Kündigung von Zeitschriften-Abonnements

Frage 2. Von Beginn der 90er-Jahre an wurden an den wissenschaftlichen Bibliotheken des Landes in erheblichem Umfang Zeitschriften-Abonnements gekündigt, da die zur Verfügung gestellten Erwerbsmittel nicht ausreichten. Dies führte zu einer gravierenden Einschränkung von Forschung und Lehre.

a) Konnte dieser Entwicklung in den Folgejahren wirksam entgegengetreten werden?

Die Kündigung von Zeitschriften-Abonnements schreitet an allen wissenschaftlichen Bibliotheken der Welt voran. Sie hat auch in der zweiten Hälfte der Neunzigerjahre und zu Beginn des neuen Jahrzehnts an den hessischen wissenschaftlichen Bibliotheken angedauert. Eine Übersicht hierzu bietet Tabelle 3 (Anlage).

Die Angaben für die Universitäten Gießen und Marburg verdeutlichen, dass insbesondere in den Zentralbibliotheken in hohem Maß Abbestellungen vorgenommen wurden. Dies geschah vor allem deshalb, weil in den Fachbereichen wichtige Zeitschriften noch ein zweites Mal bezogen wurden. Fächerspezifisch liegt der Schwerpunkt der Abbestellungen grundsätzlich in den Naturwissenschaften, da hier die Preise am höchsten sind (im Extremfall kostet ein Jahresabonnement über 20.000 $). Die Abbestellungsquote betrug in Darmstadt 33 v.H., in Gießen 36,6 v.H. und in der Senckenbergischen Bibliothek 26 v.H. Bei der letztgenannten Bibliothek ist zu beachten, dass diese als Sondersammelgebietsbibliothek der DFG in einigen Bereichen noch flächendeckend kauft. In Kassel entfielen 55 v.H. der Gesamteinsparungen (898.000 DM) der beiden Abbestellaktionen in den Jahren 1996 und 1998

(1.389 Titel) auf die Naturwissenschaften. In Darmstadt wurden 11 v.H. und in Gießen 21 v.H. aller sozialwissenschaftlichen Abonnements gekündigt.

Allerdings musste die UB Marburg 46 v.H. aller geisteswissenschaftlichen Zeitschriften kündigen.

Wie bereits in der Antwort auf Frage 1 ausgeführt, liegt die Preissteigerungsrate für Zeitschriften noch einmal erheblich über den Steigerungsraten für wissenschaftliche Literatur im Allgemeinen. Im Auftrag des Bibliotheksausschusses der Deutschen Forschungsgemeinschaft werden hierzu regelmäßig Untersuchungen vorgelegt. Exemplarisch sei hier auf die seit vielen Jahren von der Arbeitsgemeinschaft für Juristisches Bibliotheks- und Dokumentationswesen vorgelegte Preisstatistik juristischer Zeitschriften verwiesen. Danach beträgt die Preissteigerung für diese überwiegend deutschsprachigen Titel zwischen 1978 und 2000 146,35 v.H. In Bezug auf das Basisjahr 1975

(Index = 100) wurde im Jahr 2000 der Indexwert 269,60 erreicht. Die Preissteigerungen für Zeitschriften aus Naturwissenschaften, Technik und Medizin (STM) liegen noch wesentlich höher, u.a. aufgrund von Währungseffekten.

Dies war insbesondere in den Neunzigerjahren der Fall: Für eine Auswahl von STM-Kernzeitschriften betrugen die Preissteigerungen in der Periode 1992/98 über 100 v.H., bei mehr als der Hälfte der Titel über 150 v.H. Für die STMZeitschriften flachten die Preissteigerungsraten danach ab (1998 bis 2001: Biologie +32 v.H., Physik +34 v.H.), während sie in den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften zulegten (1998 bis 2001: Wirtschaft +50 v.H., Soziologie +48 v.H.). Insgesamt konnten in Hessen im Rahmen von Konsortialverträgen seit Ende der 90er-Jahre geringere Preissteigerungen vereinbart werden, nicht zuletzt aufgrund forcierter Öffentlichkeitsarbeit der Bibliotheken und ihrer Verbände (mit Elsevier/Leiden (NL), dem größten STM-Verlag, beispielsweise seit 3 Jahren jeweils 6,5 v.H. p.a.).

b) Was hat die Landesregierung bisher unternommen, um diese Unterversorgung aufzufangen?

