Klimawandel und Hochwasserschutz I: Wie muss der Hochwasserschutz des Rheins angepasst werden?

Nach wissenschaftlichen Erkenntnissen, wie z. B. in dem Abschlussbericht der 4. Hochwasserkonferenz 2004 in Rees veröffentlicht, muss infolge der Klimaveränderung in den kommenden Jahren verstärkt mit höheren Abflussmengen und Überflutungen an Flussläufen insbesondere am Niederrhein gerechnet werden.

Das Hochwasser an der Elbe und den östlichen Nachbarstaaten in den letzten Jahren haben einen Vorgeschmack auf das gegeben, was auch am Rhein möglich werden kann. Nach den Prognosen des Berichts sind - unterhalb von Andernach - Abflussmengen von weit mehr als beim Hochwasser 1995 möglich. Der o. g. Bericht geht ebenfalls von Abflussmengen von mehr als dem derzeit festgesetzten Bemessungshochwasser (BHQ2004) in Höhe von rund 14.500 m3/s aus. Laut Hochwasser-Konzept des Landes bis 2015 liegen in potentiellen Überschwemmungsgebieten Vermögenswerte von über 130 Mrd..

Nach den Angaben im o. g. Abschlussbericht würden, selbst wenn die Deiche am Niederrhein (von Duisburg bis Lobith) einem Hochwasser standhielten, die Hochwasserschutzanlagen zwischen Köln und Duisburg schon unterhalb des Bemessungshochwassers überströmt; d. h. landseits strömte das Wasser hinter den Deichen in die tiefer liegende NiederrheinRegion.

Ferner machen die Experten in dem Bericht auf weiträumiges Absenken nicht wieder verfüllter unterirdischer Salz- und Steinkohle-Abbaugebiete aufmerksam. Dadurch sind im Gebiet zwischen Krefeld, Duisburg und Xanten Bergbaumulden entstanden. Es muss hier mit Überschwemmungstiefen von über 14 Metern gerechnet werden. Nach einem Hochwasser liefe das Wasser aber nicht zurück in das Flussbett, sondern verbliebe in den tiefer als der Rhein und das Umland liegenden Bergbaumulden. Auf Grund der Größe des Gebietes wäre nach dem Katastrophenfall eine Trockenlegung durch Abpumpen des Wassers wahrscheinlich nicht möglich.

Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung:

1. Welchen Hochwasserschutz bietet die Deichlinie (links- und rechtsrheinisch) derzeit zwischen Köln und Duisburg (bitte jeweils für alle Deichabschnitte anhand eines Höhenprofils längs der Deichkrone, ohne Freibordmaß mit Angabe der möglichen Wasserabflussmenge in m3/s und der entsprechenden Wasserspiegelhöhe in Meter ü. NN angeben)?

2. Welche Deichabschnitte entsprechen dabei nicht den Stand der Technik und ggfs. dem gültigen Deichregelprofil?

3. Nach welchem Bemessungshochwasser sind deichabschnittsweise diese Hochwasserschutzanlagen gebaut bzw. werden derzeit errichtet?

4. Welcher Sicherheits-Zustand wird für den Rheinabschnitt zwischen Köln und Duisburg nach dem aktuellen Hochwasserschutzkonzept des Landes bis 2015 und 2020 angestrebt?

Antwort des Ministers für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz vom 10. Januar 2008 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Ministerin für Wirtschaft, Mittelstand und Energie:

Vorbemerkung:

Am 29. September 2004 hat in Rees die vierte Hochwasserkonferenz der DeutschNiederländischen Arbeitsgruppe „Hochwasser" stattgefunden. Auf der Konferenz wurden u. a. die Methodik, der Inhalt und die Ergebnisse der Studie „Grenzüberschreitende Auswirkungen von extremem Hochwasser am Niederrhein" vorgestellt. Einen Abschlußbericht von dieser Konferenz gibt es entgegen der Fragestellung nicht.

Es wird davon ausgegangen, dass sich die Vorbemerkungen zu den Fragen auf die Studie "Grenzüberschreitende Auswirkungen von extremem Hochwasser am Niederrhein" beziehen. Diese wurde am 24.10.2004 an den Landtag übersandt (Landtags-Information 13/1132).

