Riskante Geldgeschäfte von Kommunen: Der Innenminister darf nicht weiter wegsehen!

I. Diversen Presseberichten der letzten Wochen konnte man entnehmen, dass es in etlichen Kommunen zu erheblichen Verlusten aus riskanten Zinsgeschäften gekommen ist. Danach musste die Stadt Hagen Verluste in Höhe von ca. 50 Mio. Euro hinnehmen, Remscheid mindestens 12,7 Mio., weitere 5 Mio. stehen dort noch in Rede, Neuss mehr als 10 Mio. Euro, Dortmund 6 Mio. Euro und Solingen ca. 1,5 Mio. Euro.

Ursache dieser Verluste waren in der Regel Derivat- oder Swap-Geldgeschäfte, die oftmals Teil einer kommunalen Kredit- und Zinsmanagement-Strategie waren. Gerade Kommunen mit großen Finanzierungsproblemen und hohen Kassenkreditvolumen haben in der Vergangenheit auf diese Formen des Zinssicherungsmanagements gesetzt. Doch die Zinsderivate und die damit verbundenen Finanzprodukte der Banken sind mit erheblichen und oft auch wenig transparenten Risiken verbunden. In der letzten Zeit ist insbesondere ein speziell auf Kommunen zugeschnittenes Finanzprodukt der Deutschen Bank Ursache großer Verluste von Kommunen, kommunalen Betrieben und mittelständischen Unternehmen geworden.

II. Geschäfte mit Swaps und Derivaten überfordern viele Kämmerer, Stadtverwaltungen und Räte Derivat- und Swap-Geschäfte stellen je nach jeweiligem Finanzprodukt im Grunde eine Art "Wette" auf die Zinsentwicklung, die Wertpapierentwicklung oder das Kreditrisiko dar. Somit enthalten sie neben den Chancen auch erhebliche Risiken für die Vertragspartner solcher Finanzprodukte. Insbesondere sogenannte „Spread Ladder Swaps" haben sich als ausgesprochen risikoreiche Zinsrisikomanagement-formen erwiesen. Dabei wetten die Käufer darauf, dass die langfristigen Zinsen deutlich über den kurzfristigen Zinsen liegen. Ziel ist es, die eigene Zinslast zu senken. Kommt es jedoch zu einer inversen Zinsstruktur und weicht der Zinsverlauf deutlich von der unterstellten Richtung ab, kommt es zu hohen Verlusten der Käuferseite.

Derzeit liegen verschiedene, sich widersprechende Gerichtsurteile zum Streit von hunderten betroffener Kommunen und Mittelständler mit der Deutschen Bank um verlustträchtige Zinstauschgeschäfte vor. Es geht dabei um die Spread Ladder Swaps, welche die Bank in den Jahren 2004 und 2005 verkauft hat. So sprach das Landgericht Würzburg am 31.3.2008 der Versorgungs- und Verkehrs-GmbH (WVV) der fränkischen Stadt knapp 1 Mio. Euro Schadensersatz zu. Gefordert hatte die WVV gut 2,6 Mio. Euro des ihr entstandenen Verlusts von 4,1 Mio. Euro. Die Deutsche Bank hat nach Auffassung der Richterin den Kunden beim Abschluss des Zinsswapgeschäfts unzureichend über dessen Risiken aufgeklärt. Sie gab den Klägern aber eine Mitschuld, denn sie hätten die Risiken zumindest teilweise erkannt (Az.: 62 O 661/07).

Ganz anders entschied im Januar das Landgericht Magdeburg: Es wies die Klage eines Wasserversorgers der Stadt gegen den Frankfurter Bankriesen ab (Az.: 9 O 1989/06). Die Richter sahen die Firma Heidewasser durch die Bank sowohl „anlegergerecht als auch anlagegerecht beraten". Die Bank habe dem Kunden nicht generell von dem Produkt abraten müssen und ihr könne auch nicht abverlangt werden, ihm die Anlageentscheidung abzunehmen.

Die Urteile verdeutlichen, dass diese Formen der Geldgeschäfte trotz umfangreicher Bemühungen um eine fach- und sachgerechte Einschätzung letztlich mit einem hohen Finanzrisiko behaftet bleiben. Die Urteile verdeutlichen auch, dass sich oftmals die Finanzberatung durch die Banken und deren Verkaufstätigkeit nicht so trennscharf darstellen, dass eine fachlich orientierte und angemessene Einschätzung der Risiken für die Kommunen gewährleistet ist.

