Häusliche Gewalt: Warum werden mehr Frauen getötet?

Wie der Statistik zu häuslicher Gewalt des Innenministeriums zu entnehmen ist, sind sowohl die Fallzahlen häuslicher Gewalt gestiegen als auch die Zahl der Tötungsdelikte bei häuslicher Gewalt. Letztere haben sich vom Jahr 2005 auf 2006 in NRW mehr als verdoppelt. So lag die Anzahl der vollendeten Tötungsdelikte 2005 bei 32 Opfern, im Jahr 2006 bei 65 Opfern.

Die ständige Konferenz der InnenministerInnen und -senatorInnen hat bereits im Juni 2005

Empfehlungen an die Länder ausgesprochen in: "Verhinderungen von Gewalteskalation in Paarbeziehungen bis hin zu Tötungsdelikten". Fragen:

1. Bei wie vielen Tötungsdelikten im Rahmen häuslicher Gewalt fanden im Vorfeld Maßnahmen /Wegweisungen nach dem Gewaltschutzgesetz statt?

2. Welche Maßnahmen wurden ergriffen, um die Opfer bereits vollzogener Gewalttaten nach der Tat zu schützen?

3. Besteht aus Sicht des Innenministeriums ein kausaler Zusammenhang zwischen dem Anstieg der Delikte im Bereich häuslicher Gewalt und dem Bestehen des Gewaltschutzgesetzes?

4. Wann wurden die bisher ergriffenen Maßnahmen seitens der Landesregierung zuletzt einer kritischen Prüfung unterzogen?

5. Welche Änderungen sind vor dem Hintergrund steigender Fallzahlen aus Sicht der Landesregierung notwendig?

Antwort des Innenministers vom 5. Oktober 2007 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Justizministerin:

Vorbemerkung:

Die Zahl der Opfer häuslicher Gewalt und damit auch die Differenzierung nach Geschlechtszugehörigkeit sind der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) nicht zu entnehmen. Das wird erst mit der bundesweiten Einführung eines sechsziffrigen Deliktsschlüssels in der PKS ab 1. Januar 2008 möglich sein.

Die seit 2003 veröffentlichten Jahresübersichten des Innenministeriums zur Anzahl der Fälle/Strafanzeigen häuslicher Gewalt, zur Deliktsstruktur, zur Anzahl der Wohnungsverweisungen und Rückkehrverbote sowie zu den Vermittlungen der Opfer an Beratungsstellen sind daher Daten eines besonders eingerichteten Berichtswesens. Die Erfassung von Daten der häuslichen Gewalt wurde Anfang 2002 für die Zwecke der Evaluierung des § 34 a PolG NRW (Wohnungsverweisung und Rückkehrverbot) eingeführt. Eine Unterscheidung nach Versuch und Vollendung ist dabei nicht vorgesehen. Die Darstellung, dass sich die Anzahl der vollendeten Tötungsdelikte im Zusammenhang mit häuslicher Gewalt vom Jahr 2005 auf 2006 in NRW mehr als verdoppelt hat, ist daher ebenso wenig belegbar wie die Annahme, dass als Opfer ausschließlich Frauen betroffen sind.

Zur Frage 1:

Im Rahmen des Berichtswesens zur häuslichen Gewalt besteht keine Verpflichtung, aus Anlass eines Tötungsdelikts die gegebenenfalls vorausgegangenen Maßnahmen / Wegweisungen nach dem Gewaltschutzgesetz oder dem Polizeigesetz zu erfassen, so dass dem Innenministerium hierzu keine Zahlen vorliegen.

Zur Frage 2:

Das Innenministerium hat das Handlungskonzept der Konferenz der Innenminister- und senatoren der Länder „Verhinderung von Gewalteskalationen in Paarbeziehungen bis hin zu Tötungsdelikten" (Stand Juni 2005) mit Erlass vom 29. September 2005 in der Polizei des Landes Nordrhein-Westfalen umgesetzt. Die Kreispolizeibehörden wurden verpflichtet, die empfohlenen polizeilichen Interventionsmaßnahmen Gefährdungsanalyse und Gefährderansprache sowie weitere täterorientierte Maßnahmen (z. B. Prüfung der Verfügbarkeit von Waffen, Sicherstellung des Fahrzeugschlüssels, Ingewahrsamnahme des Gefährders) in ihre Behördenkonzepte zu integrieren bzw. separate Interventionskonzepte zu entwickeln. Die spezifischen Maßnahmen der Kreispolizeibehörden zum Schutz der Opfer vor weiterer Gewalt erfolgen jeweils nach sorgfältiger Gefährdungsanalyse und werden am Einzelfall orientiert ausgerichtet. Sie reichen von einzelnen Maßnahmen wie z. B. der Wohnungsverweisung bis hin zu umfassenden Schutzkonzepten.

Zur Frage 3:

Es steht nicht fest, dass die Delikte im Bereich häuslicher Gewalt seit dem Bestehen des Gewaltschutzgesetzes tatsächlich angestiegen sind.

Ein kausaler Zusammenhang zwischen dem polizeilich registrierten Anstieg der Delikte und dem Gewaltschutzgesetz ist zu vermuten, da die Berichterstattung über die Einführung des Gesetzes und die Darstellung der Möglichkeiten zum Opferschutz die Anzeigebereitschaft von Opfern häuslicher Gewalt positiv beeinflusst haben dürfte. Insgesamt kann von einer deutlichen Aufhellung des so genannten Dunkelfeldes in diesem Phänomenbereich ausgegangen werden.

Zur Frage 4:

In vier Modellbehörden (Düsseldorf, Essen, Wesel und Düren) erfolgt eine wissenschaftliche Begleitung der fortgeschriebenen Interventionskonzepte (vgl. Antwort zu 2.). Dabei soll insbesondere die Wirksamkeit der beiden Maßnahmen Gefährdungsanalyse und Gefährderansprache untersucht werden. Die Ergebnisse sind dem Innenministerium Ende 2008 vorzulegen.

Zur Frage 5:

Die Ergebnisse der wissenschaftlichen Untersuchung der fortgeschriebenen polizeilichen Interventionskonzepte bleiben abzuwarten und sind in die Beratungen über mögliche Änderungsbedarfe einzubeziehen.