Warum lässt die Landesregierung die Menschen in NRW über die Gefahren von Radon im Unklaren?

In der Kleinen Anfrage "Erhöhtes Lungenkrebsrisiko durch Radon in Innenräumen" (Drs. 14/2136) wurde bereits auf die gesundheitsschädliche Wirkung des radioaktiven Edelgases Radon hingewiesen, welches durch Undichtigkeiten im Boden und den erdberührten Wänden in Häuser eindringen und sich dort anreichern kann. Radonbelastung ist die zweithäufigste Ursache für Lungenkrebs. Die Landesregierung geht davon aus, dass ab einer Radonkonzentration von 140 Bq/m³ ein signifikant erhöhtes Lungekrebsrisiko vorliegt. Aus der Antwort der Landesregierung ergeben sich jedoch weitere Fragen.

In dem vom Bundesumweltministerium aktuell vorbereiteten Radonschutzgesetz werden Radonvorsorgegebiete definiert, in denen aufgrund einer erhöhten Radonkonzentration im Untergrund auch mit erhöhten Radonkonzentrationen in Gebäuden zu rechnen ist. Sachverständigen zufolge betrifft dies - anders als die Landesregierung es in ihrer Antwort (Drs. 14/2317) darstellt - nicht nur einen kleinen Teil des Landes, sondern etwa 70 % der Landesfläche NRWs. Als Zielwert für die Raumluftbelastung mit Radon ist sowohl vom Bundesumweltministerium als auch von der WHO ein Grenzwert von 100 Bq/m3 vorgesehen.

Immer wieder finden sich nach Auskunft von Sachverständigen Messungen in Privathäusern deutlich oberhalb von 400 Bq/m³. Einer Abschätzung zufolge, existieren in NRW etwa 255.000 Haushalte mit einer Radonkonzentration der Raumluft über dem Zielwert von 100 Bq/m3.

Die von der Landesregierung zitierten Messungen in der Antwort auf die o. g. Anfrage zur Radonbelastung der Raumluft in NRW basieren keineswegs auf einer systematischen Untersuchung. Die kleinmaßstäbliche Radon-Karte Deutschlands (Maßstab 1:1.000.000) liefert keine ausreichende Genauigkeit, um auf Landesebene mit der notwendigen Sicherheit betroffene Gebiete abzuleiten.

Das Aktionsprogramm Umwelt und Gesundheit (APUG) verlangt die Erfassung belasteter Wohnungen und öffentlicher Gebäude, insbesondere Kindergärten und Schulen. Der Vollzug dieser Aufgabe fällt in die Zuständigkeit der Länder. Da Kinder und Jugendliche ein etwa doppelt so hohes Krebsrisiko wie Erwachsene aufweisen, ist die Raumluftbelastung von Radon in Kindergärten und Schulen von besonderer Wichtigkeit. In Schulräumen werden mitunter Werte oberhalb von 1000 Bq/m3 festgestellt. So wurden zum Beispiel laut Informationsdrucksache Nr. 7/1074 der Stadt Iserlohn dort Konzentrationen von mehreren 1000 Bq/m3 gemessen.

Im Gegensatz zu anderen Bundesländern wie etwa Rheinland-Pfalz gibt es bislang keine systematische Radonerfassung in NRW. Sachverständige empfehlen eine Radon-Karte im Maßstab 1:200.000, um die notwendige Datendichte zu erreichen.

Die Informationspolitik der Landesregierung beinhaltet, dass Messergebnisse nur auf konkrete Anfrage von Bürgerinnen und Bürgern herausgegeben werden. Im Sinne einer präventiven Gesundheitspolitik ist dies jedoch nicht zielführend, da Bürgerinnen und Bürger, die solche Anfrage-Möglichkeiten nicht wahrnehmen (können), keine Kenntnis über die Radongefahren erlangen.

Anders als etwa in Rheinland-Pfalz, wo eine Radon-Informationsstelle im Landesamt für Umwelt, Wasserwirtschaft und Gewerbeaufsicht eingerichtet wurde und Messergebnisse abgerufen werden können, ist eine aktive Informationspolitik in NRW bisher nicht zu erkennen.

Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung:

1. Welche Erkenntnisse liegen der Landesregierung hinsichtlich der Radonbelastung und des Sanierungsbedarfs in öffentlichen Gebäuden in NRW, insbesondere in Kindergärten und Schulen, vor?

2. Warum plant die Landesregierung keine systematische Erfassung der Radonbelastung in öffentlichen Gebäuden, insbesondere in Kindergärten und Schulen sowie die Veröffentlichung der Ergebnisse?

3. Warum hält die Landesregierung insbesondere in den besonders belasteten Gebieten in NRW die Ausweisung von Neubaugebieten ohne eine entsprechende Radonvorsorge für vertretbar?

4. Was unternimmt die Landesregierung konkret, um Bürgerinnen und Bürger hinsichtlich der Radongefährdung und kostengünstiger Sanierungsmöglichkeiten zu informieren z. B. durch die Erstellung und Veröffentlichung einer Radonkarte im geeigneten Maßstab von 1:200.000?

