Schule

Nach Abgang des Schreibens vom 10.12.2007 ist es zwischen dem Bürgermeister der Stadt Alsdorf und dem für die allgemeinen Fragen des Kommunalverfassungsrechts zuständigen Referenten zu einem Austausch von Informationen und Rechtsansichten gekommen. In diesen Gesprächen hat der Bürgermeister darauf hingewiesen, dass er sich auf der Grundlage des § 62 Abs. 1 Sätze 3 und 4 GO NRW insbesondere aber nach Satz 4 „Dabei kann er sich bestimmte Aufgaben vorbehalten und die Bearbeitung einzelner Angelegenheiten selbst übernehmen" berechtigt sähe, „das Fachgebiet Schule aus dem vom Rat gegliederten Geschäftsbereich des Beigeordneten herauszulösen"(Zitat aus dem Schreiben Innenministerium an den Bürgermeister vom 11.12.2007). Seine Absicht sehe er - auf der Grundlage des Kommentars Rehn/Cronauge Gemeindeordnung für Nordrhein-Westfalen § 62 Erläuterung III.7. - als rechtlich zulässig an. Dort heißt es: „Ungeachtet der vom Rat festgelegten Geschäftskreise der Beigeordneten (§ 73 Abs. 1) kann der Bürgermeister unbegrenzt Aufgaben, die er im Einzelnen z. B. durch eine Geschäftsanweisung bestimmt hat, selbst wahrnehmen (vgl. Dieckmann/Heinrichs, GO - Kommentar, § 62, S. 258). Unter dem Begriff „Aufgaben" ist in diesem Sinne zu verstehen, dass der Bürgermeister sich auf die Aufgaben einzelner Ämter - wie z.B. des Liegenschaftsamtes - zur eigenen Wahrnehmung vorbehalten kann. Die zusätzliche Aufzählung der Möglichkeit, „Aufgaben" an sich zu ziehen, neben der Möglichkeit, in Einzelfällen tätig zu werden, verdeutlicht, dass mit „Aufgaben" ein „Mehr" an Zugriffskompetenz gemeint sein muss als Einzelaufgaben. Insofern ist hierunter ein abstrakt-generelles Zugriffsrecht im Gegensatz zu dem konkret-individuellen Einzelzugriffsrecht zu verstehen. Wie der Bürgermeister die generellen Aufgabenbereiche in diesem Sinn abgrenzt, muss ihm überlassen bleiben. Die Ausweitung der Zugriffsmöglichkeiten ist unter dem Blickwinkel zu sehen, dass der Gesetzgeber die Stellung des Bürgermeisters gegenüber dem Rat bei Einführung der neuen Kommunalverfassung stärken wollte. Dem Bürgermeister sind dabei nur insoweit Schranken gesetzt, als der Geschäftskreis der Beigeordneten durch seine generelle Zuständigkeitsregelung nicht in seinem Kern ausgehöhlt werden darf..." Des Weiteren hat der Bürgermeister auf die Kommentierung von Held/Becker/Kirchhoff Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen Erläuterung 10 zu § 62 „Aufgabenvorbehalt und Eigenerledigung durch den Bürgermeister" hingewiesen. Dort heißt es unter 10.1: „Aus § 51 a.F., der die Vertretung im Amt regelte, wurde bei der Reform 1994 in § 62 Abs. 1 Satz 4 die Vorschrift übernommen, dass der Hauptverwaltungsbeamte die Erledigung einzelner Angelegenheiten selbst übernehmen kann. Darüber hinaus wurde neu in die Vorschrift eingefügt, dass der Bürgermeister sich bestimmte Aufgaben vorbehalten kann.

Mit dem Aufgabenvorbehalt des Bürgermeisters hat der Gesetzgeber ein Gegengewicht zum Recht des Rates geschaffen, gem. § 73 Abs. 1 den Geschäftskreis der Beigeordneten festzulegen. Der Bürgermeister hat auf diese Weise die Möglichkeit, sich ein eigenes Dezernat zuzuordnen, ohne dass er Rücksicht auf eine Zuteilung von Aufgaben auf die Beigeordneten durch den Rat nehmen müsste. Dies rechtfertigt sich aus der eigenen unmittelbaren demokratischen Legitimation des Bürgermeisters, der durch derartige Aufgabenvorbehalte unmittelbare Verantwortung übernimmt." Des Weiteren hat der Bürgermeister darauf hingewiesen, dass er sich bezüglich seines Vorhabens vom Städte- und Gemeindebund habe beraten lassen. Dieser habe gegen sein Vorhaben keine Bedenken erhoben.

In Kenntnis dieser durch Kommentarliteratur gestützten Rechtauffassung des Bürgermeisters heißt es deshalb im Schreiben des Innenministeriums vom 11.12.2007: „Das Innenministerium erhebt keine Einwände gegen die von Ihnen vorgesehene Rechtsanwendung."

Dies vorangestellt beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt:

Zur Frage 1:

Zur Abgrenzung der Zuständigkeit des Rates gemäß § 73 Abs. 1 GO NRW zu § 62 Abs. 1 Satz 4 GO NRW wird auf die in den Vorbemerkungen zitierte Kommentarliteratur verwiesen.

Das in der Kleinen Anfrage zitierte Urteil des OVG Münster vom 20.07.1990 - 12 B 390/90 -, EildST 1991 Seite 399 enthält keine Aussage zum Verhältnis der vorgenannten Normen.

Diese haben erst durch das Gesetz zur Änderung der Kommunalverfassung vom 15.5.

(GV.NW.S.270) ihren - bis zum 16. Oktober 2007 - gültigen Inhalt erhalten. Das Urteil des beamtenrechtlichen Senats des OVG NRW vom 20.07.1990 ist auf der Grundlage des § 53 Abs. 1 GO NW 1952 ergangen.

