Immissionsschutzgesetz

Die Kommunalisierung wird dadurch erreicht, dass im Umweltrecht erstmalig eine grundsätzliche Zuständigkeit der Kreise und kreisfreien Städte festgeschrieben wird. Damit sind für alle Verwaltungsaufgaben, die Gegenstand dieser Verordnung sind und für die diese Verordnung keine ausdrückliche Regelung trifft, in Zukunft die Kreise und kreisfreien Städte zuständig.

Diese prinzipielle Zuständigkeitszuweisung ändert nichts daran, dass den Kommunen neue Aufgaben des Umweltrechts entsprechend dem Konnexitätsprinzip nur gegen Gewährung eines entsprechenden Belastungsausgleichs übertragen werden können.

Eine Zuständigkeit staatlicher Behörden bleibt jedoch erforderlich, soweit besonders umweltrelevante oder kreisübergreifende Tatbestände betroffen sind. So sollen etwa die Zulassung und Überwachung von Siedlungs- und Sonderabfalldeponien, Abfallverbrennungsanlagen, Chemieparks und besonders bedeutsame wasserwirtschaftliche Vorhaben ebenso wie die Erstellung von Luftreinhalteplänen und anderer wichtiger Fachplanungen in der staatlichen Zuständigkeit verbleiben. Dies betrifft im Bereich der Industrieanlagen ca. 30 % der konkret in Nordrhein-Westfalen vorhandenen Anlagen; die Zuständigkeit für die Zulassung und Überwachung von 70% der Industrieanlagen wird auf die Kommunen verlagert.

Eine wesentliche Vereinfachung sowohl für die Bürgerinnen und Bürger wie auch für die Umweltbehörden wird dadurch erzielt, dass mit der Neuregelung das sogenannte „Zaunprinzip" eingeführt wird, wonach innerhalb eines virtuellen und durch die Verordnung definierten Zauns für eine Anlage in Bezug auf alle Umweltbelange nur noch eine Umweltbehörde zuständig ist. Durch diese Regelung ist für den Anlagenbetreiber der behördliche Ansprechpartner leicht zu bestimmen: im Regelfall ist dies der Kreis oder die kreisfreie Stadt, bei Anlagen mit einer besonderen Umweltrelevanz die Bezirksregierung. Die Zuständigkeit der Behörde gilt für die Zulassung ebenso wie für die Überwachung und sie gilt für alle Bereiche des Umweltrechts. Hierdurch wird die innerbehördliche Kommunikation erleichtert und mögliche widersprüchliche Anforderungen verschiedener Behörden werden verhindert.

Durch die Regelungstechnik einer Grundzuständigkeit der Kreise und kreisfreien Städte sowie des Zaunprinzips können etwa im Immissionsschutzrecht zwei Drittel der bisherigen Zuständigkeitsbestimmungen entfallen.

Zu den Regelungen im Einzelnen:

Zu § 1: Absatz 1: Die Regelung bestimmt, welche Rechtsbereiche des Umweltrechts von der Zuständigkeitsverordnung betroffen sind. Dabei werden untergesetzliche Rechtsverordnungen in der Regel nicht einzeln benannt, sondern pauschal erfasst; damit gelten die Regelungen der Zuständigkeitsverordnung insbesondere zur Grundzuständigkeit der Kreise und kreisfreien Städte sowie zum Zaunprinzip auch für künftig folgende Rechtsverordnungen zu den benannten Gesetzen. Nicht anwendbar ist die Rechtsverordnung, soweit in spezielleren Rechtsvorschriften Zuständigkeiten geregelt werden, wie z. B. § 37d BImSchG oder soweit Rechtsvorschriften nur Verpflichtungen von nach anderen Rechtsvorschriften zuständigen Behörden statuieren (z.B. § 45 BImSchG oder § 16 der 22. BImSchV).

Die Einbeziehung des § 93b der Grundbuchverfügung ist geboten, da im Übrigen das gesetzliche Regelwerk keine Anwendung findet. Dadurch wird es der zuständigen Behörde ermöglicht, den Ausgleichsbetrag grundbuchlich zu sichern.

