Treibhausgasemissionen bei Dienstreisen ausgleichen ­ Vorbildfunktion der öffentlichen Hand erfüllen

Der Flugverkehr ist die am schnellsten wachsende Quelle für Treibhausgase. Weltweit nahm der Flugverkehr allein zwischen 1989 und 2002 um fast 70 Prozent zu. Innerhalb der Europäischen Union ist der Schadstoffausstoß des Luftverkehrs zwischen 1990 und dem Jahr 2006 um rund 90 Prozent gestiegen. Und auch in Zukunft sind hohe Wachstumsraten zu erwarten. So rechnet beispielsweise die Internationale Zivilluftfahrt-Organisation ICAO mit einer jährlichen Zunahme des Passagier-Flugverkehrs um 4 bis 5 Prozent.

Das Flugzeug hat von allen Verkehrsmitteln die schlechteste Klimabilanz. Pro Passagier wird beim Flugzeug nicht nur deutlich mehr Energie verbraucht wie bei Bus und Bahn, die Treibhausgase des Luftverkehrs wirken sich in den besonders empfindlichen Schichten der Erdatmosphäre auch sehr viel nachteiliger als am Boden aus. So hat der zwischenstaatliche Ausschuss für Klimafragen (IPCC), das ranghöchste Wissenschaftsgremium in Sachen Klima weltweit, festgestellt, dass der Gesamtbeitrag des Flugverkehrs zur Klimaerwärmung wegen der größeren Schädlichkeit der Schadstoffe in großen Flughöhen global gemittelt zwei- bis viermal höher ist als bei entsprechenden Emissionen am Boden.

Ein Flug von Düsseldorf nach Washington und zurück verursacht pro Person Emissionen mit der Klimawirkung von rund vier Tonnen CO2. Ein Flug von Düsseldorf nach Berlin und zurück belastet das Klima mit 300 kg CO2. Bei Delegationsreisen der Ministerien oder der Landesregierung, die in aller Regel in größeren Gruppen stattfinden, gelten die Werte entsprechend vielfach.

Etwa 3 Tonnen an CO2 pro Jahr entsprechen der Menge, die jedem Menschen auf der Erde im Durchschnitt an Emissionsrechten zustehen, wenn die bereits eingetretene Klimaerwärmung in einigermaßen verträglichen Grenzen gehalten werden soll. Insofern darf es beim Flugverkehr kein „weiter so" mehr geben. Es muss mit Hilfe eines Mixes von Maßnahmen geschafft werden, die Treibhausgasemissionen des Flugverkehrs zu reduzieren. An erster Stelle stehen dabei ökonomische Instrumente wie Kerosinbesteuerung, Abgaben auf Treibhausgasemissionen von Flugzeugen und die Einbindung des Flugverkehrs in ein Emissions handelssystem, damit die Ticketpreise auch die ökologische Wahrheit sagen. Allerdings scheiterten in der Vergangenheit alle Bemühungen einer europaweiten Kerosinsteuer am Einstimmigkeitsprinzip innerhalb der EU. Die Einbeziehung des Flugverkehrs in den europäischen Emissionshandel wird frühestens 2011 kommen. Bis zur Durchsetzung rechtlich verbindlicher Instrumente, kann ein freiwilliger Emissionsausgleich für die durch den Flugverkehr verursachten Treibhausgasemissionen einen wirksamen Klimaschutzbeitrag liefern.

Hierbei kommt der öffentlichen Hand wegen ihrer Vorbildfunktion eine besondere Rolle zu.

Die Kompensation aller dienstlichen Flugreisen hätte Signalcharakter für Privatreisende und Unternehmen.

Inzwischen gibt es verschiedene Modelle und Beispiele gelungener Kompensation der Treibhausgasemissionen bei Flugreisen. So hat die britische Regierung beschlossen, ab April 2006 die Emissionen unvermeidbarer Flugreisen von Regierungsmitgliedern mit freiwilligen Klimaschutzabgaben zur Finanzierung von Treibhausgasreduzierungen in Klimaschutzprojekten zu kompensieren. Seit Anfang 2007 kauft Norwegens Regierung CO2 Emissionszertifikate, um die Belastung durch Flüge der norwegischen Regierung und deren Beamte auszugleichen. Am 28. Februar diesen Jahres hat auch das Bundeskabinett beschlossen, die CO2-Emissionen aller dienstlichen Reisen der Mitglieder und Beschäftigten der Bundesregierung auszugleichen und damit klimaneutral zu stellen.

