Patentanmeldung - Patentverwertung - Patentmanagement: Strukturen gezielt weiterentwickeln und so den Innovationsstandort NRW stärken

Patente stehen für Innovationsfähigkeit und Innovationen. Insofern ist es bedenklich, dass der aktuell vom RWI vorgelegte Innovationsbericht 2007 NRW gerade in diesem Bereich deutliche Schwächen attestiert. Vor dem Hintergrund der in einer globalisierten Welt höheren Innovationsgeschwindigkeit darf es die Landesregierung nicht versäumen, die in der letzten Legislaturperiode erfolgreich vorgenommenen Weichenstellungen zur Förderung des Patentgeschehens konzeptionell weiterzuentwickeln und durch neue Instrumente zielwirksam zu ergänzen. Nur unter dieser Prämisse wird NRW seine Innovationspotenziale ausschöpfen können.

I. Patente als wichtiger volkswirtschaftlicher Innovationsindikator Patente sind von einer staatlichen Einrichtung - in Deutschland vom Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) - erteilte und geprüfte Schutzrechte, die ihren InhaberInnen das Recht verleihen, Dritte von der gewerblichen Nutzung einer bestimmten technischen Neuerung räumlich und zeitlich befristet auszuschließen. Rechtssystematisch begründen Patente ein Verbietungsrecht, mit dem die PatentinhaberInnen zwar ihre Erfindungsleistung vor einem Drittzugriff schützen, aus dem sie aber nicht zwangsläufig ein unbeschränktes eigenes Nutzungsrecht ableiten können. So ist es denkbar, dass die PatentinhaberInnen für die Nutzung ihrer Patente die Lizenz für ein anderes Patent benötigen, da ihre Patente auf eben dieses aufsetzen oder mit diesem unmittelbar verknüpft sind.

Patente symbolisieren den technologischen Fortschritt und sind somit ein wichtiger Indikator für die Innovationsfähigkeit einer Volkswirtschaft. Diese offenbar simple Gleichung beruht allerdings auf einem durchaus komplexen Wirkungszusammenhang. Evident ist, dass ErfinderInnen bzw. Unternehmen ohne ein klar definiertes Verwertungsprivileg mit Nutzungs- und Zugangsbeschränkungen für Dritte der Anreiz fehlen würde, die intellektuellen, zeitlichen und finanziellen Ressourcen einzusetzen, ohne die eine Erfindung nicht realisiert werden kann.

Mit Blick auf die gesellschaftliche Innovationsdynamik insgesamt ist jedoch eine möglichst schnelle Diffusion des neuen Wissens wichtig, da nur unter dieser Prämisse hierauf aufsetzende Anschlusserfindungen entwickelt werden können. Diese beiden Interessenausrichtungen ­ das ökonomische Interesse des einzelnen Innovationsträgers (Anreizfunktion) und das gesamtgesellschaftliche Interesse an einer möglichst breiten Nutzung (Inputfunktion) ­ gilt es, in eine Balance zu bringen. Erst mit der Schaffung eines Rechtsrahmens, der diese beiden Funktionen integriert, können Patente zu einem volkswirtschaftlichen Innovationsmotor werden.

Im Sinne dieses grundlegenden Zusammenhangs von Patenten und Innovationen wird die Frage des Patentgeschehens auch im nordrhein-westfälischen Innovationsbericht 2007, der im letzten Dezember vom RWI vorgelegt wurde, intensiv erörtert. Dabei wird konstatiert, dass

· NRW mit 45 Patentanmeldungen pro 100.000 Einwohner beim DPMA im Jahr 2006 in punkto Patentintensität deutlich hinter Bayern (125) und Baden-Württemberg (113) zurückliegt;

· die Patentintensität im Ruhrgebiet besonders gering ist und signifikant unter dem nordrhein-westfälischen Durchschnitt liegt;

· NRW auch bei den Patentanmeldungen beim Europäischen Patentamt (EPA) gemessen an den Spitzenwerten Bayerns und Baden-Württembergs deutliche Defizite aufweist und bei einem Vergleich auf der Basis der Internationalen Patentklassifikation (IPK) nur im Bereich „Chemie und Hüttenwesen" besser als Bayern und Baden-Württemberg abschneidet;

· NRW bei den EPA-Patentanmeldungen in einzelnen vom RWI identifizierten Zukunftsfeldern sehr wohl einige Stärken besitzt. So stammt das Gros der Anmeldungen in den Bereichen Biotechnologie, Umwelttechnik und Produktionstechnik aus NRW. Zwar wird dies im Zuge einer die Bevölkerungszahl berücksichtigenden und insofern gewichteten Betrachtung ein Stück relativiert, doch liegt NRW auch dann z. B. im Bereich der Biotechnologie im Ranking der Bundesländer mit 66,7 Anmeldungen pro 1 Mio Einwohner hinter Berlin (135,2) und Bayern (73,4), aber vor Baden-Württemberg (63,3) auf Rang 3. Ähnliches gilt auch für den Bereich Umwelttechnik, wo NRW mit 18,5 Anmeldungen pro 1 Mio Einwohner direkt hinter Baden-Württemberg (25,7) und vor Bayern zu finden ist;

· die EPA-Patentintensität NRWs pro 1.000 Forscherinnen und Forscher speziell in den RWI-Zukunftsfeldern überproportional hoch ist und in den Bereichen Biotechnologie, Produktionstechnik, Neue Werkstoffe, Energieeffizienz und Umwelttechnik jene Bayerns und Baden-Württembergs teilweise deutlich übersteigt;

· NRW bei den im Jahr 2006 von Hochschulen beim DPMA vorgenommenen Patentanmeldungen mit 12,7 % hinter Sachsen (16,4 %) und vor Baden-Württemberg (12,6 %) und Bayern (10,4 %) auf Position 2 im Bundesländervergleich rangiert.

