Pharmarückstände in unseren Gewässern und im Trinkwasser reduzieren

I. Wasser in NRW Lebensgrundlage für Mensch und Natur Wasser ist eine elementare natürliche Ressource und eine unverzichtbare Lebensgrundlage.

Wasser ist deshalb kein handelbares Wirtschaftsgut wie jedes andere, sondern vielmehr ein Erbe, das eine nachhaltige, d. h. sparsame, pflegliche und vorsorgende Bewirtschaftung auch im Interesse nachfolgender Generationen verlangt.

Nordrhein-Westfalen verfügt über eine hochentwickelte Wasserversorgung und Abwasserentsorgung. Zahlreiche Forschungsinstitute erarbeiten die wissenschaftlichen Grundlagen und tragen dadurch zu einem hohen Qualitätsstandard bei der Trinkwasserversorgung bei.

Der PFT-Skandal hat aber gezeigt, dass das Lebensmittel Nummer 1 jederzeit neuen Gefährdungen ausgesetzt sein kann. Zudem ergibt sich durch die fortschreitende Analytik, dass weitere Stoffe, wie Pharmaka, im Wasser festgestellt werden können.

Die Besorgnis der Menschen in NRW über die Auswirkungen von Pharmarückständen im Trinkwasser auf ihre Gesundheit muss ernst genommen werden. Trinkwasser bedarf der höchsten Sorgfalt und Fürsorge. Nur so können wir die notwendige Qualität und damit einen wichtigen Teil unserer Lebensgrundlage gewährleisten. Dies ist gleichzeitig die Voraussetzung für einen nachhaltigen Umgang mit der Ressource Wasser.

II. Anstieg von Pharmarückständen im Wasserkreislauf Studien belegen, dass unsere Gewässer und unser Grundwasser - und damit auch unser Trinkwasser - vermehrt Pharmarückstände enthalten. In einem aktuellen Fachbericht des Landesamtes für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen (LANUV) wurde herausgestellt, dass bisher "25 Human- und drei Veterinärarzneistoffe im Grundwasser detektiert werden" konnten. Im Trinkwasser wurden bislang 15 Humanarzneistoffe nachgewiesen. Unklar ist bislang, welche der insgesamt ca. 2.700 in Deutschland zugelassenen Humanarzneimittel in Grund- und Trinkwasser vorhanden sind.

Bis zu 95 % der an Menschen medikamentös verabreichten Wirkstoffe werden vom Körper wieder ausgeschieden und gelangen über Abwässer in den Wasserkreislauf. Antibiotika, vom "Sachverständigenrat für Umweltfragen" (SRU) in Bezug auf ihre mögliche Wirkung im Ökosystem und die jährliche Verbrauchsmenge als wichtige Wirkstoffgruppe eingeschätzt, werden immerhin zu 75 % als wirksame Substanz ausgeschieden. Medikamentenwirkstoffe gelangen auch auf direktem Weg in unsere Gewässer. Durch Befragungen ist bekannt, dass viele Menschen Arzneimittelreste über die Toilette oder Spüle entsorgen. Zusätzlich gelangen Arzneimittelreste durch Hausmüll in Altdeponien ins Grundwasser. Eine weitere Quelle der Pharmarückstände sind außerdem Tierarzneimittel, die über Ausscheidungen in Tiermastbetrieben in den Boden und somit letztlich in den Wasserkreislauf eingebracht werden.

III. Arzneimittelreste stellen Risiko für Mensch und Umwelt dar Arzneimittelreste stellen je nach Wirkstoff ein Risiko für die Umwelt dar. In diversen Studien werden die Effekte auf Fauna und Flora analysiert. So gibt es Anhaltspunkte dafür, dass beispielsweise Östrogene im Wasser zu einer Feminisierung bzw. Unfruchtbarkeit männlicher Fische führen können. Von den laut LANUV insgesamt 25 im Grundwasser nachgewiesenen Humanarzneistoffen werden derzeit neun als umweltrelevant - in Bezug auf Eintragsmenge bzw. Konzentration, Wirkung auf Organismen und Umweltverhalten (Abbau- und Verlagerungsverhalten) - eingestuft. Zehn Arzneistoffe konnten aufgrund mangelhafter Datenlage nicht eingeschätzt werden, die restlichen wurden als nicht umweltrelevant eingestuft.