Der § 53 „Geschäftsverteilung und Dienstaufsicht" lautete in seinem Absatz 1 „Der Gemeindedirektor leitet und verteilt die Geschäfte. Der Rat kann den Geschäftskreis der Beigeordneten festlegen."

Das Urteil hatte sich aus Anlass eines beamtenrechtlichen Rechtsstreits eines Beigeordneten mit seiner Stadt mit der Frage befasst, ob anstelle des Rates der Gemeindedirektor zur Änderung des Geschäftsbereiches des Beigeordneten zuständig gewesen wäre. Das Urteil enthält dagegen keine Aussage dazu, ob der Gemeindedirektor berechtigt gewesen wäre, „die Bearbeitung einzelner Angelegenheiten (Erläuterung: aus dem Geschäftsbereich eines Beigeordneten) selbst (zu) übernehmen" (§ 51 Abs. 2 Satz 2 GO NW 1952). Noch weniger ist dem Urteil zu entnehmen, in welchem Verhältnis § 62 Abs. 1 Satz 4 Alternative 1 GO NRW 1994 („Dabei kann er sich bestimmte Aufgaben vorbehalten...") zu § 73 Abs. 1 GO NRW steht. Denn diese Passage ist mit der Änderung der Kommunalverfassung 1994

(GV.NRW.S.270) erstmals in die Gemeindeordnung aufgenommen worden.

Durch das Gesetz zur Änderung der Kommunalverfassung vom 17.05.1994 (GV.NW.S. 270) sind sowohl § 53 GO NW als auch § 47 GO NW grundlegend umgestaltet worden. So hatte § 73 - Geschäftsverteilung und Dienstaufsicht - in Absatz 1 folgende Fassung erhalten: „Der Rat kann den Geschäftskreis der Beigeordneten festlegen." Der bisherige Satz 1 „(Er) leitet und verteilt die Geschäfte." wurde zu § 62 Abs. 1 Satz 3. Als neue Bestimmung wurde in die Gemeindeordnung und hier in § 62 Abs. 1 Satz 2 aufgenommen: „Der Bürgermeister ist verantwortlich für die Leitung und Beaufsichtigung des Geschäftsgangs der gesamten Verwaltung." Ebenfalls als neue Regelung, die über den bisherigen Inhalt der Gemeindeordnung von 1952 hinaus geht, wurde das Recht des Bürgermeisters aufgenommen, sich „bestimmte Aufgaben vorbehalten" zu können.

Mit diesen Änderungen wollte der Gesetzgeber erkennbar die Position des direkt gewählten Bürgermeisters stärken und nach Möglichkeiten die Kompetenzen seiner Organisationsgewalt in der - neugefassten - Norm des § 62 GO NRW 1994 zusammenfassen.

Zu der so entstandenen Norm des § 62 GO NRW ist die in der Vorbemerkung zitierte Kommentierung ergangen.

Mit dem Gesetz zur Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung vom 09.10.

(GV.NRW.S. 380) hat § 73 Abs. 1 GO NRW die derzeitige Fassung erhalten. Danach soll der Geschäftskreis der Beigeordneten nach Möglichkeit im Einvernehmen zwischen Rat und Bürgermeister festgelegt werden. Kommt kein Einvernehmen zu Stande, kann der Rat den Geschäftskreis der Beigeordneten mit der Mehrheit der gesetzlichen Zahl der Ratsmitglieder festlegen. Erfolgt dies nicht, so lebt das Organisationsrecht des Bürgermeisters ungeschmälert wieder auf. Kommt es zu einem Einvernehmen, so wird der Geschäftskreis des Beigeordneten festgelegt. Unbeschadet dieser Festlegung bleibt es beim Recht des Bürgermeisters, nach § 62 Abs. 1 Sätze 2 bis 4 GO NRW. Der Bürgermeister ist also berechtigt, sich „bestimmte Aufgaben vor(zu)behalten".

Eine Grenze findet dieses Recht des Bürgermeisters spätestens dort, wo in das Recht des Beigeordneten auf amtsangemessene Beschäftigung eingegriffen würde. Eine geringere Eingriffschwelle ist dem Wortlaut des § 62 Abs. 1 Satz 4 Alt. GO NRW nicht zu entnehmen.

Zur Frage 2:

Siehe Kommentarstellen in der Vorbemerkung. „Bestimmte Aufgaben" bezieht sich auf in Organisationsunterlagen abstrakt beschriebene Tätigkeiten. Dagegen beschreibt „die Bearbeitung einzelner Angelegenheiten" konkrete Tätigkeiten mit zeitlich begrenzter Dauer. Der Umfang der „Aufgaben" wird vom Gesetz nicht begrenzt; jedoch darf der Geschäftskreis eines Beigeordneten nicht in seinem Kern ausgehöhlt werden.

Zur Frage 3:

Als Antwort wird auf die Vorbemerkung 2. und die Antworten zu Fragen 1 und 2 verwiesen.

Zur Frage 4:

Soweit der Bürgermeister sich für sein Dezernat „bestimmte Aufgaben" vorbehält, muss er diese - wie auch sonst - nicht selber erledigen. Vielmehr kann er die Aufgaben - in seiner Verantwortung - unter der Leitung einer Führungsperson erledigen lassen.

Zur Frage 5:

Unter Hinweis auf die Vorbemerkung 2. hält die Landesregierung ihre Rechtsauskünfte nicht für widersprüchlich. Vielmehr wurde in der Rechtsauskunft vom 10.12. lediglich eine - auf § 73 GO NRW begrenzte - Auskunft gegeben. Die Auskunft vom 11.12.2007 hat dabei Kompetenzen aus beiden Normen ins Verhältnis gesetzt.