Organisatorische Missstände der Rechtsschutzgewährung beim Amtsgericht Siegen?

Folgende zwei Sachverhalte wurden an die Unterzeichnerin herangetragen:

1. Am Samstag, dem 24. März 2007 wurde durch das Institut für Genossenschaftswesen und Bankwirtschaft während der Eildienstzeit versucht, den Erlass einer einstweiligen Verfügung zu beantragen. Dieser Versuch scheiterte an folgenden Gegebenheiten:

a) Die diensthabende Eilrichterin hielt sich nicht am Dienstsitz, sondern an einem 100 km entfernten Ort auf.

b) Die Überlegung der Justiz den Vorgang zur Bearbeitung an diesen Ort per Fax zu übermitteln scheiterte daran, dass dort kein Siegener Justizpersonal zwecks Schreiben und Ausfertigen zur Verfügung stand.

c) Der diensthabende Gerichtsvollzieher war der Eilrichterin nicht bekannt und konnte auch nicht ermittelt werden.

2. Am 5. Mai 2007 wurde beim Amtsgericht Siegen eine Drittwiderspruchsklage gemäß § 771 ZPO mit Anträgen auf einstweilige Anordnung durch das Institut für Genossenschaftswesen und Bankwirtschaft eingereicht. Trotz Eilbedürftigkeit blieb der Antragsteller ohne jegliche Nachricht, so dass er am 14. Mai bei der Geschäftsstelle des Amtsgerichts nachfragte. Hier stellte sich heraus, dass sich die Klage weder auffinden ließ noch im Eingangsregister eingetragen war.

Mehrmalige Versuche die Angelegenheit zu klären, waren vergeblich, da über die Eildienst-Durchwahlnummern der Justizbehörden niemand erreichbar war. Selbst der Versuch von Bediensteten des Landgerichts über die Eildienstnummer beim Amtsgericht jemanden zu erreichen, blieb ohne Erfolg.

Auf Schreiben an die Direktion des Amtsgerichts vom 14. und 21. Mai reagierte die stellvertretende Direktorin mit Schreiben vom 23. Mai, in dem sie mitteilte, dass die Akte bei der zuständigen Richterin zur Bearbeitung vorliege und kurzfristig Eingangsnachricht erfolge.

Am 30. Mai fragte der Antragsteller erneut nach. Bei der zuständigen Geschäftsstelle wurde ihm mitgeteilt, dass diese Klage nach wie vor unbekannt und im Eingangsregister nicht auffindbar sei. Somit könne weder Aktenzeichen noch zuständige Richterin benannt werden. Auch die daraufhin angerufene stellvertretende Direktorin des Amtsgerichts, die das oben genannte Schreiben vom 23. Mai unterzeichnet hatte, konnte weder das Aktenzeichen nennen noch die zuständige Richterin, da "es viele Siegener Richterinnen gäbe".

Bis zum 06. Juni war es nicht möglich, Aktenzeichen und die bearbeitende Richterin in Erfahrung zu bringen.

Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung:

1. Ist der Landesregierung bzw. dem Justizministerium diese Situation am Siegener Amtsgericht bekannt?

2. Ist dem Präsidenten des Landgerichts Siegen die Situation bekannt?

3. Welche Schritte beabsichtigt die Landesregierung um sicherzustellen, dass der Notdienst am Wochenende und an Feiertagen gewährleistet ist?

4. Welche Maßnahmen erwägt die Landesregierung zu ergreifen, damit u. a. Widerspruchsklagen gem. § 771 ZPO, ordnungsgemäß registriert und bearbeitet werden?

5. Ist es rechtmäßig, dass aus Datenschutzgründen ein Telefonat an die Eilrichterin nicht durchgestellt werden kann, noch deren Namen genannt wird, sowie die TelefonNummer des Gerichtsvollziehers weder herausgegeben, noch das Gericht bei der Erteilung des Auftrags an einen Gerichtsvollzieher mitwirken darf?