Die Landesregierung hat die Budgets der Hochschulen insgesamt erhöht.

Ihnen obliegt es selbst, die Versorgung mit wissenschaftlichem Schrifttum zu verbessern. Der Entwicklung kann nicht allein dadurch entgegengetreten werden, dass die Beschaffungsmittel den Preissteigerungsraten folgen; würden sie dies tun, so ließe sich leicht errechnen, ab welchem Zeitpunkt die Hochschuletats weitgehend für den Bezug von Zeitschriften verausgabt werden müssten. Es sind also grundlegendere Ansätze zu verfolgen (siehe auch Antwort auf Frage 1 b)). Zunächst muss der Bedarf strikt überprüft werden.

Innerhalb der Hochschulbibliothekssysteme sind unterdessen MehrfachAbonnements von Zeitschriften eine Seltenheit. In Fachhochschulbibliotheken sind sie überhaupt nicht anzutreffen, aber hier spielen wissenschaftliche Zeitschriften ohnehin eine untergeordnete Rolle. In den universitären Bibliothekssystemen war die Herbeiführung derartiger Entscheidungen oft mit großem Aufwand verbunden. Die Gesetzesnorm der funktionalen Einschichtigkeit im Hessischen Hochschulgesetz stellt den richtigen Rahmen dar, um dieses Managementproblem zu lösen. Bislang ist jedoch nur an der Universität Gießen der Universitätsbibliothek die Bewirtschaftung der Mittel für die in Konsortialverträge eingeschlossenen Zeitschriften übertragen worden. Dies ist eine wesentliche Voraussetzung dafür, um Konsortialverträge (siehe Antwort auf

Frage 3) abschließen zu können, da hierbei die Verlage die Einhaltung eines Umsatzminimums fordern. Üblicherweise wird dann durch die Zahlung einer Lizenzgebühr der Zugriff auf ein größeres Paket von Online-Zeitschriften ermöglicht.

Insgesamt sind derzeit im HeBIS-Konsortium über 2.600 elektronische Zeitschriften verfügbar, wobei jedoch - entsprechend der örtlichen Bedarfslage die einzelnen Bibliotheken die ihnen adäquaten Pakete zusammenstellen. Aus den Mitteln des Bibliothekssonderprogramms trägt das Land anteilige Kosten an den Lizenzgebühren bis zu 50 v.H. Hierdurch ist eine bedarfsgerechte Beteiligung und deren regelmäßige Überprüfung gewährleistet.

Durch die Zugriffsmöglichkeit auf elektronische Zeitschriften ist derzeit die Literaturversorgung mit Periodika in den Biowissenschaften, den Naturwissenschaften und den Ingenieurwissenschaften auf einem hohen Niveau gewährleistet. Durch die neue mediale Form sind die Zugriffs- und Recherchemöglichkeiten in großem Maße verbessert worden. Die Geistes- und Sozialwissenschaften konnten von dieser Entwicklung noch nicht gleichermaßen profitieren, da hier das Angebot noch relativ schmal ist.

Frage 3. Die Hochschulrektorenkonferenz beklagte im Jahr 2001 die fortbestehende Unterfinanzierung der wissenschaftlichen Bibliotheken in Deutschland und forderte Bund und Länder auf, für eine angemessene Finanzierung der Bibliotheken zu sorgen, die die weit überdurchschnittlichen jährlichen Preissteigerungen wissenschaftlicher Literatur berücksichtigt. Sie empfahl in diesem Zusammenhang die Bildung von Einkaufkonsortien, um gegenüber den "Anbietern eine leistungsstarke Verhandlungsstruktur" aufbauen zu können.

a) Seit wann fördert das Hessische Ministerium für Wissenschaft und Kunst in diesem Sinne die Durchführung so genannter "landesweiter Maßnahmen" zum konsortialen Erwerb elektronischer Medien für die Hochschulen des Landes?

