Rüttgers Meisterstück innerparteilicher Auseinandersetzung?

Wie der Kölner Stadtanzeiger vom 25.09.2007 („Rüttgers Mann im Hintergrund") berichtet, ist Ministerpräsident Rüttgers offenbar ein brillanter Schachzug gegen seinen badenwürttembergischen CDU-Kollegen Günther Oettinger gelungen. Während ein Mitarbeiter der NRW-Staatskanzlei, Dr. Claudius Rosenthal, für Rüttgers Reden schreibt, ist derselbe laut Bericht gleichzeitig als Redakteur der baden-württembergischen „bw-woche" tätig, einem Medium, das konträre Meinungen zulässt und das den Politikern der badenwürttembergischen Landesebene wöchentlich zugestellt wird. Für dieses Medium verfasst Rüttgers Schreiber Dr. Claudius Rosenthal unter dem Pseudonym „Reinhard T. Kneitling" regelmäßig bissige Kommentare zu Oettingers Regierungshandeln. Diese Konstellation ist feinstes politisches Florett.

Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung:

1. Trifft es zu, dass der Redenschreiber der Staatskanzlei Dr. Claudius Rosenthal unter dem Pseudonym „Reinhard T. Kneitling" zugleich für die „bw-woche" tätig ist?

2. Seit wann hat wer in welchem Umfang die Nebentätigkeit von Herrn Dr. Rosenthal genehmigt?

3. Seit wann war der Ministerpräsident in welchem Umfang über Nebentätigkeit von Herrn Dr. Rosenthal unterrichtet?

4. Welche weiteren Nebentätigkeiten werden bei welchen Arbeitgebern durch Herrn Dr. Rosenthal ausgeübt?

5. Wie hoch sind die jeweiligen Einkünfte aus den verschiedenen Nebentätigkeiten?

Antwort des Ministerpräsidenten vom 15. Oktober 2007 für die Landesregierung:

Vorbemerkung:

Die Ausübung von Nebentätigkeiten unterliegt allgemeinen arbeitsrechtlichen und tarifrechtlichen Bestimmungen. Nach dem Bundesangestelltentarifvertrag (BAT) war das Nebentätigkeitsrecht eng an das Beamtenrecht angelehnt und entsprechend restriktiv geregelt. Der geltende Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) kehrt sich hingegen im Interesse einer Verwaltungsvereinfachung bewusst vom beamtenrechtlichen Nebentätigkeitsrecht ab. Danach haben Arbeitnehmer ihrem Arbeitgeber Nebentätigkeiten gegen Entgelt lediglich rechtzeitig vorher schriftlich anzuzeigen. Der Arbeitgeber kann die Nebentätigkeit bei einer Beeinträchtigung berechtigter dienstlicher Interessen untersagen.

Eine Schranke des auch den Tarifbeschäftigten des öffentlichen Dienstes zustehenden Rechts auf freie politische Betätigung ist der allgemeine arbeitsrechtliche Gedanke der „Treuepflicht", aus der sich die Pflicht des Arbeitnehmers ableitet, seinem Arbeitgeber nicht zu schaden. Der Arbeitnehmer ist daher bei jeder Ausübung einer Nebentätigkeit verpflichtet zu prüfen, ob er damit dienstlichen Interessen schaden könnte.

Angesicht dieser Verpflichtung hat schon die Vorgängerregierung publizistische Nebentätigkeiten für Beschäftigte der Staatskanzlei weder generell noch für bestimmte Bereiche untersagt. Die jetzige Landesregierung hatte bisher keinen Anlass, diese Praxis zu ändern. Derzeit üben hier 44 Beschäftigte Nebentätigkeiten aus, davon nehmen 15

Lehraufträge wahr, in insgesamt 4 Fällen sind publizistische Tätigkeiten angezeigt.

Nachdem eine Beeinträchtigung dienstlicher Interessen durch die publizistische Tätigkeit von Herrn Dr. Rosenthal eingetreten ist, hat er erklärt, dass er sie nicht mehr ausüben wird. Einer Untersagung durch den Arbeitgeber bedurfte es daher nicht mehr. Nach Klärung des Sachverhalts und Abwägung der beiderseitigen Interessen hat die Staatskanzlei entschieden, Herrn Dr. Rosenthal von seiner Position als Redenschreiber zu entbinden und ihn bis zur Klärung der arbeitsrechtlichen Fragen von seiner Arbeitspflicht freizustellen.

Ich selbst war über die Nebentätigkeit von Herrn Dr. Rosenthal nicht informiert und habe diese und seine Bewertungen in Bezug auf Herrn Ministerpräsidenten Oettinger nach Bekanntwerden missbilligt. Trotz dieses überraschenden und ärgerlichen Vorfalls sehe ich ­ ebenso wie Herr Ministerpräsident Oettinger ­ unsere Beziehungen nicht beeinträchtigt.

Zur Frage 1:

Nein, nicht mehr. Er war für die „bw-Woche" unter diesem Pseudonym tätig.

Zur Frage 2:

Auf die Anzeige von Herrn Dr. Rosenthal hat das Personalreferat der Staatskanzlei die Nebentätigkeit unter Hinweis auf die oben dargestellte Rechtslage zur Kenntnis genommen.

Eine Genehmigung war aufgrund der oben dargestellten Rechtslage nicht erforderlich.

Trotzdem wurde Herr Dr. Rosenthal schriftlich darauf hingewiesen, dass durch die Wahrnehmung der Nebentätigkeit dienstliche Interessen nicht beeinträchtigt werden dürfen.

Zur Frage 3:

Siehe Vorbemerkung.

Zu den Fragen 4 und 5:

Die Staatskanzlei ist nach Bekanntwerden der Vorwürfe von Herrn Dr. Rosenthal über seine Einkünfte aus der Nebentätigkeit unterrichtet worden. Im Übrigen erteilt die Landesregierung hierzu keine Auskünfte, da insoweit die Grundrechte des betroffenen Mitarbeiters vor dem Auskunftsrecht des Landtags Vorrang genießen.