NRW Ziel2-Programm (EFRE) 2007-2013 - parlamentarisch nachgehakt

Massive städtebauliche Verwerfungen durch den Abzug der britischen Streitkräfte aus Mönchengladbach Wortlaut der Kleinen Anfrage 2247 vom 17. Januar 2008:

Die britische Regierung hat angekündigt, das Joint Headquarter (JHV) in MönchengladbachRheindahlen vollständig auflösen und das hier stationierte Alliierte Schnelle Eingreifkorps (HQ ARCC) nach Innsworth im Südwesten Englands verlegen zu wollen. Bis 2014 sollen alle britischen Soldaten, die britischen Verwaltungsbeamten und deren Familien - insgesamt ca. 5.300 Personen - Mönchengladbach verlassen haben.

Der Abzug der britischen Streitkräfte wird zu erheblichen Nachfrageeinbrüchen führen und so eine Vielzahl von EinzelhändlerInnen, HandwerkInnen und DienstleistungsanbieterInnen sowie die bei diesen Unternehmen beschäftigten ArbeitnehmerInnen in ihrer Existenz bedrohen. Hinzu kommt, dass im Zuge dieses Konversionsprozesses auch knapp 1.000 Zivilbeschäftigte ihren Arbeitsplatz verlieren werden.

Neben den wirtschaftlichen Folgen wird der Abzug der britischen Streitkräfte aber auch massive städtebauliche Verwerfungen auslösen, da das soziale und funktionale Gefüge eines gesamten Stadtteils wegbrechen wird. Insgesamt müssen 380 ha Fläche mit insgesamt 2.000 Bauten - Wohnhäuser sowie Infrastruktur- und Versorgungseinrichtungen wie Kindergärten, Schulen, Kirchen, Krankenhäuser und Sportplätze - neu in die Stadt integriert werden. Bei den ca. 1.400 Wohngebäuden handelt es sich dabei im Wesentlichen um in den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts errichtete Bauten, die den heutigen Ansprüchen an Wohnraum nicht genügen.

Dieser Gestaltungsprozess dürfte die Stadt Mönchengladbach, die sich im Übrigen in der Haushaltssicherung befindet, vor eine Aufgabe stellen, die sie ohne Hilfe von Bund und Land nicht wird bewältigen können.

Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung:

1. In der Vergangenheit wurden vergleichbare Konversionsprozesse vom Bund mit organisatorischen und finanziellen Hilfen aktiv begleitet.

Welche diesbezüglichen Hilfen - z. B. seitens der im November 2004 gemeinsam von Bundesfinanz- und Bundesverteidigungsministerium eingerichteten "Koordinierungsstelle für Konversionsfragen" - kann und darf die Stadt Mönchengladbach erwarten?

2. Wie kann und wird das Land NRW - z. B. über den Grundstücksfonds und/oder die Mittel der Städtebauförderung - die Stadt Mönchengladbach bei der Bewältigung der sich aus dem Abzug der britischen Streitkräfte ergebenden städtebaulichen Probleme unterstützen?

3. Erster Schritt des einzuleitenden Gestaltungsprozesses muss die Entwicklung eines (am Prinzip der Nachhaltigkeit ausgerichteten) städtebaulichen Rahmenplans sein.

In welcher Form und unter welchen Voraussetzungen kann und wird das Land NRW die Entwicklung eines diesbezüglichen Konzepts begleiten und ggf. finanziell fördern?

4. Der Abzug der britischen Streitkräfte wird zu einem "dauerhaften Überangebot an baulichen Anlagen für bestimmte Nutzungen, namentlich für Wohnzwecke" führen und somit einen erheblichen Funktionsverlust im Sinne von § 171a Baugesetzbuch begründen.

In welcher Form und unter welchen Voraussetzungen können zukünftige städtebauliche Projekte aus Mitteln der dritten Säule des NRW Ziel2-Programms (EFRE) 2007 2013, die - ausgerichtet am Ausgleichsziel des EG-Vertrages - auf die Förderung einer nachhaltigen Stadtentwicklung abzielt, finanziert werden?

