Dioxin-Skandal um verseuchte Eier, Fleisch- und Milchprodukte aus Belgien

Neben dem BSE-Skandal ist auch der belgische Lebensmittelskandal um dioxinverseuchte Eier, Fleisch- und Milchprodukte auf die Verwendung von verseuchtem Tierfutter zurückzuführen.

Dem Tierfutter werden heutzutage alle möglichen Stoffe, auch Sonderabfälle, Arzneimittel und Antibiotika beigemischt. Jährlich werden 2,2 Mio. Tonnen Tierkörperreste (Haare, Klauen, Augen etc.) in der Bundesrepublik Deutschland zu Tiermehl verarbeitet. Auch verstorbene oder euthanisierte Haustiere gelangen so über das Tiermehl ins Tierfutter.

Neben einem Narkotikum bekommen Haustiere üblicherweise das Tötungsgift T 61 als Euthanasiemittel gespritzt. Die Reaktion von T 61 im Thermoverfahren ist weitgehend unerforscht. Neben T 61 sind in den Haustierkadavern - zumeist therapiebedingt - auch noch andere Medikamentenrückstände sowie Krankheitserreger enthalten. Ob diese unter Hitzeeinwirkung vernichtet werden, ist wissenschaftlich umstritten.

Auch die getöteten dioxinverseuchten Hühner in Belgien wurden zu Tiermehl verarbeitet.

Die Ursache all dieser Lebensmittelskandale liegt jedoch in einer landwirtschaftlichen Nutztierhaltung begründet, die diesen Namen schon lange nicht mehr verdient und treffender als Agro-Industrie bezeichnet werden sollte. Aus reiner Profitgier werden Nutztiere auf engstem Raum gehalten, ihres natürlichen Verhaltensrepertoires und ihrer Bewegungsfreiheit beraubt, und es wird ihnen jede Möglichkeit zu einem auch nur einigermaßen artgerechten Sozialverhalten genommen. Selbst eine artgemäße Nahrung wird ihnen vorenthalten (so wird z. B. Tiermehl an reine Pflanzenfresser wie Rinder verfüttert). Die Tiere werden nicht mehr als Lebewesen angesehen, sondern sind nur noch Produktionseinheiten.

Dieses perfide System der Intensivtierhaltung wird auch in der Zukunft für weitere Lebensmittelskandale sorgen.

Diese Vorbemerkung der Fragestellerin vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage im Einvernehmen mit der Sozialministerin wie folgt:

Frage 1. Welche Stoffe dürfen dem Tierfutter lt. Gesetz beigemischt werden?

Folgende Stoffe dürfen futtermittelrechtlich dem Tierfutter beigemischt werden:

- zulassungsbedürftige Einzelfuttermittel nach Anlage 1 der Futtermittelverordnung (FMV), nicht zulassungsbedürftige Einzelfuttermittel (z.B. Getreide und Getreideerzeugnisse) nach Anlage 1 a der FMV

- zugelassene Zusatzstoffe (z.B. Antioxidantien, Aroma und appetitanregende Stoffe, Bindemittel, Fließhilfsstoffe und Gerinnungsstoffe) nach Anlage 3 der FMV.

Frage 2. Auf welcher gesetzlichen Grundlage geschieht dies?

Gesetzliche Grundlage ist das nationale Futtermittelgesetz und die nationale Futtermittelverordnung. Diese Vorschriften basieren in Folge der EURechtsharmonisierung auf EU-Vorschriften, die Eingang in das Futtermittelrecht und die Futtermittelverordnung nebst Anlagen gefunden haben.

Frage 3. An welche Tiere werden in Hessen Tierkörpermehle verfüttert?

Die Verfütterung von Tiermehlen an Wiederkäuer ist in Deutschland seit dem 18. März 1994 untersagt. Europaweit ist die Verfütterung von aus Säugetiergewebe gewonnenen Futtermitteln an Wiederkäuer seit dem 27. Juni 1994 verboten. Die Verfütterung von Tiermehlen an Monogastrier ist nicht verboten.

Frage 4. Von welchen Tieren stammen die Tierkörpermehle?

Gemäß Tierkörperbeseitigungsgesetz (TierKBG) sind alle anfallenden Tierkörper und Tierkörperteile von verendeten, tot geborenen oder getöteten Tieren, die sich im Haus, Betrieb oder im Besitz des Menschen befinden, in Tierkörperbeseitigungsanstalten (TKBA) zu beseitigen. Aus diesen Ausgangsmaterialien wird - nach gesetzlicher Vorgabe - Tierkörpermehl hergestellt.

Frage 5. Wie oft bzw. zu welchen Anteilen wird Tiermehl von an BSE, Schweinepest oder anderen Krankheiten erkrankten Nutztieren dem Tierfutter beigemischt?

