Spezielle rechtliche oder materielle Aufsichtsmittel nennt die GO NRW in § 75 Abs

Aus dem Kontext des Überschuldungsverbots in § 75 GO NRW ist zu entnehmen, dass die Gemeindeordnung zunächst das Ziel verfolgt, es möglichst gar nicht erst zu einer Überschuldung einer Gemeinde kommen zu lassen. Dazu dienen besonders die Genehmigungspflicht bei einer Verringerung der allgemeinen Rücklage unterhalb der Schwellenwerte des § 76 Abs. 1 GO NRW, die Verpflichtung zur Aufstellung eines HSK bei der Überschreitung dieser Schwellenwerte sowie die Verpflichtung, dass die Ergebnis- und Finanzplanung für die dem Haushaltsjahr folgenden Planungsjahre in den einzelnen Jahren ausgeglichen sein soll.

Spezielle rechtliche oder materielle Aufsichtsmittel nennt die GO NRW in § 75 Abs. 7 nicht.

Sofern eine bilanzielle Überschuldung in kommenden Jahren droht oder bereits eingetreten ist, sind die allgemeinen Regelungen, die dazu dienen, eine Verringerung der allgemeinen Rücklage und damit des Eigenkapitals möglichst zu vermeiden, sowie das gesamte Instrumentarium der Kommunalaufsicht konsequent und mit besonderem Nachdruck anzuwenden, auch in Bezug auf das von der betroffenen Gemeinde in dieser Situation aufzustellende HSK. Dabei ergibt sich für die Gemeinde aus dem Überschuldungsverbot eine zusätzliche Verpflichtung, ihre Anstrengungen zur Konsolidierung des Haushaltes noch einmal zu verstärken. Kann dennoch von der Gemeinde kein genehmigungsfähiges HSK zur Beseitigung der Überschuldungsgefahr bzw. der bereits eingetretenen Überschuldung vorgelegt werden, unterliegt die Gemeinde bis zur Aufstellung und Genehmigung eines HSK den Beschränkungen der vorläufigen Haushaltsführung nach § 82 GO NRW.

Für die Aufsichtsbehörden ergibt sich aus dem Überschuldungsverbot die Konsequenz, dass sie frühzeitig, möglichst bevor es zu einem vollständigen Verbrauch des Eigenkapitals kommt, die Anforderungen an die Aufstellung und besonders auch an die Umsetzung der Maßnahmen des HSK verschärfen. Angesichts der Schwere des Verstoßes gegen das Überschuldungsverbot kommt erst recht der Einsatz der Instrumente der Kommunalaufsicht, die in § 75 Abs. 5 GO NRW genannt sind, in Betracht.

E Kommunalaufsichtliche Eingriffsmöglichkeiten:

Das schärfste Instrument der Kommunalaufsicht, der Kreditdeckel mit der Vorgabe „Nettoneuverschuldung Null im unrentierlichen Bereich", schnürt unterschiedslos die Investitionsmöglichkeiten der Kommune ein. Zielführend erscheint dieses Vorgehen, falls es sich um neue Projekte mit hohen Folgekosten handelt, verfehlt hingegen, falls Erhaltungs- / Instandsetzungs-Investitionen, die höhere Folgeschäden vermeiden, bzw. generell betriebswirtschaftlich rentable Investitionen (die aber nicht rentierlich im Sinne des Gebührenrechts sind) beabsichtigt sind.

Ist eine Weiterentwicklung des kommunalaufsichtsrechtlichen Vorgehens beabsichtigt, um diese unterschiedlichen Voraussetzungen und Wirkungen einbeziehen zu können? Kann der o. g. Kreditdeckel gelockert werden, wenn eine Kommune im Nothaushaltsrecht nachweislich einschneidende Konsolidierungsmaßnahmen im Verwaltungshaushalt umgesetzt hat, ohne jedoch schon ein genehmigungsfähiges HSK vorlegen zu können?

Die GO NRW kennt verschiedene Instrumente der Kommunalaufsicht (allgemeine Aufsicht).

Hierzu gehören neben dem Unterrichtungsrecht (§ 121 GO NRW), insbesondere das Beanstandungs- und Aufhebungsrecht (§ 122 GO NRW), das Anordnungsrecht und die Ersatzvornahme (§ 123 GO NRW). Die für die kommunale Selbstverwaltung weitestgehenden Auswirkungen aufsichtlicher Maßnahmen und damit die „schärfsten" Instrumente der Auf sicht sind die Bestellung eines Beauftragten (§ 124 GO NRW) und die Auflösung des Rates (§ 125 GO NRW). Die in der Fragestellung geäußerte Auffassung, dass der „Kreditdeckel" das „schärfste Instrument der Kommunalaufsicht" sei, wird daher ausdrücklich nicht geteilt.

