen anzusprechen, die die benötigte Kontinuität für eine Lerngruppe sichern. So können gerade aus den Dienst ausgeschiedene Lehrkräfte oder sich in Elternzeit befindende Lehrkräfte für die Vertretung in einem ihnen bekannten Kurs oder der Klasse gewonnen werden, wenn personelle Kontinuität wichtig ist, z. B. in Abschluss- oder Übergangssituationen.

Die Schulleitung legt ihren Rechenschaftsbericht über die Verwendung der Mittel auch der Schulkonferenz vor. Die Vertretungsstunden, die Lehrerkräfte laut ihrer Dienstverpflichtung zu leisten haben, werden dabei im Konzept mit ausgewiesen. Damit den Schulen ein direkter Zugriff auf die Vertretungsmittel für kurzfristige Erkrankungen ermöglicht wird, wird der Grundsatz, die Eigenverantwortung und Selbstständigkeit der Schulen zu stärken, konsequent fortgesetzt.

IV. Der Landtag beschließt:

Die Landesregierung wird aufgefordert,

· klarzustellen, dass es bei dem Problem des Unterrichtsausfalls in erster Linie um Unterrichtsausfall aus Krankheitsgründen handelt,

· klarzustellen, dass die vielfältigen außerschulischen Lernorte und damit verbundenen Vorhaben wie Betriebspraktika, Klassenfahrten, Exkursionen wünschenswerte, pädagogisch wertvolle Bestandteile des Lernens sind. Diese Lern-Vorhaben können auch Unterrichtsausfall verursachen, der durch entsprechende schulische Organisation jedoch so gering wie möglich gehalten werden sollte.

· ergänzend zum Instrument Geld-statt-Stellen für den langfristigen Vertretungsbedarf den Schulen ein Vetretungsbudget an die Hand zu geben, das es ermöglicht kurzfristige Vertretungsbedarfe in eigener Verantwortung bei entsprechender Rechenschaftslegung zu decken.