Die im Vergleich zu Bayern und Baden-Württemberg geringere Patentintensität NRWs ist nicht überraschend, da die Konzerne Daimler, Siemens und BMW ihre Forschungszentralen in Baden-Württemberg bzw. Bayern haben und zudem die FuE-intensiven Branchen Maschinenbau und Fahrzeugtechnik in diesen beiden Bundesländern deutlich stärker vertreten sind als in NRW. Besorgniserregend ist jedoch die zunehmende Verfestigung des Rückstands, die nahezu zwangsläufig zu einer Beeinträchtigung der Standortreputation NRWs führen und so speziell mittelständischen Unternehmen die Rekrutierung ihres Führungspersonals erschweren dürfte.

Dabei darf allerdings nicht übersehen werden, dass Patentanmeldungen zwar eine wichtige volkswirtschaftliche Kenngröße darstellen, sie jedoch nur - wie das RWI zu Recht betont - ein "Zwischenindikator" für das Innovationsgeschehen sein können. Da Patentanmeldungen vordringlich einen "Input" abbilden, Innovationen sich aber vordringlich im "Output" und dessen Qualität manifestieren, lassen sich aus ihnen allein keine validen Rückschlüsse auf die tatsächliche Innovationskraft einer Volkswirtschaft ziehen. Der konstitutive Wirkungszusammenhang von Erfindung und Innovation erschließt sich letztlich erst dann, wenn ein durch Anmeldung abgesichertes Patent auch einer konkreten Verwertung zugeführt wird.

II. Patentanmeldung und ­verwertung durch KMUs

Das Gros der Patentanmeldungen beim DPMA erfolgt durch Unternehmen, wobei große Industriekonzerne wie Siemens, Daimler und Bosch eindeutig dominieren. Auf kleine und mittlere Unternehmen (KMU) entfallen laut Schätzung des DPMA lediglich 20 % der Patentanmeldungen.

Bereits aus dieser Relation lässt sich ablesen, dass eine Patentanmeldung für KMUs kein selbstverständlicher Vorgang darstellt. So ist eine Patentanmeldung für viele KMUs bereits aus quantitativer Sicht eine immense Herausforderung, da sie sich allein beim DPMA mit einem Bestand von ca. 400.000 gültigen Patenten konfrontiert sehen und ohne Assistenz zumeist überhaupt nicht in der Lage sind, die entsprechenden Datenbanken mit der von ihnen entwickelten Neuerung abzugleichen. Hinzu kommen die nicht unerheblichen Kosten einer Patentanmeldung und die Angst, im Zuge einer Patentierung ggf. doch zu viel des eigenen Wissens preiszugeben.

Und auch in der Phase der Patentverwertung müssen KMUs mit Schwierigkeiten rechnen.

Dabei kann selbst eine ausschließlich unternehmensinterne Nutzung der Erfindung Probleme aufwerfen, wenn sich die entwickelte Neuerung nicht reibungslos in den Produktionsprozess und die anhängigen Verfahrensabläufe integrieren lässt. Nicht unterschätzt werden darf überdies der logistische und finanzielle Aufwand, um etwaige Schutzrechtsverletzungen nachzuweisen und juristisch zu verfolgen.

Vor diesem Hintergrund hat die Bundesregierung in Kooperation mit dem Institut der deutschen Wirtschaft bereits im Jahr 2000 das Programm INSTI (= Innovationsstimulierung) aufgelegt und so den Aufbau eines diesbezüglichen Beratungsnetzwerks angestoßen, dem in NRW neben fünf weiteren Einrichtungen auch die Aachener AGIT angehört. Ziel von INSTI ist es, Unternehmen und ExistenzgründerInnen über bestimmte Dienstleistungsangebote in die Lage zu versetzen, innerbetriebliche Innovationsprozesse professionell zu planen, zu organisieren und abzuwickeln. Zu den dabei vorgehaltenen Fördermodulen zählt u. a. die "INSTI-KMU-Patentaktion", in deren Rahmen Patentrecherchen, Schutzrechtsberatungen und ­ seit einer Programmerweiterung im Jahr 2005 ­ auch die Entwicklung von Verwertungsstrategien bezuschusst werden.

III. KMUs auf dem Weg von der Patentverwaltung zum Patentmanagement

Im Zuge immer kürzerer Innovationszyklen und einer nahezu exponentiellen Akkumulation von Wissen haben sich auch die unternehmerischen Optionen zur Nutzung von Patenten nachhaltig verändert. Patente sind zunehmend nicht länger nur simple Schutzrechte, die es lediglich mehr oder weniger passiv zu verwalten gilt, sondern strategische Assets, deren Verwertungsqualität über eine unternehmensinterne Anwendung der patentierten Erfindung deutlich hinausreicht.