Erste Mittel für den konsortialen Erwerb elektronischer Medien wurden in Hessen im Rahmen des Hochschulbibliothekssonderprogramms von Bund und Ländern 1998 zur Verfügung gestellt. Hessen gehörte damit zu den Pionieren in Deutschland. Seit 1999 hat Hessen ein eigenes Bibliothekssonderprogramm. Organisatorisch wurde im Jahr 2000 eine Geschäftsstelle, die beim HeBIS-Verbund angesiedelt ist, eingerichtet zur Durchführung der Vertragsverhandlungen und der Koordination mit anderen, insbesondere deutschen Konsortien.

b) Welche Erfahrungen wurden bisher damit gemacht und ist ein Vorteil für die Hochschulen erkennbar?

Die seit 1998 gemachten Erfahrungen sind ganz überwiegend positiv zu bewerten. Konsortialverträge bestehen im Wesentlichen hinsichtlich der Nutzung elektronischer Zeitschriften und von Fachdatenbanken, z. B. Juris zur deutschen Rechtsprechung; zur Sicherung langfristiger Verfügbarkeit wurden teilweise auch die Altdaten erworben. Für den Endnutzer wurden vor allem die Verfügbarkeit und der Komfort bei der Nutzung wissenschaftlicher Informationen entscheidend verbessert. Durch die digitale Angebotsform und entsprechende spezialisierte Suchmaschinen gibt es deutlich leistungsfähigere Recherchemöglichkeiten.

Im Bereich der Fachdatenbanken stehen neben der juristischen Datenbank Juris vor allem technische und wirtschaftswissenschaftliche Produkte zur Verfügung. Elektronische Zeitschriften sind derzeit schwerpunktmäßig noch im so genannten STM-Bereich (Science, Technologie, Medicine) vertreten.

Wirtschafts- und sozialwissenschaftliche Angebote ziehen nach, in den Geisteswissenschaften verläuft die Entwicklung noch zögerlich. Da der Markt für STM-Zeitschriften Oligopol-Charakter aufweist, ist das Gewicht, das das Konsortium eines einzelnen Bundeslandes in die Waagschale werfen kann, begrenzt. Zwar konnte das HeBIS-Konsortium mehrfach von einem VorreiterBonus profitieren, doch erweist es sich zunehmend als sinnvoll, auch Landesgrenzen überschreitende Konsortialverträge abzuschließen. Dies ist bereits gemeinsam mit dem Friedrich-Althoff-Konsortium (Berlin-Brandenburg), Nordrhein-Westfalen und auch Bayern geschehen.

Vorteile für die Hochschulen entstehen durch Rabatte, die natürlich mit der Zahl der Teilnehmer in einem Konsortium steigen. Darüber hinaus sind bei elektronischen Zeitschriften der so genannte Cross Access und der Additional Access von Bedeutung, d.h., es besteht die Möglichkeit des Zugriffs auf Zeit6 schriften, die an der eigenen Hochschule nicht mehr, aber von anderen Teilnehmern des Konsortiums gehalten werden, bzw. die Zugriffsmöglichkeit auf weitere Zeitschriften, deren Nutzung im Paket mit erworben wurde. Der Neuzuschnitt von Zeitschriftenpaketen erfolgt dabei zunehmend auf der Basis differenzierter Nutzungsstatistiken, die die Konsortial-Geschäftsstelle zur Verfügung stellt. Es zeigt sich dabei, dass angesichts geringer Nutzung oftmals eine Zugriffsmöglichkeit in Form von "Pay-per-View" günstiger wäre.

