Gewässerbelastung durch Angelblei in NRW ­ Was tut die Landesregierung?

Laut einer Studie der Europäischen Kommission gehen jedes Jahr in den Gewässern der Europäischen Union mehrere Tausend Tonnen an Angelblei verloren. Auf diese Weise findet Blei gelöst als hochgiftige Schwermetallverbindungen Eingang in den ökologischen Kreislauf.

In der Tschechischen Republik, Ungarn und dem Vereinigten Königreich beträgt der Jahresbedarf pro Angler durchschnittlich 250 g. Veranschlagt man für die Bundesrepublik Deutschland einen ähnlichen Verbrauch, wären dies bei 3,3 Mio. Hobbyanglern mehr als 800 Tonnen. Es ist davon auszugehen, dass die Gewässer in Nordrhein-Westfalen zu einem nennenswerten Anteil davon betroffen sind. Zum Vergleich: Der Jahreseintrag anderer Quellen in Gewässer ist in Deutschland von 900 t im Jahr 1985 auf 300 t im Jahr 2000 zurückgegangen.

Offensichtlich schätzt aber das Ministerium für Umwelt, Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz die Belastung durch Angelblei überraschenderweise als „unbedeutend" ein.

Seit einiger Zeit sind bleifreie Wurfgewichte am Markt erhältlich. Vertreter von Fischereiverbänden betrachten diese neuen Produkte als bezahlbare, praktikable Alternativen zu den herkömmlichen Bleigewichten.

Die Verordnung über die Fischerprüfung NRW schreibt jedoch nach wie vor die Verwendung von Bleigewichten vor. Andere Länder setzen bezüglich des Rechtsrahmens für Angel- und Jagdsport im Vergleich zu Deutschland einen höheren ökologischen Standard. In Dänemark ist beispielsweise das Angeln mit Bleigewichten gänzliche untersagt. In Großbritannien gibt es Gewichtsgrenzen für Bleimunition und Bleigewichte. In Deutschland gibt es derartige Regelungen bisher nicht.

Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung:

1. Wie beurteilt die Landesregierung die Notwendigkeit von Maßnahmen zum Ersatz bleihaltiger durch bleifreie Wurfgewichte, vor dem Hintergrund sowohl der Gesundheitsgefahr für Angelsportler durch direkten Kontakt, als auch des Beitrags von Angelblei zur Gewässerverunreinigung?

2. Vor dem Hintergrund welcher Datenlage schätzt die Landesregierung die Gewässerbelastung durch Angelblei als „unbedeutend" ein?

3. Wie beurteilt die Landesregierung die Notwendigkeit angesichts des lückenhaften Datenmaterials die Notwendigkeit NRW-bezogener Untersuchungen bezüglich der Schadwirkungen von Angelblei?

4. Warum weist die Landesregierung angesichts der bekannten Umweltbelastung durch Blei in der Fischerprüfungsverordnung NRW nicht auf bleifreie Wurfgewichte hin, bzw. schreibt die Nutzung entsprechenden Unterrichtsmaterialien vor?

5. Wie beurteilt die Landesregierung die Notwendigkeit einer EU-weiten Regelung zur Einschränkung der Verwendung bzw. zum Verbot von Jagd- und Angelblei?

Antwort des Ministers für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz vom 2. Mai 2008 namens der Landesregierung:

Die Kleine Anfrage geht von verschiedenen Annahmen aus. Zur Klarstellung werden der Beantwortung der Kleinen Anfrage folgende Informationen vorweg gestellt:

1. Durch die geringe Wasserlöslichkeit ist davon auszugehen, dass der Eintrag von Angelblei über die Wasserphase keinen messbaren Effekt auf Gewässer, die dort lebenden Organismen oder den Menschen hat.

2. Die Belastung der Gewässer in Deutschland lag nach Angaben des Umweltbundesamt im Jahr 2000 insgesamt bei 300 Tonnen. Ggf. bestehende Belastungen durch gelöstes Angelblei sind in diesen Abschätzungen enthalten; sie stellen nur einen im Vergleich zu anderen Eintragspfaden geringen Anteil des Eintrags dar. Ursache für punktuell auftretende Bleibelastungen sind nach bisherigen Erkenntnissen der frühere Erzbergbau bzw. Siedlungsbelastungen, u.a. aus dem früheren Einsatz von bleihaltigem Kraftstoffen. Eine genauere Ursachenanalyse und die Ableitung von punktuell notwendigen Minderungsmaßnahmen ist Gegenstand der aktuell stattfindenden Bewirtschaftungsplanung nach der Wasserrahmenrichtlinie.

3. Die Absatzmenge von Angelblei in Deutschland wird vom Umweltbundesamt auf 90 t/a (2004) beziffert. Für die Niederlande wird geschätzt, dass dort jährlich 12 t Angelblei verloren gehen. Der in der Anfrage dargelegte Wert von 800 Tonnen verloren gehendes Angelblei scheint nicht plausibel.

