Muss das Medikament Cergem bei Schwangerschaftsabbrüchen von Frauen mit geringem Einkommen aus eigener Tasche bezahlt

Muss das Medikament „Cergem" bei Schwangerschaftsabbrüchen von Frauen mit geringem Einkommen aus eigener Tasche bezahlt werden?

Wortlaut der Kleinen Anfrage 1690 vom 13. Juni 2007:

Aus der Beratungspraxis landesgeförderter Schwangerenberatungsstellen wurde bekannt, dass seit Anfang des Jahres 2006 vor allem jungen Frauen mit geringem Einkommen, die einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen lassen, zusätzliche Kosten durch den medikamentösen Einsatz des Präparats Cergem entstehen. Die Finanzmittelpauschale des Landes NRW, die Frauen mit geringem Einkommen für den Schwangerschaftsabbruch über ihre Krankenkassen beantragen können, deckt den Einsatz von Cergem, ein Medikament aus der Gruppe der Prostaglandine, nicht ab. Und obwohl ärztliche Leistungen und Medikamente vor (und nach) dem Eingriff, bei denen der Schutz der Gesundheit im Vordergrund steht, von den Kassen getragen werden müssen, verbleiben die Kosten bei den betroffenen Frauen.

Für die Personengruppe mit geringen Einkommen wie z. B. Leistungsbezieherinnen nach Hartz IV entstehen dadurch unzumutbare finanzielle Belastungen, die eine Verschuldung zur Folge haben kann.

Hintergrund für die veränderte Situation seit Januar 2006 ist die Tatsache, dass der Hersteller Pfizer im Januar 2006 die Zulassung für das Prostaglandin Cytotec für Deutschland zurückgezogen hat. Bis Ende 2005 wurde dieses verwendet, da es wesentlich kostengünstiger und nebenwirkungsärmer ist als Cergem. Cytotec kann zurzeit nur über die internationale Apotheke bezogen werden. Aus Rückmeldungen wird deutlich, dass ein Teil der ÄrztInnen, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen, weiterhin Cytotec anwenden. Damit bewegen sie sich allerdings in einem rechtlichen Graubereich, der nicht abschließend geklärt ist, so dass viele Praxen auf das teurere Cergem ausweichen.

ÄrztInnen, die eine Verabreichung eines Prostaglandins vor dem Abbruch für erforderlich halten, begründen dies mit einer deutlichen Risikosenkung der Verletzungsgefahren während des Eingriffs und damit einhergehender Spätfolgen. Betroffen von Verletzungsgefahren und Spätfolgen sind in erster Linie junge Frauen und Frauen, die noch nicht geboren haben.

Berichten zufolge ist die Wahlfreiheit dieser Personengruppe bezüglich des Einsatzes von Cergem in manchen Fällen stark eingeschränkt. Verschiedene ÄrztInnen lehnen es inzwischen offensichtlich ab, einen Abbruch ohne vorherige Verabreichung des Medikamentes durchzuführen. Gelingt es den Patientinnen nicht, die nicht unerheblichen Kosten für Cergem aufzubringen, müssen sie in einem ohnehin befristeten Zeitfenster eine/n ÄrztIn finden, der oder die den Abbruch auch ohne Cergem vornimmt. Wollen die betroffenen Frauen dem ärztlichen Rat, Cergem diene ihrer Gesundheitsvorbeugung, folgen, müssen sie sich in vielen Fällen verschulden.

Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung:

1. Ist der Landesregierung die dargestellte Problemsituation von Frauen, die Anspruch auf Kostenerstattung durch das Land haben, bekannt (Gesetz zur Hilfe für Frauen bei Schwangerschaftsabbrüchen in besonderen Fällen)?

2. Wie wertet die Landesregierung die beschriebene ärztliche Praxis, betroffenen Frauen den Abbruch zu verweigern, wenn sie nicht bereit oder in der Lage sind, das Medikament Cergem eigenständig zu finanzieren?

3. Folgt die Landesregierung der Einschätzung, dass der Einsatz des Medikamentes Cergem bei Schwangerschaftsabbrüchen nicht zu finanziellen Lasten von Geringverdienerinnen gehen darf?

4. Welche Lösungsmöglichkeit sieht die Landesregierung, den betroffenen Frauen Zugang zu umfassendem Gesundheitsschutz beim Schwangerschaftsabbruch bereitzustellen, ohne sie zusätzlich finanziell zu belasten?

5. Welche Maßnahmen gedenkt die Landesregierung dazu zu ergreifen?

Antwort des Ministers für Generationen, Familie, Frauen und Integration vom 20. Juli 2007 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales:

Zur Frage 1:

Die dargestellte Praxis, dass Ärztinnen und Ärzte es ablehnen, einen operativen Schwangerschaftsabbruch ohne vorherige Verabreichung eines Mittels aus der Gruppe der Prostagladine durchzuführen, ist der Landesregierung nicht bekannt.

Zur Frage 2:

Nach § 12 Schwangerschaftskonfliktgesetz ist niemand verpflichtet an einem Schwangerschaftsabbruch mitzuwirken. Ärztinnen und Ärzte sind danach zur Vornahme eines Schwangerschaftsabbruchs grundsätzlich nicht verpflichtet.

Zur Frage 3:

Das Land erstattet bei medikamentösen Schwangerschaftsabbrüchen geringverdienenden Frauen das Medikament Cergem. Bei operativen Abbrüchen umfasst die Kostenerstattung nicht den zusätzlichen Einsatz von Cergem oder einem anderen Mittel aus der Gruppe der Prostagladine. Es ist der Landesregierung nicht bekannt, in welchem Umfang Geringverdienerinnen die Einnahme eines Medikaments aus der Gruppe der Prostagladine beim operativen Schwangerschaftsabbruch empfohlen bekommen.

Zu den Fragen 4 und 5:

Die Landesregierung wird prüfen, ob in Einzelfällen, in denen es medizinisch notwendig ist, die Kosten für ein Medikament aus der Gruppe der Prostagladine übernommen werden können.