Bislang sind die Verlage jedoch in dieser Hinsicht sehr zurückhaltend. Auch im Bereich der Verlage sind die Unsicherheiten hinsichtlich der Gestaltung des Internet-Pricings noch sehr groß. Aus der Sicht der Bibliotheken führt der Schritt zur Online-Nutzung von Zeitschriften bislang nicht zu Kostenreduktionen. Selbst der Übergang zur reinen Online-Nutzung (ohne parallelen Bezug eines Papierexemplars), gegen den in vielen Fachbereichen noch Vorbehalte bestehen, ist im Ergebnis noch kaum preiswerter, da der Vorteil des niedrigeren Basispreises häufig durch den erhöhten Mehrwertsteuersatz kompensiert wird. In diesem Falle könnten aber die mittelbaren Kosten (Handling-Kosten) für Verwaltung und Archivierung deutlich gesenkt werden.

c) Welche Möglichkeiten sieht die Landesregierung zur Verstetigung dieser Maßnahmen und zur Entwicklung dauerhafter landesweiter Erwerbungen?

Die Landesregierung beabsichtigt, das hessische Bibliothekssonderprogramm mit dem Schwerpunkt Förderung des Erwerbs elektronischer Literatur fortzuführen. Dabei soll auf der Basis der jetzt erstmals verfügbaren belastbaren Nutzungsstatistiken noch genauer anhand des bestehenden Bedarfs Literatur erworben werden. Vollständige Transparenz hinsichtlich der Nutzung wird allerdings erst dann bestehen, wenn die Parallelität von Online-Nutzung und Nutzung der Papierausgabe überwunden ist. Voraussetzung hierfür in den Universitäten ist die baldige Herstellung der funktionalen Einschichtigkeit des Bibliothekssystems, um eine einheitliche Mittelbewirtschaftung zu gewährleisten.

Frage 4. Sieht die Landesregierung die Notwendigkeit eines Sonderprogramms der Bundesregierung "zur Sicherung und Erhöhung des Niveaus der Landes- und Hochschulbibliotheken am Wissenschafts- und Forschungsstandort Deutschland"?

Die Schaffung eines solchen Sonderprogramms wäre hilfreich, um den eingeleiteten Strukturwandel der wissenschaftlichen Bibliotheken zu befördern. Die Empfehlungen des Wissenschaftsrates zur digitalen Informationsversorgung durch Hochschulbibliotheken enthalten eine Vielzahl konkreter Vorschläge, die mit einem solchen Programm realisiert werden könnten. Insbesondere benötigen die Kompetenzzentren für Forschungs-, Entwicklungs- und Serviceleistungen für Hochschulbibliotheken eine schnelle Anschubförderung.

Wie in der Antwort auf Frage 1 ausgeführt, bedarf es darüber hinaus aber auch des Aufbaus neuer Strukturen der wissenschaftlichen Literaturversorgung. Da wissenschaftliche Zeitschriften eine zentrale Rolle für den aktuellen Forschungsstand spielen, gehört zu den Sofortmaßnahmen insbesondere der Aufbau einer Infrastruktur zur verteilten Erstellung und Archivierung von Dokumenten. Auf Servern der Hochschulen und der wissenschaftlichen Fachgesellschaften könnten auf diese Weise Publikationen auf der Grundlage der Zweitverwertungsrechte der Autoren zur Verfügung gestellt werden.

Frage 5. Wie beurteilt die Landesregierung die Ergebnisse der 1994 von der damaligen Wissenschaftsministerin einberufenen Arbeitsgruppe aus Vertretern der Hochschulen, der Bibliotheken und des Ministeriums ("AG Finanzierung wissenschaftlicher Bibliotheken")?

Die Empfehlungen der AG Finanzierung wissenschaftlicher Bibliotheken haben wichtige Anstöße für die Weiterentwicklung der hessischen Bibliothekslandschaft gegeben, insbesondere zum Aufbau eines hessischen Informationssystems, zur funktionalen Einschichtigkeit, zur Errichtung einer Speicherbibliothek, zur Mittelausstattung der Bibliotheken und zum Bestandserhalt.