4. Die Aussage, dass bleifreie Wurfgewichte von Vertretern der Fischereiverbände als bezahlbare, praktikable Alternative zu herkömmlichen Bleigewichten gesehen werden, wird vom Fischereiverband NRW nicht geteilt.

Alternativ zu Bleigewichten können Gewichte aus Zinn, Stahl, rostfreiem Stahl, Wolfram, Glas, Ton, Wachs bzw. Kitt und speziellen Kunststoffen benutzt werden. Blei wird v. a. wegen seines hohen spezifischen Gewichts, seiner Verfügbarkeit und seines günstigen Preises verwendet. Weitere Vorteile von Blei sind hohe Plastizität, leichtere Handhabung und eine geringere Schädigung der Angelschnüre. Aus diesen Gründen konnten sich Alternativen im Handel nicht bewähren und werden z. T. nur noch selten angeboten.

Zur Frage 1:

Der Landesregierung liegen keine Hinweise dafür vor, dass für Angelsportler durch direkten Kontakt mit bleihaltigen Wurfgewichten Gesundheitsgefahren bestehen.

Hinweise auf einen Beitrag von Angelblei zur Gewässerverunreinigung liegen nicht vor. Die Gewässer in Nordrhein-Westfalen enthalten nur punktuell Bleibelastungen in einer Höhe, die auf EU-Ebene wissenschaftlich abgeleitete Umweltqualitätsnormvorschläge1 überschreiten.

Die Notwendigkeit zum Ersatz bleihaltiger Wurfgewichte durch bleifreie Wurfgewichte lässt sich aus der Vermutung von Gesundheitsgefahren nicht ableiten.

Zur Frage 2:

Zur Beurteilung der Gewässerbelastung durch Blei wird auf 150 Sedimentuntersuchungen und auf mehr als 700 aktuelle Messergebnisse des Gewässermonitorings nach Gewässerbestandsaufnahme-, Einstufungs- und Überwachungsverordnung (GewBEÜV) zurückgegriffen. Die Ergebnisse lassen nicht erkennen, dass Angelblei für punktuell festgestellte Gewässerbelastungen ursächlich ist.

Zur Frage 3:

Das vorliegende Datenmaterial zur Belastung von Wasser, Sedimenten und Fischen mit Blei wird in Verbindung mit vorhandenem Fachwissen von der Landesregierung nicht als lückenhaft eingeschätzt. Die Notwendigkeit NRW-bezogener Untersuchungen bezüglich der Schadwirkungen von Angelblei wird nicht gesehen.

Zur Frage 4:

Obwohl sich Alternativen zu Bleigewichten im Handel nicht bewährt haben, soll dennoch bei der nächsten Überarbeitung der Fischerprüfungsordnung auch die mögliche Verwendung bleifreier Gewichte in die Fischerprüfung aufgenommen werden. Im übrigen können auch schon jetzt bleifreie Gewichte in Vorbereitungslehrgängen der Fischerprüfung verwendet werden.

Gemeinsamer Standpunkt zur „Richtlinie über Umweltqualitätsnormen im Bereich der Wasserpolitik und zur Änderung der Richtlnie 2000/60/EG

Zur Frage 5:

Für eine EU-weite Regelung zur Einschränkung der Verwendung bzw. zum Verbot von Jagdblei gibt es keine Notwendigkeit, da der Bund und die Länder Empfehlungen bzw. gesetzliche Beschränkungen zur Verwendung von Jagdblei erlassen haben. NRW hat dies 2002 mit der Verordnung über die Beschränkung der Verwendung von Bleischrot bei der Jagdausübung (SGV. NRW. 792) erlassen.

Eine EU-weite Regelung zur Einschränkung der Verwendung von Angelblei kann sich möglicherweise zukünftig aus der Umsetzung einer bisher nicht verabschiedeten Richtlinie über „Umweltqualitätsnormen in der Wasserpolitik" ergeben. Dort ist vorgesehen, Blei als prioritären gefährlichen Stoff einzustufen. Für prioritäre gefährliche Stoffe verlangt die EGWasserrahmenrichtlinie Einleitungen, Emissionen und Verluste entsprechend zu beenden oder schrittweise einzustellen. In dem Fall wäre die Verwendung von Angelblei mittelfristig in Frage gestellt.

Es bleibt den weiteren Entscheidungen auf europäischer Ebene vorbehalten, ob diese Forderung auch dann erhoben wird, wenn die ansonsten geltenden Umweltqualitätsnormen eingehalten werden. Dies ist in NRW jedenfalls nach derzeitiger Kenntnis der Fall und ergibt damit keinen Handlungsbedarf.