Mehr Transparenz in öffentlichen Unternehmen durch Offenlegung der Vorstandsvergütungen

I. Offenlegungspflichten bei Kapitalgesellschaften

Mit dem am 11. August 2005 in Kraft getretenen "Gesetz über die Offenlegung der Vorstandsvergütungen" (VorstOG) wurden die §§ 285 und 286 (Jahresabschlüsse) bzw. 314 und 315 HGB (Konzernabschlüsse) geändert. Im Sinne dieser Änderungen sieht das HGB nun vor, dass

· Kapitalgesellschaften im Rahmen ihres jährlich vorzulegenden Geschäftsberichtes (Anhang) die Gesamtsumme der Vorstandsvergütungen veröffentlichen müssen (kollektivierte Offenlegungspflicht);

· Kapitalgesellschaften, die keine börsennotierten Aktiengesellschaften sind, auf eine diesbezügliche Veröffentlichung verzichten können, wenn sich aus der Gesamtsumme die individuellen Bezüge eines Vorstandsmitglieds ableiten lassen;

· börsennotierte Aktiengesellschaften (vorbehaltlich einer zeitlich befristeten opting-out Klausel) im Rahmen ihres jährlich vorzulegenden Geschäftsberichtes (Anhang) zusätzlich für jedes Vorstandsmitglied (sowie für die Aufsichtsratsmitglieder) die vollständigen Individualbezüge - aufgeschlüsselt in die einzelnen Bestandteile - veröffentlichen müssen (individualisierte Offenlegungspflicht).

II. Offenlegungspflichten bei öffentlichen Unternehmen:

Wer die Veröffentlichung der Vorstandsgehälter bei privatwirtschaftlichen Unternehmen bejaht, muss auch für die Veröffentlichung der Vorstandsbezüge öffentlicher Unternehmen eintreten. Denn gerade bei öffentlichen Unternehmen darf ein besonderer Informationsanspruch der Öffentlichkeit unterstellt werden, da diese Unternehmen mit einem spezifischen öffentlichen Auftrag verbunden und mit Blick auf ihre Einnahmenstruktur oftmals wirtschaftliche Treuhänder von Steuer- oder Beitragsgeldern sind. Aber selbst dort, wo diese Prämissen nicht gelten, besteht kein Grund, auf jenes Maß an Transparenz zu verzichten, dem sich private Unternehmen unterwerfen müssen.

Dennoch enthält nur das gesetzliche Regelwerk des Landes Berlin eine Normierung zur Veröffentlichung der Vorstandsgehälter von öffentlichen Unternehmen. Im Sinne des dort geltenden "Vergütungs- und Transparenzgesetzes" unterliegen alle Unternehmen, die unter das Berliner Betriebegesetz fallen, einer individualisierten Offenlegungspflicht. Zudem wird das Land dazu verpflichtet, bei seinen privatrechtlichen Mehrheitsbeteiligungen auf eine individualisierte Offenlegung hinzuwirken.

In NRW besteht eine vergleichbar klare gesetzliche Vorgabe nicht. Allerdings gibt § 108 Abs. 1 Ziffer 8 der nordrhein-westfälischen Gemeindeordnung (GO) vor, dass Gemeinden privatrechtliche Unternehmen und Einrichtungen nur unter der Voraussetzung gründen oder sich daran beteiligen dürfen, wenn deren Jahresabschluss und Lagebericht unter Anwendung des Dritten Buches des Handelsgesetzbuches aufgestellt werden. Auf der Grundlage dieses HGB-Verweises ist eine kollektivierte Offenlegungspflicht zu konstatieren, die jedoch - analog zu privaten Unternehmen - der Einschränkung unterliegt, dass die Gesamtausweisung keinen Rückschluss auf die individuellen Bezüge eines einzelnen Vorstandsmitgliedes ermöglichen darf. Im Ergebnis führt diese Einschränkung dazu, dass die Bezüge der Vorstände bzw. GeschäftsführerInnen nahezu aller in privater Rechtsform operierenden nordrheinwestfälischen Kommunalunternehmen (z. B. Stadtwerke) der Öffentlichkeit entzogen sind.

Die Bürgerinnen und Bürger haben somit keine Möglichkeit, über einen interkommunalen Vergütungsvergleich Rückschlüsse auf das kommunale Finanzgebaren zu ziehen und so in ihrer Kommune möglicherweise bestehende Sparpotenziale zu identifizieren.

An dieser Stelle sind Kommunalunternehmen privaten Rechts nicht transparenter als Regieoder Eigenbetriebe, bei denen sich die LeiterInnen- bzw. GeschäftsführerInnengehälter am TV ÖD bzw. am TV Versorgung orientieren und somit zwar aus dem Stellenplan hervorgehen, dieser jedoch nicht öffentlich zugänglich ist, so dass den Bürgerinnen und Bürgern die jeweilige Vergütungshöhe auch hier vorenthalten bleibt.

