Belegung der Haftanstalten in NRW

In der Nacht vom 11./12. November 2006 wurde ein 20-jähriger Häftling in der Jugendstrafanstalt Siegburg von drei Mitgefangenen quasi unter "Obhut" des Staates über viele Stunden lang schrittweise zu Tode gequält. Einer der Umstände, der zu dieser unfassbaren Tat geführt hat, wird darin gesehen, dass das Opfer in einer Zelle mit drei weiteren Häftlingen untergebracht war. Als Reaktion wurden die Jugendstrafanstalten von der Ministerin angewiesen, Drei- bzw. Vierfachbelegung nicht mehr vorzunehmen.

Die von der Ministerin für Justiz des Landes Nordrhein-Westfalen am 29. November 2006 eingesetzte „Kommission: Gewaltprävention im Strafvollzug ­ Nordrhein-Westfalen" hat am 01. Februar 2007 ihren 1. Teilbericht mit den Ergebnissen der Überprüfung der fünf Jugendstrafanstalten in NRW an die Landesregierung übergeben. In dem Bericht wird für die JVA Herford im Jahresdurchschnitt eine Auslastung von 125,3 % dargestellt, für die JVA Hövelhof von 92,41 %, für die JVA Iserlohn von 106,8 %, für die JVA Heinsberg von 114 % und für die JVA Siegburg von 108,3 %.

Zur Umsetzung verbesserter Haftbedingungen plant die Landesregierung eine Justizvollzugsanstalt für Jugendliche mit rund 500 Haftplätzen in Wuppertal und einen weiteren Bau mit 250 Plätzen in Heinsberg. Darüber hinaus hat die Ministerin angekündigt, dass in der Abschiebehaftanstalt Büren ein leer stehendes Haus mit 150 Plätzen für den Strafvollzug von Ersatzfreiheitsstrafen und kurzen Freiheitsstrafen umgebaut werden soll. Des Weiteren soll durch einen Belegungsausgleich, der sich durch ganz Nordrhein-Westfalen zieht, eine konsequente Trennung von Jugend- von Erwachsenenvollzug in Siegburg herbei geführt werden, der sich bereits im Herbst dieses Jahres auswirken soll.

Der Regierungsentwurf für ein Jugendstrafvollzugsgesetz NRW sieht vor, Gefangene grundsätzlich während der Ruhezeiten in Einzelhafträumen unterzubringen. Eine gemeinschaftliche Unterbringung lässt der Entwurf nur in wenigen abschließend genannten Ausnahmefällen zu. Mangels aktueller Haftplatzkapazitäten enthält der Regierungsentwurf eine bis zum Ende des Jahres 2010 befristete Übergangsregelung. Der Gesetzentwurf der Landesregierung gibt über die bereits geplanten Maßnahmen keine absehbaren zusätzlichen Kosten an.

Die Landesregierung hat bisher keine Gesamtplanung für den Jugendstrafvollzug vorgelegt und nicht dargestellt, wie die einzelnen Maßnahmen im Zusammenhang mit der Umgestaltung des Jugendstrafvollzugs stehen.

Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung:

1. Wie viele Jugendstrafgefangene sitzen momentan in den nordrhein-westfälischen Jugendstrafvollzugsanstalten Hövelhof, Herford, Iserlohn, Heinsberg und Siegburg ein?

2. Wie sieht die Unterbringung der Strafgefangenen in den einzelnen Jugendhaftanstalten zurzeit aus (bitte differenziert nach Einzelunterbringung, Zweierbelegung, Mehrfachbelegung und Wohngruppen)?

3. Wie viele Jugendstrafgefangene befinden sich im offenen und wie viele im geschlossenen Vollzug?

4. Wie hoch beziffert die Landesregierung den konkreten, zukünftigen Bedarf an Haftplätzen im Jugendstrafvollzug an den einzelnen Standorten nach Inkrafttreten des Jugendstrafvollzugsgesetzes?

5. Welche strukturellen, baulichen und personellen Konsequenzen ergeben sich aus der geplanten Trennung von Jugendstrafvollzug und Erwachsenenvollzug sowie den Zielsetzungen des geplanten Jugendstrafvollzugsgesetzes für alle Haftanstalten in Nordrhein-Westfalen (bitte differenziert nach Haftanstalten aufzeigen)?

Von den insgesamt 1.436 männlichen Jugendstrafgefangenen befanden sich am Stichtag 241 Gefangene im offenen Vollzug und 1.195 im geschlossenen Vollzug. Dies hat u. a. auch zur Folge, dass regelmäßig mehr als 300 junge männliche Untersuchungsgefangene in Anstalten des Erwachsenenvollzuges unterbracht werden müssen (Düsseldorf, Kleve, Köln, Wuppertal).

Nach Inkrafttreten des Jugendstrafvollzugsgesetzes (JStVollzG NRW) wird sich der Haftplatzbedarf im geschlossenen Jugendstrafvollzug durch das von der Landesregierung mit einem hohen Stellenwert versehene Gebot der Unterbringung in Einzelhafträumen (§ 25 des Entwurfs des JStVollzG NRW) weiter erhöhen.

Der sich aus allem ergebende künftige Zusatzbedarf wird auf rund 750 Plätze beziffert. Dem werden der geplante Neubau einer Jugendanstalt in Wuppertal mit 500 Plätzen sowie die Kapazitätserweiterung der JVA Heinsberg mit ca. 250 Plätzen gerecht. Eine entsprechende Neufestsetzung der jeweiligen Vollstreckungszuständigkeiten wird zu gegebener Zeit erfolgen.

Zur Frage 5:

Infolge der vorgenannten Maßnahmen wird die Unterbringung der jungen männlichen Untersuchungsgefangenen und Jugendstrafgefangenen künftig und erstmalig in ganz Nordrhein Westfalen ausschließlich in reinen Anstalten des Jugendvollzuges erfolgen können. Die seit Jahrzehnten in einigen Justizvollzugsanstalten übliche Mischbelegung von jungen und erwachsenen Gefangenen wird damit endgültig der Vergangenheit angehören. Auch die JVA Siegburg wird künftig ausschließlich für den Erwachsenenvollzug genutzt werden.

Diese Veränderungen werden dem gesamten nordrhein-westfälischen Jugendvollzug und damit jeder einzelnen Jugendanstalt zugute kommen. In Bezug auf die Förderung und Erziehung der Jugendstrafgefangenen werden die strukturellen Rahmenbedingungen verbessert.

Die vollzugliche Ausgestaltung des Jugendstrafvollzuges wird sich dabei an den Zielen des künftigen Jugendstrafvollzugsgesetzes NRW orientieren.

Die von der Landesregierung ergriffenen Maßnahmen tragen aber auch der angespannten Belegungssituation im Erwachsenenvollzug Rechnung, da diese Vollzugsform von mehr als 700 jungen männlichen Gefangenen entlastet wird. Im Einzelnen handelt es sich um folgende Anstalten: JVA Düsseldorf mit durchschnittlich 90 jungen Gefangenen, JVA Kleve mit durchschnittlich 20 jungen Gefangenen, JVA Köln mit durchschnittlich 120 jungen Gefangenen, JVA Siegburg mit durchschnittlich 380 jungen Gefangenen und die JVA Wuppertal mit durchschnittlich 100 jungen Gefangenen.

Im Zusammenhang mit der Errichtung der neuen Jugendanstalt werden voraussichtlich insgesamt 250 zusätzliche Stellen zur Verfügung stehen, davon 200 Stellen für den allgemeinen Vollzugsdienst/Werkdienst.