Untersagt die Landesverfassung die Abschaffung der Eigenleistung bei Ersatzförderschulen mit dem Schwerpunkt Geistige Entwicklung?

Die Eigenleistung der Ersatzförderschulen liegt in Nordrhein-Westfalen bei elf Prozent. Sie kann im Falle von Eigentümerschulen, die auch das Inventar stellen, auf zwei Prozent reduziert werden. Bis dato vertrat die Landesregierung die Auffassung, eine weitere Reduzierung der Eigenleistung sei aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht möglich.

Die Arbeitsgemeinschaft der heilpädagogischen Schulen auf anthroposophischer Grundlage hat nun ein Gutachten der Kanzlei Barkhoff & Partner vorgelegt, das sich speziell mit der Situation der Ersatzförderschulen mit dem Schwerpunkt Geistige Entwicklung befasst. Dieses kommt zu dem Ergebnis, dass eine Herabsetzung der Eigenleistung für Ersatzförderschulen GE auf Null mit dem Grundgesetz und der Landesverfassung sehr wohl vereinbar sei. Das Gutachten wurde der Landesregierung von der Arbeitsgemeinschaft der heilpädagogischen Schulen zur Verfügung gestellt.

Der Eigenleistungssatz für Förderschulen ist in Nordrhein-Westfalen nicht nach Behinderungsarten differenziert. Die Schüler-Lehrer-Relation an den Ersatzförderschulen ist allerdings unterschiedlich. Für Ersatzförderschulen mit dem Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung in Elternträgerschaft bedeutet dies eine überproportionale Belastung der Eltern, da vergleichbare Ausgaben auf weniger Schultern verteilt werden müssen. Durch die Gleichbehandlung ungleicher Schulen ergibt sich damit eine Benachteiligung von Eltern, die aufgrund ihrer persönlichen Lebenssituation häufig sowieso schon mit besonderen Schwierigkeiten zu kämpfen haben.

Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung:

1. Wie bewertet die Landesregierung die Ergebnisse des Gutachtens der Kanzlei Barkhoff & Partner im Einzelnen?

2. Auf welcher verfassungsrechtlichen Grundlage fühlt sich die Landesregierung zur Beibehaltung der Eigenleistung im Falle der Ersatzförderschulen GE in Elternträgerschaft verpflichtet?

3. Erkennt die Landesregierung an, dass Förderschulen mit dem Schwerpunkt Geistige Entwicklung in Elternträgerschaft die involvierten Eltern im Vergleich zu Förderschulen mit anderen Förderschwerpunkten in Elternträgerschaft stärker belasten müssen, um ihre Existenz abzusichern?

4. Warum können andere Bundesländer darauf verzichten, von Ersatzförderschulen mit dem Schwerpunkt Geistige Entwicklung eine Eigenleistung einzufordern, Nordrhein Westfalen aber nicht?

5. Was wird die Landesregierung unternehmen, um die Eigenleistung der Ersatzförderschulen GE zu senken?

Antwort der Ministerin für Schule und Weiterbildung vom 29. April 2008 namens der Landesregierung:

Zu den Fragen 1 bis 4:

Aus dem Kurzgutachten der Kanzlei Barkhoff & Partner vom 12.07.2007 ergeben sich keine neuen Gesichtspunkte oder Handlungsnotwendigkeiten.

Die Höhe des Landeszuschusses bemisst sich nach den tatsächlichen Ausgaben des Ersatzschulträgers für seine jeweilige Schule, die grundsätzlich bis zur Höhe der Aufwendungen vergleichbarer öffentlicher Schulen anerkannt werden. Dieses in Nordrhein-Westfalen praktizierte einzigartige Defizitdeckungsprinzip stellt damit auf die - bei Förderschulen bis zu 98 v. H. refinanzierten - tatsächlich notwendigen Personal- und Sachausgaben der ErsatzFörderschule ab; mehr kann aufgrund des Privatschulcharakters nicht gefordert werden. Angesichts dessen sind globale Ländervergleiche mit dortigen Kostenpauschalen nur für Personalkosten an Förderschulen nicht stichhaltig.

Es ist in ständiger Rechtsprechung anerkannt, dass jeder Ersatzschulträger eine angemessene Eigenleistung erbringen muss und nicht vom allgemeinen unternehmerischen Risiko freizustellen ist. Insoweit verdeutlicht bereits der in der Landesverfassung verbriefte Anspruch auf die erforderlichen "Zuschüsse", dass die staatliche Ersatzschulfinanzierung begriffsnotwendig einen gewissen Eigenanteil des Ersatzschulträgers voraussetzt. Eine staatliche Vollfinanzierung von Schulen in freier Trägerschaft kann es also nicht geben. Dies gilt auch für Schulen in Eltern-Trägerschaft.