Welche Gesundheitsrisiken bestehen hier für Verbraucherinnen und Verbraucher?

Da die Bundesrepublik Deutschland bis zum heutigen Tag einen "BSEfreien" Status besitzt, sind derartige Tiere nicht angefallen. Alle anderen Tiere, auch seuchenverdächtige oder seuchenkranke, sind gemäß TierKBG in der TKBA zu entsorgen.

Bei Einhaltung der rechtlichen Vorschriften gemäß TierKBG geht vom erzeugten Tierkörpermehl kein Gesundheitsrisiko für Verbraucherinnen und Verbraucher aus.

Frage 6. Wie hoch ist der Anteil verstorbener bzw. euthanasierter Haustiere im Tiermehl?

Hierzu ist detailliertes Zahlenmaterial nicht vorhanden.

Frage 7. Wie hoch sind die Rückstände des Tötungsgiftes T 61, das als Euthanasiemittel bei Haustieren verwendet wird, in Tiermehl?

Welche Gesundheitsrisiken bestehen hier für die Verbraucherinnen und Verbraucher?

Hierüber liegen keine Erkenntnisse vor (siehe auch Antwort zu Frage 6).

Frage 8. In einigen europäischen Nachbarländern gibt es spezielle Haustierkrematorien, in denen Haustierbesitzer ihre verstorbenen bzw. euthanasierten Haustiere verbrennen lassen können. Die Asche wird in der Regel vom Besitzer mit nach Hause genommen.

Arzneimittelrückstände, T 61 und Krankheitserreger dieser Tiere gelangen so nicht mehr ins Tierfutter. Auch für die vielen Haustierbesitzer ist es eine Erleichterung, wenn sie ihr Tier nicht zum Abdecker geben müssen.

Wie beurteilt die Landesregierung den Bau eines Haustierkrematoriums in Hessen?

Zurzeit gibt es auch in Hessen von privaten Vereinigungen Bestrebungen, derartige Haustierkrematorien einzurichten. Neben den Bestimmungen des TierKBG sind hierbei vor allem die strengen emissionsschutzrechtlichen Vorgaben zu berücksichtigen. Bei Einhaltung aller rechtlichen Vorgaben ist gegen eine Einrichtung eines Haustierkrematoriums nichts einzuwenden.

Frage 9. Welche Arzneimittel bzw. Antibiotika dürfen im Tierfutter enthalten sein?

Welche Gesundheitsrisiken bestehen hier für Verbraucherinnen und Verbraucher?

Mit der Ersten Verordnung zur Änderung futtermittelrechtlicher Verordnungen vom 25. Juni 1999 (BGBl. I S. 1466) sind noch nach § 16 Anlage 3 der Futtermittelverordnung die Antibiotika Avilamycin, Salinomycin-Natrium und Monesin-Natrium als Futtermittelzusatzstoff zugelassen.

Damit sind nur noch Antibiotika-Klassen (Wirkstoffgruppen) zugelassen, die nicht in der Human- bzw. Veterinärmedizin zugelassen sind.

Somit dürfte aus heutiger wissenschaftlicher Sicht kein direktes Gesundheitsrisiko für die Verbraucherinnen und Verbraucher bestehen.

Gemäß Arzneimittelrecht werden Fütterungsarzneimittel in verfütterungsfertiger Form aus Arzneimittel-Vormischungen und Mischfuttermitteln hergestellt und sind dazu bestimmt, zur Anwendung bei Tieren in den Verkehr gebracht zu werden. Abgabe und Anwendung von Fütterungsarzneimitteln unterliegen der Verantwortung und Aufsicht des Tierarztes. Der Direktbezug durch den Landwirt ist nicht zulässig.

Frage 10. Besteht neben den allgemeinen Informationen über Eiweiß-, Vitamin- und MineralstoffGehalt eine Deklarationspflicht für Arzneimittel, Antibiotika und (Sonder-)Abfälle beim Tierfutter?

Die Futtermittelverordnung regelt neben den Kennzeichnungspflichten über Inhaltsstoffgehalte detailliert die Deklarationspflicht der bei der Futtermittelherstellung verwendeten Zusatzstoffe.

Frage 11. Wie viele Firmen gibt es in Hessen, die Futtermittel für die Tiermast herstellen?

In Hessen gibt es derzeit 21 Mischfutterhersteller.

Frage 12. Welchen Kontrollen unterliegen diese Futtermittelhersteller?

Wie oft und durch wen werden sie kontrolliert?

Vor Aufnahme der Herstellungstätigkeit werden die futtermittelrechtlich vorgeschriebenen Überprüfungen, insbesondere auf Erfüllung der Anforderungen gemäß der Merkblätter für die Anerkennung/Registrierung von Betrieben nach § 28 bzw. 30 FMV, die Ausführungen unter anderem über Anlagemischgenauigkeit, ordnungsgemäße Lagerung, Dokumentationspflicht, Qualifikation des Personals und verantwortlichen Personen enthalten, durch die amtliche Futtermittelkontrolle des Hessischen Landesamtes für Regionalentwicklung und Landwirtschaft (HLRL) vorgenommen.