Im Juni 2004 wurde unter der Schirmherrschaft des damaligen Bundesumweltministers Jürgen Trittin und Prof. Dr. Klaus Töpfer, dem damaligen Exekutivdirektor des Umweltprogramms der Vereinten Nationen, die gemeinnützige Gesellschaft atmosfair gegründet. Nutzer von atmosfair zahlen freiwillig Geld für die durch ihren Flug verursachten Klimagase. Der Betrag wird mit Hilfe eines vom Umweltbundesamt geprüften Emissionsrechners ermittelt, wobei die Flugzeugemissionen wegen der größeren Schädlichkeit der Schadstoffe in großen Flughöhen mit dem Faktor drei multipliziert werden. Das Geld wird in Entwicklungsländern zum Beispiel in Solar-, Wasserkraft-, Biomasse- oder Energiesparprojekte investiert, um dort eine Menge Treibhausgase einzusparen, die eine vergleichbare Klimawirkung haben wie die Emissionen aus dem Flugzeug. Atmosfair kooperiert inzwischen mit zahlreichen Reiseanbietern. Auch die diesjährige Sonder-Umweltministerkonferenz am 22. März zum Thema „Klimawandel und Konsequenzen" in Düsseldorf arbeitete mit atmosfair zusammen. Die bei der An- und Abreise der Teilnehmer entstandenen 330 Tonnen CO2 wurden von atmosfair in einem Projekt in Thailand eingespart, bei dem durch den Bau von moderner Abwassertechnik klimaschädliche Methanemissionen vermieden werden.

Da mit den Kompensationsmaßnahmen lediglich eine Schadensbegrenzung erfolgt, sollte zunächst vor jeder Dienstreise die Notwendigkeit von Flugreisen kritisch geprüft werden und innerdeutsche Reisen und Reisen ins benachbarte Ausland möglichst mit der Bahn durchgeführt werden.

Nach der geltenden Rechtslage des nordrhein-westfälischen Landesreisekostengesetzes werden nur die notwendigen Reisekosten erstattet. Die bestehenden Haushaltstitel für Dienstreisen können nicht als Rechtsgrundlage für die Internalisierung externer Kosten des Flugverkehrs herangezogen werden. Weil derzeit eine haushaltsrechtliche Grundlage für die Einführung von Klimaschutzbeiträgen fehlt, sind Änderungen der landesrechtlichen Reisekostenregelungen und die Einführung eines gesonderten Haushaltstitels im Haushaltsgesetz erforderlich. Die Kosten für Ausgleichsprojekte zum Klimaschutz können durch Realisierung der erheblichen Einsparpotentiale haushaltsneutral erbracht werden. Die größten Kosteneinsparpotentiale bei Dienstreisen ergeben sich durch die Substitution von Reisen durch Telekommunikation (z.B. Videokonferenzen) und durch ein systematisiertes Travel Management System. Die technischen Entwicklungen der letzten Jahre haben verschiedene Anwendungen hervorgebracht, die effiziente Kommunikation auch ohne Reisen ermöglichen. Studien des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung von 2003 gehen davon aus, dass auch in

Unternehmen bis zu 20 Prozent der bei Dienstreisen geflogenen Personenkilometer durch moderne Kommunikationsformen ohne Beeinträchtigung der Qualität ersetzt werden können.

Ministerpräsident Dr. Jürgen Rüttgers hat am 8. Januar 2008 angekündigt, eine „freiwillige Klimaschutzabgabe auf Flugreisen der Landesregierung einzuführen und ab 2009 auch bei Pkw-Dienstfahrten". Aus dem Aufkommen sollen Klimaschutzprojekte finanziert werden.

Presseberichten zufolge soll dies für NRW-Projekte eingesetzt werden. Offen bleibt dabei, ob bei der Kompensation der Flugreisen die CO2-Ausstöße wegen der größeren Schädlichkeit der Schadstoffe in großen Flughöhen mit dem Faktor drei multipliziert werden. Dies ist bei dem anerkannten Anbieter „atmosfair" gewährleistet. Gleichfalls wird das Aufkommen aus den Einnahmen für Klimaschutzprojekte bei diesen in der „Dritten Welt" eingesetzt und leistet damit auch einen Beitrag zur sozialen globalen Gerechtigkeit.

II. Der Landtag fordert die Landesregierung auf:

1. die nötigen rechtlichen und haushaltsrechtlichen Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass sämtliche Landesministerien und -behörden in die Lage versetzt werden, die durch dienstliche Flug- und Pkw-Reisen verursachten Treibhausgasemissionen durch die Förderung von Klimaschutzprojekten ausgleichen zu können;

2. um die besondere Klimaschädlichkeit des Flugverkehrs zu berücksichtigen, sich eines anerkannten Anbieters zu bedienen, der den klimarelevanten Muliplikatoreffekt gewährleistet und gleichzeitig die soziale Verwendung der Abgaben durch die Förderung von Klimaschutzprojekten in der „Dritten Welt" sicherstellt;

3. die Dienstherren der Landesverwaltung zu verpflichten, Klimaschutzbeiträge zur Kompensation der Treibhausgasemissionen von Dienstreisen ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu leisten;

4. die Klimaschutzbeiträge durch Effizienzsteigerung und Substitution bei den Dienstreisen zu finanzieren und damit haushaltsneutral zu gestalten;

5. sicherzustellen, dass kein bürokratischer Aufwand durch die Landesregierung neu aufgebaut wird, sondern sich hierfür eines anerkannten Systemanbieters zu bedienen.

Der Landtag wird sich für die Dienstreisen der Abgeordneten und der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Landtags dieser Regelung anschließen. Die Fraktionen sind aufgefordert, sich dieser Initiative ebenfalls anzuschließen.