Bei der Einhaltung des sogenannten „Kreditdeckels" handelt es sich um eine rechtliche Verpflichtung der Kommunen ­ nicht um ein Instrument der Aufsicht.

Kommunen, deren HSK die gesetzlichen Voraussetzungen nicht erfüllt und daher nicht genehmigt werden kann, verbleiben in der vorläufigen Haushaltswirtschaft und dürfen nach § 82 Abs. 1 GO NRW nur solche Aufwendungen entstehen lassen und Auszahlungen leisten, zu denen sie rechtlich verpflichtet sind oder die für die Weiterführung notwendiger Aufgaben unaufschiebbar sind. Reichen ihre Finanzmittel hierfür nicht aus, dürfen Sie mit Genehmigung der Aufsichtsbehörde Kredite für Investitionen bis zu einem Viertel des Gesamtbetrages der in der Haushaltssatzung des Vorjahres festgesetzten Kredite aufnehmen. Gemäß § 82 Abs. 3 Nr. 2 GO kann dieser Kreditrahmen mit Genehmigung der Aufsichtsbehörde ­ ggf. unter Bedingungen und mit Auflagen ­ überschritten werden, wenn das Verbot der Kreditaufnahme anderenfalls zu einem nicht auflösbaren Konflikt zwischen verschiedenen gleichrangigen Rechtspflichten der Gemeinde führen würde. In § 83 Abs. 3 Nr. 2 GO wird keine Obergrenze für eine genehmigungsfähige Kreditaufnahme bestimmt. Die Zustimmung kann aber auch in einer äußerst angespannten Finanzlage der betroffenen Kommunen nur im Rahmen einer angemessenen Begrenzung der Kreditaufnahme („Kreditdeckel") erfolgen.

Folglich kann keine Kreditaufnahme genehmigt werden, die im Ergebnis zu einer Neuverschuldung führt. Der Kreditrahmen orientiert sich mithin an dem Ziel einer Nettokreditaufnahme von „Null". Um der besonderen finanziellen Lage der Kommunen entgegen zu kommen, werden bei der Berechnung des jahresbezogenen Kreditdeckels jedoch investive Deckungsmittel (z.B. zweckgebundene Zuweisungen, Investitionspauschalen, Schulpauschale, Sportpauschale, Feuerschutzpauschale, Straßenbaubeiträge) berücksichtigt, soweit diese im entsprechenden Haushaltsjahr kassenwirksam vereinnahmt werden. Außerdem werden Kreditaufnahmen für notwendige Investitionen bei kostenrechnenden Einrichtungen (Gebühren/Entgelte) grundsätzlich genehmigt.

Die Handhabung des § 82 GO NRW durch die Aufsichtsbehörden eröffnet den Kommunen in der vorläufigen Haushaltswirtschaft in einem erheblichen Umfang Handlungsspielräume. Bei einer anderen, enger am Wortlaut der Vorschrift orientierten Praxis, wären deutlich weniger Investitionen möglich. Die in der Fragestellung enthaltene Behauptung, das beschriebene Verfahren zur Prüfung eines angemessenen Kreditrahmens im Zusammenhang mit der Erteilung der gesetzlich vorgesehenen Kreditgenehmigung „schnüre die Investitionsmöglichkeiten der Kommunen ein", trifft daher nicht zu und ist zurückzuweisen. Vielmehr wird den betroffenen Kommunen trotz der engen gesetzlichen Maßgaben des § 82 GO NRW ein gewisser Gestaltungsspielraum für eigenverantwortliche Investitionsentscheidungen eingeräumt, gleichzeitig aber dem Erfordernis der Konsolidierung der gemeindlichen Finanzen angemessen Rechnung getragen. Dabei ist auch zu bedenken, dass Investitionsentscheidungen in der Regel mit langfristig wirkenden Belastungen der Haushaltswirtschaft nicht nur durch die Investitionen selbst, sondern regelmäßig auch durch Folgekosten (Betriebskosten in Form von Personal- und Sachaufwand) verbunden sind, die nicht selten das Investitionsvolumen überschreiten. Solche Belastungen können daher in der vorläufigen Haushaltswirtschaft nur in engen Grenzen zulässig sein.