III. Offenlegungspflichten bei öffentlich-rechtlichen Anstalten/Körperschaften

a) Sparkassen:

Das nordrhein-westfälische Sparkassengesetz (SpkG NRW) enthält keine Vorgabe, die Gehälter von Sparkassenvorständen zu veröffentlichen. Diese bedürfen lediglich gemäß § 14 Abs. 2 SpkG NRW der Zustimmung des Verwaltungsrates, dessen Mitglieder jedoch gemäß § 22 SpkG NRW einer besonderen Vertraulichkeits- und Geheimhaltungspflicht unterliegen.

Auch die in Bezug auf die Höhe der Vorstandsgehälter von den Sparkassenverbänden entwickelten "unverbindlichen Empfehlungen" sind nicht öffentlich zugänglich. Gemäß einer Information des Landtags NRW (Inf.: 13/681) aus dem Jahr 2003 werden die einzelnen Sparkassen dabei in 13 Gehaltsklassen unterteilt, bei deren Bestimmung als maßgebliche Parameter u. a. die Bilanzsumme, die Höhe bestimmter Aktiva und die Höhe des Eigenkapitals herangezogen werden.

b) Rundfunk- und Fernsehanstalten:

Auch bezüglich der Intendanten der öffentlich-rechtlichen Rundfunk- und Fernsehanstalten besteht keinerlei Offenlegungspflicht, so dass sich deren Gehälter der Kenntnis der Öffentlichkeit bzw. der GebührenzahlerInnen gänzlich entziehen. Angesichts der Tatsache, dass die Einnahmen der Sender im Wesentlichen auf per Gesetz festgelegten Rundfunkgebühren beruhen, deren Entrichtung für die Bürgerinnen und Bürger mit Blick auf die Abdeckung ei nes grundlegenden Informationsbedürfnisses nahezu Zwangscharakter hat, besteht gerade hier ein besonderer Offenlegungsanspruch. Überdies ist eine Nicht-Offenlegung der Intendantenbezüge letztlich kaum mit dem journalistischen Ethos der Herbeiführung eines Höchstmaßes an Transparenz vereinbar.

c) Gesetzliche Krankenkassen und Kassenärztliche Vereinigungen:

Anders stellt sich die Situation bei den in Form von Körperschaften öffentlichen Rechts verfassten gesetzlichen Krankenkassen dar, die gemäß § 35 a Abs. 6 SGB IV seit 2004 die Bezüge ihrer Vorstandsmitglieder inkl. Nebenleistungen und Versorgungsregelungen in individualisierter Form im Bundesanzeiger (und in ihrer Mitgliedszeitschrift) veröffentlichen müssen. Eine vergleichbare Regelung gilt seit 2005 für die Vorstandsmitglieder der kassenärztlichen Vereinigungen. Gemäß § 79 Abs. 4 SGB müssen auch sie die Höhe der jährlichen Vergütungen ihrer Vorstandsmitglieder inkl. Nebenleistungen und Versorgungsregelungen im Bundesanzeiger in individualisierter Form publizieren und gleichzeitig in den jeweiligen Mitteilungen der kassenärztlichen Bundesvereinigungen ausweisen.

IV. Beschluss:

Der Landtag Nordrhein-Westfalen fordert die Landesregierung auf,

· ihm in Anlehnung an das Berliner "Vergütungs- und Transparenzgesetz" zeitnah einen Entwurf für ein nordrhein-westfälisches "Vorstandsvergütungs-Offenlegungsgesetzes" vorzulegen, das eine individualisierte Offenlegungspflicht für alle Landesbetriebe, alle landeseigenen Gesellschaften privaten Rechts und alle (teil)rechtsfähigen Sondervermögen des Landes vorsieht und in Bezug auf privatrechtliche Mehrheitsbeteiligungen des Landes einen diesbezüglichen Herbeiführungsauftrag formuliert;

· die auf der Grundlage von § 108 Abs. 1 Ziffer 8 NRW-GO in Verbindung mit §§ 285 und 286 HGB bereits jetzt für kommunale Unternehmen in privater Rechtsform (AG, GmbH) bestehende kollektivierte Offenlegungspflicht zu präzisieren und zu einer individualisierten Offenlegungspflicht weiterzuentwickeln;

· in den Entwurf zur Novellierung des nordrhein-westfälischen Sparkassengesetzes eine Regelung zur individualisierten Offenlegungspflicht der Vorstandsgehälter sowie eine Regelung zur individualisierten Offenlegungspflicht in Bezug auf die Vergütungen der Verwaltungsratsmitglieder einzufügen;

· sich durch seine VertreterInnen in der Gewährträgerversammlung für eine Weiterentwicklung des Public Corporate Governance Kodex der NRW.Bank einzusetzen mit dem Ziel, die praktizierte quasi-individualisierte Offenlegung in eine individualisierte Offenlegung umzuwandeln, bei der neben den Bezügen des Vorstandsvorsitzenden auch die Bezüge der beiden anderen Vorstandsmitglieder singulär ausgewiesen werden;

· ihm einen Entwurf zur Novellierung des "Gesetzes über den Westdeutschen Rundfunk Köln" (WDR-Gesetz) vorzulegen mit dem Ziel, hier eine Regelung zur individualisierten Offenlegungspflicht des Intendantengehaltes zu verankern.