Verfassungsfolklore

Der Landtag wolle beschließen:

Der Landtag verurteilt die Äußerung des Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien im Kanzleramt, Michael Naumann, der "barocke Begriff der Kulturhoheit" gehöre zur "Verfassungsfolklore".

Begründung:

In einem Beitrag für die Wochenzeitung "Die Zeit" vom 2. November 2000 hat der Bundesbeauftragte für Kultur und Medien, Michael Naumann, ausgeführt, er werde die Legitimation seiner Bundeskulturpolitik künftig nicht mehr mit dem Hinweis auf die Zuständigkeit der Länder blockieren lassen.

"Der barocke Begriff der Kulturhoheit taucht im Grundgesetz nicht auf", schrieb Naumann in diesem Zusammenhang, "er gehört zur Verfassungsfolklore." Naumanns Äußerungen belegen, dass er die Kulturhoheit der Länder, wie sie nach Art. 73, 74 im Grundgesetz geregelt ist, nicht kennt oder, schlimmer noch, negiert. Die Wirklichkeit des Kulturstaates Bundesrepublik Deutschland besteht darin, dass die föderale Verfassung gerade in diesem Bereich zur außerordentlichen Vielfalt unserer Kulturlandschaft der vielen Theater, Museen, Orchester, Bibliotheken und Archive geführt hat. In allen Landesverfassungen sind nicht nur die kulturellen Freiheits- und Grundrechte verankert, festgeschrieben ist insbesondere auch die Verpflichtung der staatlichen Gewalt, sich des Schutzes des historischen Erbes und der kulturellen Einrichtungen sowie ihrer Dotierung anzunehmen. Über 50 v.H. der Finanzierung kultureller Einrichtungen geschieht vorrangig durch die Gemeinden, die als Hauptträger der Kultur in Deutschland gelten können, dann folgen die Länder und zum Schluss erst der Bund.

Neben den gesetzlichen Grundlagen ignoriert Naumann aber auch die Entwicklung der deutschen Kulturgeschichte.

Kulturföderalismus ist Ausdruck einer langen historischen Entwicklung in Deutschland seit dem Mittelalter. Der Förderalismus ist nach der Katastrophe des NS-Staates die sinnvolle und friedensstiftende Lösung gewesen. Das zeigen die Kulturkonflikte in anderen EU-Staaten, in denen der Föderalismus weit weniger ausgeprägt ist. Föderalismus ist - entgegen der Ansicht von Naumann - kein Angstreflex, sondern ein Ausdruck selbstbewusster, historisch gewachsener Regionen und Teilstaaten im Gegensatz zu alles dominierenden Zentralstaaten. Der Reichtum der Kulturlandschaft der Bundesrepublik Deutschland besteht in der Vielfalt, der Pluralität und der Subsidiarität.

Originalität, Fantasie und regionale Besonderheit sind gerade die Kennzeichen der deutschen Kultur.