Der Bedeutung von Erhaltungs- und Instandsetzungsinvestitionen wird dabei in der kommunalaufsichtlichen Praxis gesehen und ihr wird deshalb bereits im System entsprechend Rechnung getragen. Dem Antrag auf Kreditgenehmigung fügen die Kommunen eine nach Dringlichkeit geordnete Aufstellung der vorgesehenen Investitionen bei (vgl. § 82 Abs. 2 Satz 2 GO NRW). Die Entscheidung über die Prioritätensetzung liegt dabei in der Selbstverantwortung der Kommunen. Vorrangig sind in den Dringlichkeitslisten allerdings solche Investiti

onsmaßnahmen zu platzieren, deren Auszahlung im Rahmen der Erfüllung gesetzlicher Pflichtaufgaben notwendig sind (hierzu zählen z. B. auch Maßnahmen im Rahmen der Verkehrssicherungspflichten) oder die zum Erhalt und zur Sicherung der kommunalen Vermögenssubstanz dringend erforderlich sind, wenn ein Verzicht oder ein zeitlicher Aufschub eindeutig unwirtschaftlich wäre. An dieser Vorgehensweise wird auch weiterhin in der kommunalaufsichtlichen Praxis festgehalten.

Die Kommunen, deren Finanzlage so ernst ist, dass die grundlegenden Rahmenbedingungen für eine Genehmigungsfähigkeit des HSK nicht eingehalten werden können, sind verpflichtet, in ihrer Haushalts- und Wirtschaftsführung alles daran zu setzen, um zu einer Konsolidierung ihrer Finanzsituation zu gelangen. Auch mit einem genehmigten HSK ist noch nicht der gesetzlichen Verpflichtung nach § 75 Abs. 2 GO NRW genüge getan, dass der Haushalt in jedem Jahr in Planung und Rechnung ausgeglichen sein muss. Es besteht deshalb keine Veranlassung, solchen Kommunen, die zwar Konsolidierungserfolge vorweisen können, die aber noch nicht ausreichen, um ein genehmigungsfähiges HSK aufstellen zu können, zusätzliche Spielräume für erweiterte Kreditaufnahmen zu gewähren, da hierdurch das Ziel einer Wiederkehr zu einer geordneten Haushaltswirtschaft gefährdet würde.

29. Wie bewertet die Landesregierung, dass die Anteilsfinanzierungen für EU-, Bundes- und Landesprogramme in Kommunen auf Grund der restriktiven Auflagen der Bezirksregierungen nicht geleistet werden können?

Die der Fragestellung zugrunde liegende generalisierende Aussage, wonach Kommunen die Finanzierung ihrer eigenen Anteile bei Investitionsmaßnahmen im Rahmen von EU-, Bundes- oder Landesprogrammen auf Grund von restriktiven Auflagen der Bezirksregierungen nicht leisten können, trifft nicht zu.

Zutreffend ist, dass die Landesregierung es grundsätzlich für richtig hält, dass Kommunen bei der Durchführung derartiger Maßnahmen einen Eigenanteil aufbringen, weil eine Vollfinanzierung von Maßnahmen ­ unabhängig von der Haushaltslage einer Kommune ­ falsche Anreizwirkungen entfalten kann.

Die Landesregierung geht davon aus, dass mit der Fragestellung nicht die Gruppe der Kommunen mit einem ausgeglichenen Haushalt gemeint ist. Sie geht darüber hinaus davon aus, dass die Gruppe der Kommunen, die ihre Haushaltswirtschaft mit einem genehmigten HSK führen, in der Regel die erforderlichen Eigenanteile leisten kann. Die Aufsichtsbehörden hätten allerdings Anlass, tätig zu werden, wenn die zur Finanzierung von Eigenanteilen vorgesehene Kreditaufnahme die Laufzeit des HSK verlängern und seine Genehmigungsfähigkeit gefährden würde.

Für Kommunen, die sich auf Grund eines nicht genehmigungsfähigen HSK in der dauerhaften vorläufigen Haushaltswirtschaft befinden, ist die Kreditaufnahme für Investitionen, um die es sich bei den Eigenanteilen fast immer handelt, nur im eingeschränkten Rahmen des § 82 GO NRW zulässig und von den Aufsichtsbehörden zu prüfen. Insoweit ergeben sich Beschränkungen der Kreditaufnahme aus der Rechtslage und nicht auf Grund „restriktiver Auflagen" der Aufsichtsbehörden. Vielmehr ist im Gegenteil festzustellen, dass die Aufsichtsbehörden diesen Kommunen mit dem in der Antwort zu Frage 28 erläuterten „Kreditdeckelverfahren" einen der Situation angemessenen Gestaltungsspielraum eingeräumt haben, in dem sie in eigener Verantwortung Prioritäten hinsichtlich ihrer Investitionsentscheidungen setzen können. Somit bestehen auch für sie Möglichkeiten, um die von ihnen als prioritär eingestuften Eigenanteile für förderungsbegünstigte Investitionen durch die Aufnahme von Krediten zu finanzieren.