5. Angesichts der Fülle und der Komplexität der zu lösenden Detailfragen dürfte es erforderlich sein, ein mit externer Managementkompetenz ausgestattetes Projektbüro zur operativen Bearbeitung der einzelnen Prozessschritte einzurichten. Dieses Projektbüro müsste über hinreichende Erfahrung mit Konversionsprozessen verfügen und auf der Grundlage dieses know hows auch die Vertragsverhandlungen mit der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben bezüglich der zu klärenden Grundstücksfragen führen. Es müsste zudem ­ am besten in Kooperation mit dem Internationalen Konversionszentrum in Bonn (BICC) - im Sinne eines Benchmarking-Ansatzes Konversionsprozesse z.

B. an aufgegebenen Bundeswehrstandorten oder in Verbindung mit vormaligen Militärflughäfen prüfen. Ferner käme ihm die Aufgabe zu, die Chancen und Optionen für eine Einbeziehung privater Investoren auszuloten.

In welcher Form und unter welchen Voraussetzungen kann die Einrichtung eines diesbezüglichen Projektbüros über das NRW Ziel2-Programm (EFRE) 2007-2013 gefördert werden?

Antwort der Ministerin für Wirtschaft, Mittelstand und Energie vom 21. Februar 2008 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales, dem Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten und dem Minister für Bauen und Verkehr:

Vorbemerkung:

Wie einer Presserklärung der britischen Streitkräfte vom 12. September 2007 zu entnehmen ist, wollen die Briten ihre Standorte in Mönchengladbach, Niederkrüchten-Elmpt und Münster bis zum Jahre 2014 schließen. Vor allem die Stadt Mönchengladbach und die Gemeinde Niederkrüchten werden durch den Abzug der Briten erheblich betroffen sein.

Insgesamt sind am Standort Rheindahlen 8.969 (Militärpersonal, ziviles Personal und Familien, deutsches Zivilpersonal) und am Standort Niederkrüchten-Elmpt 2.883 Personen betroffen, davon allein 1.097 deutsche Zivilbeschäftigte in Rheindahlen und 363 in Elmpt. Dieses wird erhebliche strukturelle Auswirkungen auf die Region haben. Deshalb hat die Landesregierung bereits die interministerielle Arbeitsgruppe „Truppenabbau" wieder eingesetzt, damit sie sich mit diesem Konversionsthema über Ressortgrenzen hinweg beschäftigt.

Darüber hinaus hat der Minister für Bauen und Verkehr für den 22. Februar 2008 zu einem Werkstattgespräch eingeladen, um das Anforderungsprofil für den Entwicklungsprozess der nächsten Jahre in den beiden betroffenen Kommunen zu erarbeiten.

Zur Frage 1:

Der Bund und die hiermit beauftragte Bundesanstalt für Immobilienaufgaben werden nach endgültigem Abzug der Briten spätestens 2014 das Eigentum und die tatsächliche Verfügungsgewalt an den beiden Militärstandorten in Rheindahlen und Elmpt übernehmen. Zu gegebener Zeit wird die Landesregierung gemeinsam mit der Region die entsprechenden Gespräche mit dem Eigentümer Bund aufnehmen und hierbei auch die finanziellen Fragen klären.

Zu den Fragen 2 bis 4

In Abstimmung mit der Stadt Mönchengladbach und der ebenfalls durch den britischen Truppenabbau betroffenen Gemeinde Niederkrüchten hat Herr Minister Wittke für den 22. Februar 2008 zu einem ersten Werkstattgespräch eingeladen.

Dieses Gespräch wird die Grundlage für eine gemeinsam verfolgte Konversionsstrategie legen und den anstehenden Entwicklungsprozess strukturieren.

Neben ersten Entwicklungsperspektiven für eine Nachnutzung und die planerischen und organisatorischen Rahmenbedingungen werden die betroffenen Kommunen den Förderbedarf anhand konkreter Aufgabenstellungen formulieren und durch die Landesregierung entsprechend beraten.

Zur Frage 5:

Das NRW-Ziel-2-Programm (EFRE) zielt darauf ab, Vorhaben zu fördern, die die Wettbewerbs- und Innovationsfähigkeit der nordrhein-westfälischen Wirtschaft stärken und dadurch neue Arbeitsplätze schaffen und bestehende sichern. Die Förderung ist somit wirtschaftlich, nicht städtebaulich fokussiert. Ein vornehmlich auf die Umsetzung eines städtebaulichen Rahmenplans ausgerichtetes Projektbüro trägt nicht vorrangig dazu bei, die zuvor genannte Zielsetzung des Programms maßgeblich zu unterstützen und entspricht deshalb nicht den Fördervoraussetzungen des Ziel-2-Programms (EFRE).