Nach Aufnahme der Tätigkeit wird die Einhaltung der Vorgaben überwacht.

In Abhängigkeit von der Produktvielfalt und der Herstellungsmenge werden die Herstellungsbetriebe ca. 1 bis 4 mal jährlich aufgesucht; hierbei werden ca. 400 bis 450 Futtermittelproben durch das HLRL zur Untersuchung gezogen und bewertet.

Das Gesamtuntersuchungsvolumen umfasst jeweils jährlich 1.000 Proben mit ca. 10.000 Einzeluntersuchungen.

Frage 13. Welche Maßnahmen wird die Landesregierung ergreifen bzw. welche sind geplant, um die amtlichen Futtermittelkontrollen zu verbessern?

Die Landesregierung sieht derzeit keine Notwendigkeit, die Praxis der bestehenden Futtermittelüberwachung zu ändern.

Frage 14. Nach einem Bericht des STERN (Nr. 24/99 vom 10. Juni 1999) entdeckten die Bundesanstalt für Fleischforschung in Kulmbach und die Bundesforschungsanstalt für Milchforschung in Kiel in 13 v.H. der deutschen Fleisch- und Wurstproben Dioxine.

Wie beurteilt die Landesregierung die Sicherheit deutscher und insbesondere hessischer Fleisch-, Wurst- und Milchprodukte?

Der Landesregierung liegen derzeit keine Erkenntnisse vor, wonach die Sicherheit deutscher und insbesondere hessischer Fleisch-, Wurst- und Milchprodukte nicht gegeben wäre. Es kann jedoch trotz der bei den Erzeugern bzw. Herstellern an derartigen Produkten vorzunehmenden Eigenkontrollen als auch der in den drei hessischen Untersuchungsämtern stattfindenden stichprobenweisen Routinekontrollen niemals ausgeschlossen werden, dass nicht doch eine Untersuchung zu einer Beanstandung führt.

Frage 15. Gibt es in Hessen obligatorische Kontrollen auf Dioxine und PCB in Tierfuttermitteln?

Wenn nein, warum nicht?

Kontrollen auf Dioxine wurden in der Vergangenheit im Rahmen der amtlichen Futtermittelüberwachung anhand von Risikobewertungen durchgeführt. Des Weiteren werden 30 bis 50 Futtermittelproben pro Jahr auf den Gehalt auf PCB, der als Indikator auf Dioxine dient, durchgeführt.

Frage 16. Gibt es in Hessen obligatorische Kontrollen auf Dioxine und PCB in Fleisch, Wurst und Milchproukten?

Wenn nein, warum nicht?

Die drei Staatlichen Medizinal-, Lebensmittel- und Veterinäruntersuchungsämter Süd-, Mittel- und Nordhessen in Wiesbaden, Gießen und Kassel untersuchen im Rahmen von Stichproben und im Rahmen des bundesweiten Lebensmittelmonitorings bzw. des nationalen Rückstandskontrollplans z. B. auf chlorierte Kohlenwasserstoffe bzw. chlorierte Pflanzenschutzmittelrückstände. Im Zuge dieser Untersuchungen werden auch die PCB erfasst, sodass eine Kontrolle auf PCB gegeben ist. Diese Untersuchungen auf PCB haben jedoch keinen obligatorischen Charakter; sie finden statt im Rahmen der amtlichen Lebensmittelüberwachung bzw. nach den genannten Nationalprogrammen.

Eine obligatorische Kontrolle auf Dioxine findet nicht statt, da einerseits das Land Hessen derzeit nicht über ein entsprechendes Untersuchungslabor für diese hoch toxischen Stoffe verfügt und es andererseits aufgrund der Erkenntnisse auch aus anderen Bundesländern bzw. der BgVV keinen konkreten Anlass gab, dieser Stoffgruppe eine besondere Aufmerksamkeit zu widmen. Die Belastung des Menschen mit Dioxinen über die Umwelt und die Nahrungskette hat stetig abgenommen.

Frage 17. Eine Studie des belgischen Justizministeriums über mögliche Strategien zur Bekämpfung von Betrug und Korruption in der Fleischindustrie hat aufgezeigt, dass es einen hohen Anteil von Korruption in den Reihen der Überwachungsbeamten der Veterinärkontrollbehörde, der Polizei und des Zolls gibt.

Existieren ähnliche Studien in Deutschland?

Wenn ja, zu welchem Ergebnis sind sie gelangt?

Wenn nein, warum nicht?

Derartige Studien für Deutschland sind nicht bekannt.