Pannen und Unregelmäßigkeiten bei Klausuren für die Zweite Juristische Staatsprüfung?

Bei Klausuren aus dem Bereich Verwaltungsrecht / Öffentliches Recht im Rahmen der Zweiten Juristischen Staatsprüfung, die im Juni 2007 gestellt wurden, ist es in der Wahrnehmung einiger Kandidaten zu Unregelmäßigkeiten gekommen. 23 Kandidaten und Kandidatinnen ist offensichtlich während der Korrekturphase in einem Brief ein Angebot gemacht worden, das auf den Verzicht eines ordnungsgemäßen Benotungsverfahrens bzw. das Nachschreiben einer Klausur hinauslief. Diese Briefe sind zeitgleich mit den Briefen herausgegangen, in denen die übrigen Prüflinge über ihre Vornoten informiert wurden. Nach einiger Zeit erhielten die 23 Prüflinge dann eine Mitteilung, in der das Angebot bzw. die bereits erfolgten Vereinbarungen über die Punktzahl aufgekündigt wurden und mitgeteilt wurde, dass die verschwundenen Klausuren wieder aufgetaucht seien.

Bei Klausuren im Bereich Zivilrecht, die im November 2007 gestellt wurden, sind nach meinen Informationen an einigen Klausurstandorten fehlerhaft kopierte Sachverhaltsexemplare ausgeteilt worden. An einigen dieser Orte kam es dann im Rahmen des Versuchs, den Fehler zu korrigieren, zu chaotischen Abläufen. Daraufhin hat das LJPA eine zusätzliche Klausur angeordnet, die anstelle der jeweils aufgrund der Pannen nicht gewerteten Klausur getreten ist.

Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung:

1. Sind die oben dargestellten Sachverhalte der Landesregierung bekannt?

2. Wenn ja, seit wann sind die Vorgänge der Landesregierung bekannt?

3. Wie bewertet die Landesregierung die Tatsache, dass während der Korrekturphase 23

Klausuren verschwunden sind, und die darauffolgende Reaktion des LJPA in Form des Angebots an die Kandidaten?

4. Auf welcher rechtlichen Grundlage ist das Angebot bzgl. der Annahme der Note des Erstkorrektoren an die betroffenen Kandidaten und die spätere einseitige Aufkündigung erfolgt?

5. Wie bewertet die Landesregierung die Kopierfehler und die dadurch entstandenen Verzerrungen?

Antwort der Justizministerin vom 15. Februar 2008 namens der Landesregierung:

Vorbemerkung:

Die in der Kleinen Anfrage angesprochenen Sachverhalte stellen sich wie folgt dar:

1) Ende August / Anfang September 2007 konnte ein Paket mit 23 - schon von beiden Prüfern korrigierten - öffentlich-rechtlichen Klausuren aus der zweiten juristischen Staatsprüfung samt schriftlicher Bewertungen der beiden Prüfer nach internem Transport zwischen den beiden Dienstgebäuden des Justizministeriums trotz intensiver Nachforschungen zunächst nicht aufgefunden werden. Mitte September 2007 unterrichtete das Landesjustizprüfungsamt die 23 betroffenen Prüflinge schriftlich über die Situation. Um im Interesse der Prüflinge einen zügigen Prüfungsablauf zu gewährleisten, wurde ihnen in dem Schreiben angeboten, nach ihrer freien Wahl

· entweder die - zugleich bekannt gegebene - von den beiden Korrektoren für die Klausur festgesetzte Note gegen sich gelten zu lassen

· oder die - ggf. aufgerundete - Durchschnittsnote der übrigen sieben Klausuren als achte Klausurnote gegen sich gelten zu lassen, wobei die Noten der übrigen sieben Klausuren nicht mitgeteilt wurden,

· oder am 15.11.2007 eine neue Klausur anzufertigen.

Anfang Oktober 2007 wurde das Klausurenpaket wieder aufgefunden. Daraufhin informierte das Landesjustizprüfungsamt die 23 betroffenen Prüflinge schriftlich über die neue Sachlage und teilte ihnen mit, dass nunmehr ausschließlich ihre korrigierte und bewertete Klausur als Leistung gewertet wird.