Antwort der Justizministerin vom 12. Juni 2007 namens der Landesregierung:

Zur Frage 1:

Ja, allerdings stellen sich die beiden Sachverhalte wie folgt dar: Entgegen der Darstellung in der Kleinen Anfrage ist am 24.03.2007 der Versuch, den Erlass einer einstweiligen Verfügung zu beantragen, nicht gescheitert. Der Antrag ist an diesem Tag bei Gericht eingereicht und durch die zuständige Eildienstrichterin des Amtsgerichts Siegen umgehend bearbeitet worden. Der Antrag ist zwischenzeitlich vom Antragsteller zurückgenommen worden.

Auch bei dem in Abschnitt 2 geschilderten Sachverhalt ist die eingereichte, mit "Drittwiderspruchsklage" bezeichnete Antragsschrift durchgängig in Bearbeitung gewesen. Der Schriftsatz mit Datum vom 05.05.2007 ging am 06.05.2007, einem Sonntag, in der gemeinsamen Briefannahmestelle des Amts- und Landgerichts Siegen ein und wurde am darauf folgenden Montag vom Vollstreckungsgericht in der Annahme der Zuständigkeit des Landgerichts an dieses übersandt. Nach Ablehnung der Übernahme durch das Landgericht gelangte die Sache am Freitag, den 11.05.2007, an das Amtsgericht zurück, wurde beim Vollstreckungsgericht eingetragen und war fortan dort in Bearbeitung.

Beim Vollstreckungsgericht lagen also seither auch die von dem Antragsteller erbetenen Informationen zu Aktenzeichen und dem zuständigen Richter vor. Die Anfragen richteten sich jedoch an die mit der Sache nicht befasste Zivilabteilung, von der diese Auskünfte nicht erteilt werden konnten.

Der am 30.05.2007 angerufenen Vertreterin der Direktorin des Amtsgerichts lagen zum Zeitpunkt des Telefonats die Akten nicht vor, so dass sie nicht (aus dem Gedächtnis heraus) wissen konnte, welcher Richter zuständig ist und welches Aktenzeichen der Eingang trug.

Zur Frage 2:

Ja.

Zur Frage 3:

Mängel im Rahmen des nach Maßgabe der AV des Justizministeriums vom 5. November 2003 (2043 - I D. 3) - JMBl. NRW S. 266 - in der Fassung vom 19. März 2004 eingerichteten richterlichen Bereitschaftsdienstes sind nicht aufgetreten. Diese Regelung hat sich bewährt.

Für weitere Maßnahmen der Landesregierung besteht kein Anlass.

Ein Eildienst der Gerichtsvollzieher, wie er nach § 38 Abs. 1 GVO auch an dienstfreien Werktagen, Sonnabenden, Sonn- und Feiertagen eingerichtet werden kann, ist beim Amtsgericht Siegen mangels Bedarf nicht eingerichtet. Zu Problemen ist es bisher nicht gekommen. Auch insoweit sind keine Maßnahmen seitens der Landesregierung zu ergreifen.

Zur Frage 4:

Maßnahmen der Landesregierung sind auch diesbezüglich nicht zu ergreifen, insoweit kann auf das zu Frage 1. Ausgeführte verwiesen werden.

Zur Frage 5:

Ein Telefonat an die Eildienstrichterin kann durchgestellt werden, Datenschutzgründe stehen dem nicht entgegen. Auch der Name kann genannt werden. Gleiches gilt für die Telefonnummer eines Gerichtsvollziehers. Bei der Erteilung eines Auftrags an einen Gerichtsvollzieher kann das Gericht in gesetzlich vorgesehener Weise "mitwirken". So kann der Gläubiger gem. § 753 Abs. 2 ZPO wegen Erteilung eines Auftrags zur Zwangsvollstreckung die Mitwirkung der Geschäftsstelle in Anspruch nehmen.