Absatz 2: Die Regelung benennt die im Regelfall zuständigen Umweltschutzbehörden. Im Einzelfall können jedoch auch weitere Behörden zuständig sein, wie etwa nach § 2 Abs. 1 das für Energie zuständige Ministerium als oberste Immissionsschutzbehörde bei Anlagen, die der Bergaufsicht unterliegen.

Absatz 3: Mit dieser Regelung wird die Grundzuständigkeit der Kreise und kreisfreien Städte in allen von Absatz 1 erfassten Rechtsmaterien geregelt. Dies bedeutet insbesondere im Bereich des bislang staatlichen Behörden zugewiesenen Immissionsschutzrechtes eine grundsätzliche Verlagerung von Aufgaben auf die kommunalen Behörden.

Die Regelungstechnik der Bestimmung einer Grundzuständigkeit greift insbesondere auch dann, wenn durch Änderungen in den bestehenden Umweltgesetzen oder den Neuerlass von diesbezüglichen Rechtsverordnungen neue Verwaltungsaufgaben geschaffen werden.

Hier gilt bislang der Grundsatz des § 8 Abs. 3 Landesorganisationsgesetz, wonach mangels spezieller Zuständigkeitszuweisung die Bezirksregierungen zuständig sind. In Zukunft werden solche neuen Aufgaben automatisch in die Zuständigkeit der Kreise und kreisfreien Städte fallen, soweit nicht eine anderweitige Zuständigkeitsregelung geschaffen wird. Es entspricht der Zielsetzung des Konnexitätsausführungsgesetzes (§ 1 Abs. 1 und 4), dass bei der Übertragung neuer oder der Veränderung bestehender Aufgaben, die zu einer wesentlichen Belastung führen, das Konnexitätsprinzip anzuwenden ist.

Wegen der Beschränkung auf die durch Absatz 1 erfassten Rechtsmaterien werden von der Grundzuständigkeit insbesondere das Baurecht, aber auch Spezialmaterien wie das Atomrecht nicht erfasst. Hierfür bleiben die bislang zuständigen Behörden zuständig.

Absatz 4: Mit dieser Regelung wird klargestellt, dass den Gemeinden bzw. den Kreisen nach wasserrechtlichen und abfallrechtlichen Bestimmungen zugewiesene pflichtige Selbstverwaltungsangelegenheiten nicht Gegenstand dieser Verordnung sind.

Absatz 5: Mit der Regelung in Satz 2 werden die Übersicht und die Erläuterungen Bestandteil der Verordnung.

Zu § 2: Absatz 1: Diese Regelung enthält Ausnahmen von der Grundzuständigkeit des § 1 Abs. 3.

Für Anlagen mit einer besonderen Umweltrelevanz soll die jeweils örtlich zuständige Bezirksregierung in allen umweltrechtlichen Belangen zuständig sein. Welche Anlagen dies sind, ergibt sich aus dem Anhang I zu der Verordnung. Damit wird das in der Einleitung benannte Zaunprinzip, das sich für der kommunalen Zuständigkeit unterliegenden Anlagen aus der Grundzuständigkeit des § 1 Abs. 1 und 3 ergibt, auch für der staatlichen Zuständigkeit unterliegende Anlagen umgesetzt. Im Einzelfall kann diese Regelung auch zu einer Verlagerung bislang kommunaler Aufgaben im Wasser-, Bodenschutz- und Abfallrecht auf die Bezirksregierung als Zaunbehörde führen.

Für den Bereich der Bergaufsicht wird die Bezirksregierung Arnsberg als zuständige Behörde und in Fragen des Immissionsschutzrechts das für Energie zuständige Ministerium festgelegt. Dies entspricht der bisherigen Regelung im Bereich der immissionsschutzrechtlichen Zuständigkeiten.

Soweit in Bezug auf die der staatlichen Zuständigkeit unterliegende Anlagen etwa Überwachungs- und Berichtspflichten zu erfüllen sind, obliegen auch diese der staatlichen Behörde.

Absätze 2 und 3: Durch diese Regelungen wird sichergestellt, dass benachbarte Anlagen eines Betreibers ebenso wie benachbarte und betriebstechnisch verbundene Anlagen unterschiedlicher Betreiber in die Zuständigkeit nur einer Behörde fallen. Die Regelung ist sinnvoll, weil sie für den Betreiber die Bestimmung der zuständigen Behörde erleichtert und widersprüchliche Anforderungen verhindert.