III. Kommunalaufsicht muss zum Schutz der Kommunen handeln:

Die Gemeindeordnung zur kommunalen Haushaltswirtschaft legt für die Kommunen verschiedene Rahmenbedingungen, Grundsätze und Sicherungsgebote fest, innerhalb deren Grenzen sie eigenverantwortlich über Einnahmen und Ausgaben, Kreditaufnahmen und die Erwirtschaftung von Mitteln entscheiden. In der Antwort der Landesregierung DS 14/2293 vom 18.7.2006 auf die Kleine Anfrage 783 des Abgeordneten Horst Becker weist die Landesregierung selbst darauf hin, dass sich aus dem allgemeinen Spekulationsverbot gemäß § 90 Abs. 2 Satz 2 der GO NRW rechtliche Schranken für die Geldanlage und Zinssicherungsgeschäfte der Kommunen ergeben. So hätten die Gemeinden bei Geldanlagen auf eine ausreichende Sicherheit zu achten. Für die eigenverantwortlichen Zinssicherungsgeschäfte der Gemeinden sah die Landesregierung keine Notwendigkeit, eine Anzeige- oder Genehmigungspflicht einzuführen. Sie beließ es bei dem Appell an die Kommunen, den Vorgaben der Gemeindeordnung nach ausreichender Sicherung der Geldgeschäfte Rechnung zu tragen.

Auch in der Antwort der Landesregierung auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Horst Becker am 12.3.2008 bestätigt der Innenminister diese Haltung, wenngleich er nun auch ausführlichere Darlegungen zum „Spekulationsverbot", „Vorsichtsprinzip" und der „Verpflichtung zur Risikovorsorge" machte. Gleichwohl sieht er „keine Regelungslücken", sondern (...) „eher Versäumnisse im konkreten Umgang mit diesen Finanzprodukten, wobei ich bewusst offen lasse, ob die Versäumnisse im Einzelfall bei den Kommunen oder eher bei den beratenden Geldinstituten festzumachen sind."

Die zahlreichen Fälle mit erheblichen Verlusten aus dieser Art der Geldgeschäfte und die verschiedenen Urteile zeigen, dass gesetzliche oder kommunalaufsichtliche Regelungen und Klarstellungen angezeigt sind. Offensichtlich sind viele Kommunen oder Kämmerer, gerade auch unter dem Druck der kommunalen Finanzlage, mit einer fachlichen Einschätzung überfordert gewesen. Dies verschärft sich umso mehr, als dass die „Beratung" der Geldinstitute offensichtlich nicht immer an dem Wohl ihrer Kunden orientiert ist.

Eingriffe in die kommunale Selbstverantwortung und kommunalaufsichtliche Eingriffe müssen wohl bedacht und begründet sein. Das Beispiel der Stadt Remscheid zeigt aber deutlich, dass die Risiken der Geldgeschäfte um ein Mehrfaches den minimalen Handlungsspielraum in den Haushaltsberatungen übersteigen, den der Rat einer solchen Nothaushaltskommune noch hat.

Vergleiche zu anderen Vorgängen machen deutlich, dass die Landesregierung im Falle der Geldgeschäfte extrem zurückhaltend agiert und die Risiken nicht zum Anlass für kommunalaufsichtliche Maßnahmen genommen hat. Dies steht im krassen Gegensatz zu kommunalrechtlichen Vorgaben bei Hallenbenutzungsgebühren oder Elternbeiträgen für Kindergärten und vielem mehr. So schreckt die Kommunalaufsicht nicht davor zurück, beispielsweise Nothaushaltskommunen Hallenbenutzungsgebühren oder die Erhöhung von Kindergartenbeiträgen vorzuschreiben oder aber solchen Kommunen die jährliche Kürzung der freiwilligen Leistungen um 5 % abzuverlangen.

IV. Der Landtag fordert die Landesregierung auf:

1. Einen umfangreichen Bericht über die Formen und Risiken des kommunalen Schuldenmanagements und damit verbundener Finanzprodukte vorzulegen.

2. Als riskant eingeschätzte Geldgeschäfte und Finanzprodukte einer Anzeige- und Genehmigungspflicht gegenüber der Kommunalaufsicht zu unterwerfen.