Aus dem Umstand, dass hinter Eltern-Vereinen als Träger keine finanzkräftige Institution steht, ergibt sich kein Anspruch auf höhere Landeszuschüsse. Ist ein Schulträger zur Erbringung der Eigenleistung deswegen nicht in der Lage, weil er "arm" gegründet wurde und einkommenslos geblieben, also ohne solide wirtschaftliche Existenzbasis ist, gilt dennoch die Regeleigenleistung nach der Rechtsprechung als zumutbar. Ein Schulträger, der eine Schule errichtet oder fortführt, obwohl der Schule auch unter Berücksichtigung ihrer Ansprüche auf die Landeszuschüsse gemäß §§ 105 ff SchulG mangels eigener wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit des Schulträgers und anderweitiger Hilfsquellen die Existenzgrundlage fehlt, wäre vielmehr wirtschaftlich unzuverlässig i. S. des § 101 Abs. 5 Satz 2 SchulG.

Der für die Ersatzschulen aller Schulformen gleiche Vomhundertsatz der Regeleigenleistung verstößt nicht gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG, weil sich die Bezuschussung der fortdauernden Ausgaben sowohl hinsichtlich der Sach- als auch der Personalkosten gemäß § 105 Abs. 1 SchulG nach der Höhe der Aufwendungen vergleichbarer Schulen richtet und sich somit verfassungskonform an der für das Gleichwertigkeitsgebot maßgeblichen Ausge- staltung und Differenzierung des öffentlichen Schulwesens orientiert.

Zur Frage 5:

Angesichts der mit dem Schulgesetz bereits eingeleiteten Absenkung der Eigenleistung für Förderschulen auf das gesetzliche Minimum ist eine weitere Senkung der Eigenleistung rechtlich nicht möglich.

Der Gesetzgeber hat Ende der letzten Legislaturperiode - einem Antrag der damaligen Regierungsfraktionen von SPD und GRÜNEN folgend - zu der gemäß §§ 106 Abs. 5 und 132 Abs. 8 SchulG stufenweise eingeführten Absenkung der Eigenleistung um insgesamt 4 Prozentpunkte ausdrücklich konstatiert, dass damit "das absolute Minimum des von allen Ersatzschulträgern nach der Verfassung zu fordernden finanziellen Eigenengagements" erreicht sei (Beschlussempfehlung und Bericht zur 2. Lesung des Schulgesetzentwurfs LTDrs. 13/6358, siehe dort Anlage 3, S. 21 f).

Danach ist die gesetzliche Eigenleistung für Förderschulen sukzessive reduziert worden

· auf 2 v. H. für Eigentümerschulen (11 v. H. abzgl. 7 v. H. Anrechnung für die Gestellung des Schulgebäudes und 2 v. H. für die Gestellung des Inventars) bzw. · auf 9 v. H. für Mieterschulen (11 v. H. abzgl. 2 v. H. Anrechnung für Gestellung des Inventars); dafür wird für das Schulgebäude anstelle der 7 v.H.-Anrechnung die - teurere ortsüblich angemessene Immobilienmiete refinanziert (§ 109 Abs. 2 SchulG) - 9 v. H. Eigenleistung sind mithin für Mieterschulen das finanzielle Äquivalent zur 2 %-igen Eigenleistung der Eigentümerschulen.

Das besondere Engagement der Förderschulen in freier Trägerschaft wird ferner bereits über den Grundsatz der finanziellen Gleichbehandlung mit öffentlichen Schulen hinaus auch dadurch finanziell gewürdigt, dass die Schülerfahrkosten hier nicht lediglich bis zur nächstgelegenen öffentlichen oder privaten Schule, sondern bis zur besuchten Förderschule anerkannt und vom Land ohne Eigenleistung des Ersatzschulträgers refinanziert werden.

Ferner erhalten Waldorfförderschulen - wie die Troxler-Schule Wuppertal e. V., in deren Auftrag das besagte Kurzgutachten erstellt wurde - in Nordrhein-Westfalen als Ersatzschulen eigener Art gemäß § 100 Abs. 6 SchulG einen Stellenzuschlag in Höhe von 10 v. H. ihres Grundstellensolls in der Sekundarstufe I. In § 1 Abs. 4 der Ersatzschulfinanzierungsverordnung und in Nr. 1.3.2 der diesbezüglichen Verwaltungsvorschriften ist zudem klargestellt worden, dass Beiträge der Trägereltern und -lehrer zur Aufbringung der Eigenleistung zuschussunschädlich vereinnahmt werden können