5. Warum plant die Landesregierung im Gegensatz u Rheinland-Pfalz keine aktive Information der Bürgerinnen und Bürger in NRW hinsichtlich der Gefährdung durch Radon im Sinne einer präventiven Gesundheitspolitik?

Antwort des Ministers für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz vom 24. Oktober 2007 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Bauen und Verkehr und dem Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales: Vorbemerkung Aktuell gibt es in Deutschland keine rechtliche Regelung zur Bewertung und Minimierung der Radonbelastung in Innenräumen. Das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) empfiehlt jedoch aus Vorsorgegründen in Aufenthaltsräumen Radon-Aktivitätskonzentration in Höhe von 100 Bq/m3 nicht zu überschreiten.

Insgesamt ist die Radonproblematik in Nordrhein-Westfalen deutlich weniger stark ausgeprägt als in anderen Bundesländern, wie z. B. in Sachsen, Thüringen, Bayern, Baden-Württemberg oder Rheinland-Pfalz. Aber auch in Nordrhein-Westfalen finden sich aufgrund geogener Gegebenheiten kleinere Gebiete mit erhöhten Radonaktivitätskonzentrationen im Boden. Ob es in Häusern in diesen Gebieten zu einer gesundheitsrelevanten RadonAnreicherung in Aufenthaltsräumen kommen kann, hängt in erster Linie von den jeweiligen baulichen Gegebenheiten ab. Hier kann nur eine einzelfallbezogene Messung Aufschluss über die tatsächliche Innenraumbelastung geben. In Abhängigkeit von der Höhe der Radonbelastung im Innenraum können dann entsprechende bauliche Maßnahmen empfohlen werden. Das Radon-Handbuch des Bundes-Umweltministeriums gibt hier umfangreiche technische Informationen zu möglichen baulichen Maßnahmen.

Zu den Fragen 1 und 2:

Informationen zur Radonbelastung in öffentlichen Gebäuden in Nordrhein-Westfalen liegen der Landesregierung nur vereinzelt vor. Hinsichtlich des Sanierungsbedarfs in öffentlichen Gebäuden in Nordrhein-Westfalen gibt es z. Zt. keine gesetzlich verbindlichen Regelungen, die bauaufsichtliche Maßnahmen erfordern. Der Schutz vor den gesundheitsschädlichen Auswirkungen von Radon in öffentlichen Räumen liegt i.d.R. bei den Kommunen. Der Schwerpunkt der Aktivitäten der Landesregierung hinsichtlich der Radonthematik besteht in der Information von Bürgerinnen und Bürgern sowie von Kommunen.

Zur Frage 3:

Für den Neubaubereich wird auf die nach den geltenden technischen Regeln bestehende Verpflichtung zur Ausführung einer Feuchtigkeitsabdichtung von Kellern, bzw. von erdberührten Baukörpern hingewiesen, die damit eine gleichzeitige Abdichtung gegen das Eindringen von Radon bewirkt. Einfaches Grundprinzip von Sanierungsvorschlägen ist eine dichte Baukonstruktion im Erdbereich, wie sie bei Neubauten grundsätzlich vorauszusetzen ist.

Zu den Fragen 4 und 5:

Die Landesregierung gibt die Empfehlung des Bundesamtes für Strahlenschutz zur RadonKonzentration in Aufenthaltsräumen in Höhe von 100 Bq/m3 an die Kommunen und Bürger weiter.

Bürgerinformationen zur Radonproblematik finden sich auf den Internetseiten des MUNLV (www.munlv.nrw.de/umwelt/umwelt_gesundheit/umweltmedizin/radon/index.php). Außerdem steht auf dieser Seite ein Kontaktformular zur Verfügung, über das interessierte Bürgerinnen und Bürger sowie Kommunen die Ergebnisse der vom Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) Anfang dieses Jahrzehnts in Innenräumen Nordrhein-Westfalens durchgeführten Radonmessungen anfordern können. Die Ergebnisse werden dann vom MUNLV für die interessierenden Gebiete Postleitzahlen-bezogen übermittelt. Dieser Service wurde bisher sehr positiv angenommen. Bei der Übermittlung der Ergebnisse wird vom MUNLV explizit darauf hingewiesen, dass die für ein Gebiet festgestellten Radonmessergebnisse lediglich als Anhaltspunkte anzusehen sind. Die tatsächliche Innenraum-Belastung im Einzelfall kann nur durch eine individuelle Messung festgestellt werden.

Darüber hinaus werden für Bürgerinnen und Bürger in der MUNLV-Broschüre „Häuser und Wohnungen gesundheitsbewusst Modernisieren" Informationen zur Radonthematik zur Verfügung gestellt. Diese Broschüre aus dem Jahr 2005 ist wegen der großen Resonanz in der Bevölkerung mittlerweile fast vergriffen, eine Neuauflage ist vorgesehen.

Weitere Informationen des MUNLV zur Radon-Thematik sind in Vorbereitung.