Der Landesregierung ist bewusst, dass Hochwasserschutz in dem dicht besiedelten und hochindustrialisierten Nordrhein-Westfalen unverzichtbar ist. Dies gilt insbesondere für den Rhein. Die Landesregierung hat daher im April 2006 zur weiteren Verbesserung des Hochwasserschutzes ein konkretes Hochwasserschutzkonzept für die Zeit bis 2015 aufgestellt.

Dieses Konzept sieht zahlreiche Maßnahmen für einen optimierten Hochwasserschutz vor, die im Einzelfall nachhaltige und optimale Lösungen ermöglichen.

Hochwasserschutzanlagen werden für Hochwasserabflüsse mit einer bestimmten statistischen Eintrittswahrscheinlichkeit bemessen. Im Allgemeinen wird ein 100-jährlicher Hochwasserschutz für bebaute Bereiche für ausreichend angesehen. Wegen der großen Schadenspotenziale gelten am Rhein in Nordrhein-Westfalen andere Regelungen. Im September 2003 hat das Ministerium das Bemessungshochwasser für den Rhein in Nordrhein Westfalen neu festgesetzt. Danach wird im Regierungsbezirk Köln grundsätzlich ein 200-jährliches Bemessungshochwasser angestrebt. Im Regierungsbezirk Düsseldorf steigt der Schutzgrad an und liegt ab Krefeld bei einem 500-jährlichen Hochwasser. Diese Größenordnung wird bis zur Landesgrenze beibehalten.

Mit diesem Bemessungshochwasser wird am Rhein in Nordrhein-Westfalen sowohl im nationalen als auch im internationalen Vergleich ein sehr hohes Schutzniveau erreicht, das dem Schadenspotenzial entspricht.

Zur Frage 1:

Der Hochwasserschutz am Rhein zwischen Köln und Duisburg entspricht den in den Vorbemerkungen dargestellten Vorgaben des Landes. Ausnahmen sind die noch zu sanierenden bzw. zu untersuchenden Deichabschnitte, die unter der Antwort zu Frage 2 aufgeführt sind.

Im Stadtgebiet Köln entspricht der Hochwasserschutz bis auf einige Ausnahmen einem 100jährlichen Hochwasser. Derzeit wird der Schutz so ausgebaut, dass er gegen 200-jährliche Hochwasserabflüsse (11,90 m a. P. Köln) schützt. In einigen Stadtgebieten ist die Realisierung eines 200-jährlichen Hochwasserschutzes u. a. aus städtebaulichen Gründen nicht möglich (linksrheinisch: Godorf; Rodenkirchen, Sürth, Weiß, Marienburg, Bayenthal, Innenstadt; rechtsrheinisch: Langel, Westhoven). Dort wird ein 100-jährlicher Hochwasserschutz (11,30 m KP) verwirklicht. Im Bereich Zündorf-Markt, ein kleiner sehr tief liegender Bereich, ist lediglich ein 50-jährlicher Hochwasserschutz (10,70 m a. P. Köln) mit mobilen Elementen errichtet worden.

Hieraus ist eine Überflutung der Bergbauregionen am Niederrhein nicht zu erwarten.

In den Häfen Neuss und Krefeld entspricht der Hochuferbereich der Höhe des Bemessungshochwassers. Die Höhendifferenz zu den anschließenden Deichkronen von ca. 1 Meter (Freibordmaß) kann im Bedarfsfall mit Hilfe technischer Sofortmaßnahmen (z. B. Aufschüttung einer Verwallung) ausgeglichen werden, so dass eine Überflutung von Gebieten am Niederrhein nicht zu erwarten ist.

Im Übrigen wird auf Anlage 1 - 3 der in der Vorbemerkung erwähnten Studie "Grenzüberschreitende Auswirkungen von extremem Hochwasser am Niederrhein" verwiesen.

Zur Frage 2:

Die noch zu sanierenden bzw. zu untersuchenden Deichabschnitte sind in der Anlage 1 aufgelistet.

Zur Frage 3:

Die Deiche sind nach dem jeweils zum Zeitpunkt der Planung festgesetzten Bemessungshochwasser errichtet worden.