2) Eine Vielzahl von Exemplaren des Aufgabentextes der am 05.11.2007 in der zweiten juristischen Staatsprüfung geschriebenen zivilrechtlichen Klausur wies eine oder mehrere fehlerhaft kopierte Seiten auf. In den Klausurenorten Münster und Hamm wurde bereits innerhalb der ersten Minute nach Austeilung der Aufgabentexte sichergestellt, dass keine Bearbeitung durch die Prüflinge mehr erfolgen konnte. Nachdem kurze Zeit später fehlerfreie Aufgabentexte an alle Prüflinge ausgeteilt wurden, begann die vorgeschriebene Bearbeitungszeit von fünf Stunden zu laufen. In den übrigen Klausurenorten Bochum, Bielefeld, Köln und Düsseldorf sind die zunächst ausgeteilten Aufgabentexte hingegen so lange bei den Prüflingen verblieben, bis fehlerfreie Aufgabentexte ausgegeben wurden. Die se Zeitspanne betrug in Bochum etwa 60 Minuten, in Bielefeld etwa 40 Minuten, in Köln etwa 25 Minuten und in Düsseldorf etwa 15 Minuten. Erst danach begann in dem jeweiligen Klausurenort die Bearbeitungszeit von fünf Stunden zu laufen. Damit hatten die Prüflinge in diesen Klausurenorten etwa 5 - 20% mehr an Bearbeitungszeit mit zwar teilweise fehlerhaft kopierten, aber dennoch zur Erfassung des wesentlichen Sachverhaltes ausreichenden Aufgabentexten zur Verfügung; manche Prüflinge verfügten sogar von Anfang an über einen fehlerfrei kopierten Aufgabentext. Zur Wahrung der Chancengleichheit ordnete das Landesjustizprüfungsamt am 08.11.2007 eine Neuanfertigung der Klausur in den Schreiborten Bochum, Bielefeld, Köln und Düsseldorf an, die den betroffenen Prüflingen am nächsten Tag bekannt gegeben wurde und am 16.11.2007 stattfand.

Zur Frage 1:

Die in der Vorbemerkung dargestellten Sachverhalte sind bekannt.

Zur Frage 2:

Siehe Vorbemerkung.

Zur Frage 3:

Die vom Landesjustizprüfungsamt getroffenen Maßnahmen sind nicht zu beanstanden.

Zur Frage 4:

Eine gesetzliche Regelung existiert nicht. Die Rechtsprechung fordert nur die Stellung einer Ersatzklausur. Um die dadurch entstehenden zeitlichen Verzögerungen der Prüfungsverfahren zu vermeiden, sind den Prüflingen darüber hinaus die in der Vorbemerkung beschriebenen weiteren Möglichkeiten angeboten worden.

Mit dem rechtzeitigen Wiederauffinden des Klausurenpakets entfiel die Grundlage für den Inhalt des Schreibens von Mitte September 2007. Da noch in keinem Prüfungsverfahren eine mündliche Prüfung stattgefunden hatte, mussten die wieder aufgefundenen Klausuren als die tatsächlich erbrachten Leistungen gewertet werden. Ein schutzwürdiges Vertrauen der betroffenen Prüflinge stand dem nicht entgegen.

Zur Frage 5:

Die vom Landesjustizprüfungsamt getroffenen Maßnahmen sind nicht zu beanstanden.

Das Verwaltungsgericht Düsseldorf hat in zwei Beschlüssen vom 13.11.2007 - 15 L 1875/07 u. 15 L 1876/07 - entschieden, dass die vom Landesjustizprüfungsamt angeordnete Neuanfertigung der Klausur am Schreibort Düsseldorf aufgrund der Verletzung des Grundsatzes der Chancengleichheit geboten war. Im Übrigen stellt es keinen Verstoß gegen den Grundsatz der Chancengleichheit dar, dass die Klausur nicht auch in Hamm und Münster neu geschrieben wurde. Dort wurde die Klausur nämlich bereits am 05.11.2007 verfahrensfehlerfrei angefertigt.