Eine ernstzunehmende Bedrohung für den Menschen stellt vor allem die Ausbildung von gegenüber Antibiotika resistenten Keimen wie beispielsweise Tuberkelbazillen dar. Der Sachverständigenrat für Umweltfragen warnt in einer Stellungnahme vom April 2007 vor der "Entstehung von multiresistenten Bakterienstämmen, [...] welche nur noch mit sehr wenigen oder im Extremfall mit keinem Antibiotikum therapierbar sind."

Der Eintrag eines sehr großen Anteils der in Deutschland zugelassenen Wirkstoffe kann zudem bislang nicht nachgewiesen werden, da die entsprechenden Analysemethoden fehlen.

Es ist somit unbekannt, in welcher Konzentration diese Wirkstoffe in unseren Gewässern enthalten sind.

IV. Vermeidung und Reduzierung von Pharmarückständen:

Um die Einbringung von Medikamenten in die Umwelt zu verhindern, existiert bereits seit Jahren ein gut funktionierendes Rücknahmesystem, an welches über 15.000 der etwa 21.000 Apotheken in der Bundesrepublik angeschlossen sind. Ziel muss es sein, dieses Rücknahmesystem flächendeckend in NRW sicherzustellen.

Das Landesumweltministerium hat den Flyer "Alte Arzneimittel richtig entsorgen" herausgegeben. Auf diesem ersten Schritt muss eine Informationskampagne aufbauen, um möglichst viele Konsumenten von Medikamenten zu erreichen.

In Schweden haben mehrere Institutionen ein System zur Einordnung des jeweiligen Umweltrisikos von Wirkstoffen für das Trinkwasser entwickelt. Auf einer Punkteskala von 0 bis 9 wird die Umweltverträglichkeit von Arzneimitteln mit Hilfe des PTB-Index eingeordnet. "P" steht dabei für Persistenz bzw. die Lebensdauer der Wirkstoffe. "T" bezeichnet die Toxizität, also die Giftigkeit für die Umwelt. "B" steht letztlich für Bioakkumulation und somit für die Intensität, mit der sich die Wirkstoffe in den Lebewesen anreichern. Auf diesem Weg wurde eine Liste erarbeitet, anhand derer beispielsweise Ärzte bei der Verschreibung von Wirkstoffen die Umweltverträglichkeit verschiedener Medikamente berücksichtigen können.

Bestehende Methoden zur Beseitigung von Pharmarückständen aus dem Abwasser sind etwa der Einsatz von Aktivkohlefiltern sowie Kombinationen aus der Verwendung von Ozon, Wasserstoffperoxid und UV-Bestrahlung. Das Kreiskrankenhaus Waldbröl konnte durch Inbetriebnahme einer Membranfilteranlage im Rahmen eines vom Land geförderten Pilotprojektes den Arzneimitteleintrag in das Abwassersystem drastisch reduzieren. Einem flächendeckenden Einsatz dieser Methoden stehen vor allem hohe Kosten gegenüber. Im Fachbericht des LANUV wird diese Problematik ebenfalls hervorgehoben. Der SRU regt als Alternative an, vor allem den Eintrag von Arzneimitteln über besonders hoch belastete Abwässer von sogenannten "Hot-Spots", z. B. Krankenhäusern durch entsprechende Filteranlagen zu reduzieren.

V. Beschluss:

Der Landtag fordert die Landesregierung auf:

1. einen Maßnahmenkatalog zu entwickeln, der folgende Schwerpunkte beinhalten muss:

- Vermeidung der Haupteinträge von Arzneimittelresten an "Hot-Spots" wie etwa Krankenhäusern durch Einsatz geeigneter Abwassertechnologie;

- Informationskampagne über die richtige Entsorgung von Arzneimitteln und Angebote für sichere Entsorgungswege;

- eine Bundesratsinitiative zu starten, die eine Umweltrisikobewertung von Arzneimitteln analog zum PTB-Index in Schweden beinhaltet.

2. eine Forschungsinitiative zu starten, die insbesondere folgende Aspekte behandelt:

- Ausbau der Grundlagenforschung über Wirkung, Einbringung und Abbaugeschwindigkeit von Pharmawirkstoffen in der Umwelt;

- Erforschung und Entwicklung von Methoden und Techniken zur Reduzierung von Pharmarückständen im Trinkwasser;

- Ausbau des Gewässermonitorings über Pharmarückstände, um ein funktionierendes Warnsystem zu gewährleisten.