Errichtung einer industriellen Hähnchenmastanlage mit 160.000 Mastplätzen in Vettweiß-Müddersheim (Kreis Düren)

In unmittelbarer Nachbarschaft zur Ortschaft Müddersheim in der Gemeinde Vettweiß im Kreis Düren, direkt an der Grenze zum Rhein-Erft-Kreis plant ein Investor die Errichtung einer industriellen Hähnchenmastanlage. Ein entsprechender Genehmigungsantrag wurde bei der Bezirksregierung Köln gestellt. Infolge der Kommunalisierung der Umweltverwaltung ist seit dem 01.01.2008 der Landrat des Kreises Düren für die Genehmigung der Anlage zuständig.

Die Anlage soll 160.000 Mastplätze umfassen und auf bisher ackerbaulich genutzten Flächen errichtet werden. Der anfallende Kot soll auf umliegenden Äckern entsorgt werden.

Mit standortgerechter und angepasster Landwirtschaft hat eine derartige Massentierhaltung unbestreitbar nichts zu tun. Die Region ist ackerbaulich geprägt. Nutztierhaltung findet bisher nur in vergleichsweise geringem Umfang statt.

Alle anerkannten Tierschutzverbände kritisieren derartige Massentierhaltungen zum Zwecke der profitorientierten Billigfleischproduktion als nicht mit den Standards einer artgerechten Tierhaltung vereinbar. So können bis zu 30 Tiere (42 kg Lebendgewicht) pro Quadratmeter in geschlossenen Ställen gehalten werden. Die Folgen dieser Haltungsbedingungen für die Tiere sind schwerste Gesundheits- und Entwicklungsschäden, Verhaltensstörungen, Kannibalismus usw.

In der Gemeinde Vettweiß und im benachbarten Erftstadt haben sich bereits mehrere tausend Bürgerinnen und Bürger per Unterschrift gegen die Errichtung der Hähnchenmastanla ge ausgesprochen. Eine Bürgerinitiative wurde gegründet. Die Menschen befürchten Belästigungen und negative Gesundheitsfolgen durch Emissionen der Anlage. In der Region sind in der Vergangenheit bereits erhebliche Belästigungen durch aus Massentierhaltungen (u. a. aus den Niederlanden) importierten und auf Ackerflächen ausgebrachten Tierkot entstanden, z. B. in Form von regelrechten „Fliegenplagen".

Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung:

1. Welche Begründung gibt es ggf. für eine baurechtrechtliche Privilegierung einer industriellen Hähnchenmastanlage mit 160.000 Mastplätzen auf Flächen, die gemäß Bauleitplanung der Landwirtschaft vorbehalten sind?

2. In welchen Orten in NRW werden derzeit bereits Hähnchenmastanlagen mit mehr als 10.000 Mastplätzen betrieben bzw. sind derzeit Genehmigungsanträge zum Betrieb solcher Anlagen gestellt?

3. Welche Position vertritt die Landesregierung zu der von der Bundesregierung auf EUEbene in 2006 durchgesetzten Erhöhung der Besatzdichten auf bis zu 42 kg (ca. 30

Tiere) pro Quadratmeter Stallfläche bei Hähnchenmastanlagen?

Antwort des Ministers für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz vom 8. April 2008 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Innenminister und dem Minister für Bauen und Verkehr:

Zur Frage 1:

Grundsätzlich gilt, dass im planungsrechtlichen Außenbereich Hähnchenmastanlagen gemäß § 35 Abs. 1 Nr. 1 Baugesetzbuch (BauGB) zulässig sein können, wenn sie Teil eines landwirtschaftlichen Betriebes sind. Tierhaltung - hierunter fallen auch Mastanlagen - unterfällt dann dem Landwirtschaftsbegriff des § 201 BauGB, wenn die Tiere überwiegend durch Futter ernährt werden, das auf den zum Betrieb gehörenden landwirtschaftlich genutzten Flächen erzeugt werden kann. Sofern die Privilegierung nach Nr. 1 wegen einer überwiegend fremden Futterbasis ausscheidet, können Geflügelzuchtbetriebe wegen der von ihnen hervorgerufenen Immissionen und damit „wegen ihrer nachteiligen Wirkung auf die Umgebung" nach § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB im Außenbereich zulässig sein.

Im vorliegenden Fall ist zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Gerüche nach Ziffer 5.4.7.1 der Technischen Anleitung zur Reinhaltung der Luft ein Mindestabstand zur nächsten Wohnbebauung von ca. 400 m einzuhalten. Dieser Wert schließt eine Realisierung des Vorhabens innerhalb eines Industriegebietes aus.

Zur Frage 2:

Da Anlagen zum Halten oder zur Aufzucht von Mastgeflügel gemäß Nr. 7.1, Buchstabe c des Anhangs der Verordnung über genehmigungsbedürftige Anlagen (4.BImSchV) ab 30. oder mehr Mastgeflügelplätzen genehmigungsbedürftig sind, stehen der Landesregierung entsprechende Daten nur für diese Anlagen zur Verfügung.

14. Juni 2007 mit Mindestvorschriften zum Schutz von Masthühnern EU-weit einheitlich vorgegeben. Nach Artikel 3 Abs. 2 darf grundsätzlich eine Bestanddichte von 33 kg Lebendgewicht pro m2 nicht überschritten werden. In begründeten Ausnahmefällen lässt die EGEntscheidung in einer abgestuften Kriterienkaskade jedoch auch höhere Besatzdichten bis zu 42 kg/ m2 zu, sofern bestimmte Anforderungen erfüllt sind. Auf Bund-Länder-Ebene finden hierzu gegenwärtig Abstimmungsgespräche statt. Bei der Ausgestaltung dieser besonderen Anforderungen werden auch die seinerzeit vereinbarten bundeseinheitlichen freiwilligen Vereinbarungen mit der Geflügelwirtschaft zur Haltung von Jungmasthühnern (Broiler, Masthähnchen) berücksichtigt. Darin hat man sich darauf verständigt, dass der Tierhalter die Besatzdichte grundsätzlich so planen sollte, dass in der Endphase der Mast 35 kg Lebendgewicht pro m2 nutzbare Stallfläche möglichst nicht überschritten werden. Dieser Wert wäre für Nordrhein-Westfalen auch in der Richtlinie als einheitliche Vorgabe akzeptabel gewesen.