Es wird im Einzelfall nicht immer zweifelsfrei bestimmbar sein, welche Anlagen den geforderten engen betriebstechnischen und organisatorischen Zusammenhang aufweisen. Auf Verordnungsebene können jedoch keine abstrakten Kriterien benannt werden, die eine konkretere Zuweisung ermöglichen, da die Fallgestaltungen in der Praxis zu unterschiedlich sind.

Eine Orientierungshilfe kann insoweit die Rechtsprechung und Literatur zu der ähnlichen Formulierung des § 1 Abs. 2 Nr. 2 der 4. BImSchV liefern.

Die Erweiterung des Zaunprinzips in den Absätzen 2 und 3 gilt nur für Anlagen, die gewerblichen Zwecken dienen. Dieser Begriff orientiert sich an den Regelungen in § 1 der 4. BImSchV. Damit wird sichergestellt, dass nicht gewerbliche Bereiche auch dann nicht insgesamt in die staatliche Zuständigkeit fallen, wenn auf ihrem Gelände einzelne Anlagen nach Absatz 1 betrieben werden.

Absatz 4: Diese Regelung sieht für die Fälle einer Betriebsstilllegung einen Übergang der Zuständigkeit auf den Kreis und die kreisfreie Stadt erst dann vor, wenn keine schädlichen Umwelteinwirkungen mehr hervorgerufen werden können. Damit bleibt die Bezirksregierung für die verwaltungsrechtliche Durchsetzung einer Sanierung zunächst zuständig, insbesondere fallen bei Insolvenz eines Betreibers etwaige Kosten einer Ersatzvornahme dem Land zur Last.

Absatz 5: Neben dem Fall der Betriebseinstellung sind auch weitere Fallgestaltungen denkbar, die zu einem Fortfall der staatlichen Zuständigkeit führen können. So kann etwa durch eine Umstellung des Betriebes eine Anlage aus der staatlichen Zuständigkeit herausfallen, weil es sich in der Technologie nicht mehr um eine in Anhang I beschriebene Anlage handelt oder weil der von § 1 Abs. 3 geforderte betriebstechnische Verbund mit einer der staatlichen Zuständigkeit unterliegenden Anlage aufgegeben wird.

Zu § 3:

Die Regelung ist aus Gründen der Trennung von Aufsicht und Vollzug geboten.

Zu § 4:

Für bestimmte Verwaltungsaufgaben ist es notwendig, eine von den Grundsätzen der §§ 1 und 2 abweichende Zuständigkeit vorzusehen. Diese Aufgaben werden in Anhang II mit der jeweils zuständigen Behörde benannt.

Zu § 5:

Diese Regelung soll eine Übertragung von Zuständigkeiten dann ermöglichen, wenn eine überörtliche Aufgabenwahrnehmung zweckmäßig ist. Entsprechende gesetzliche Ermächtigungen wie im Landeswassergesetz, Landesabfallgesetz und Landesbodenschutzgesetz bleiben unberührt.

Zu § 6:

Die Regelungen entsprechen den bestehenden Vorschriften für den Fall von Rechtsänderungen und sollen eine sachgerechte Fortsetzung von Verwaltungsverfahren gewährleisten.

Zu § 7:

Durch die pauschale Zuweisung der Zuständigkeit bei Ordnungswidrigkeitsverfahren werden die zurzeit üblichen Einzelregelungen entbehrlich. In der Sache wird bestimmt, dass die Zuständigkeit im Ordnungswidrigkeitsverfahren identisch ist mit der Zuständigkeit im Verwaltungsverfahren.

Zu § 8:

Die Regelung beinhaltet das Inkrafttreten der neuen Verordnung und das Außerkrafttreten der bestehenden ZustVOtU sowie eine Berichtspflicht gegenüber der Landesregierung.

Zu Anhang I Spiegelstriche 1 und 2:

Mit der Änderung der Zuständigkeit für die Genehmigung und Überwachung der nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz genehmigungsbedürftigen Anlagen wird die Grenzlinie zwischen staatlicher und kommunaler Zuständigkeit neu gezogen.