Rechtsweg bei Prüfungsfragen im Studium

Studierenden bleibt der Rechtsweg bei Prüfungsfragen, insbesondere bei strittigen letztmaligen Wiederholungen, faktisch verwehrt. Für ein hierfür notwendiges Hauptsacheverfahren vor einem Verwaltungsgericht gibt es in der Regel eine Wartezeit von bis zu vier Jahren.

Vorbemerkung der Ministerin für Wissenschaft und Kunst: Ausgangspunkt der Kleinen Anfrage ist die Besorgnis, dass Studierende, die gegen eine Prüfungsentscheidung den Rechtsweg beschreiten, wegen der Dauer des Widerspruchsverfahrens und des anschließenden verwaltungsgerichtlichen Verfahrens faktisch keinen Rechtsschutz genießen, wenn dieses Verfahren mehrere Jahre dauert. Denn nach einem mehrjährigen Verfahren ist es für den Betreffenden außerordentlich schwierig, sich wieder in den Studien- und Prüfungsbetrieb an einer Hochschule hineinzufinden.

Dazu ist anzumerken, dass es inzwischen bei allen Hochschulen vielfache Beratungsmöglichkeiten bei Studien- und Prüfungsfragen für Studierende gibt, die von diesen jederzeit genutzt werden können, insbesondere auch dann, wenn sie sich in einem Prüfungsverfahren befinden. Es gibt zum einen die allgemeine Studienberatung, die bei dem jeweiligen Präsidium einer Hochschule angesiedelt ist, es gibt das Studentensekretariat, es gibt die Fachbereichs-Studienberatung im jeweiligen Dekanat, und es gibt die Beratung bei den einzelnen Prüfungsämtern. Schließlich bieten auch die Studentenschaften (Allgemeiner Studentenausschuss) und die Fachschaften - zumindest an einigen Hochschulen - eine Studienberatung an.

Neben diesen Beratungsmöglichkeiten innerhalb einer Hochschule kann man sich auch durch Anwaltsbüros beraten lassen, und es besteht die Möglichkeit, sich im Rahmen eines Verwaltungsstreitverfahrens durch einen Rechtsanwalt vertreten zu lassen.

Diese umfangreichen Beratungsmöglichkeiten haben mit dazu geführt, dass nur relativ wenige Verwaltungsverfahren sowie Verwaltungsgerichtsverfahren in Prüfungsangelegenheiten stattfinden. Auch die Anzahl der Exmatrikulationen wegen einer endgültig nicht bestandenen Prüfung ist niedrig.

Diese Vorbemerkungen vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage im Einvernehmen mit dem Minister der Justiz wie folgt:

Frage 1. Wie viele Studierende werden wegen einer letztmalig nicht bestandenen Prüfung durchschnittlich an der jeweiligen Hochschule pro Jahr exmatrikuliert?

Die von den Hochschulen zu erhebenden Daten im Rahmen des Hochschulstatistikgesetzes weisen die Exmatrikulation von Amts wegen aufgrund einer nicht bestandenen Prüfung nicht gesondert aus. Im Sommersemester 2001 betrug die Gesamtzahl der Exmatrikulationen von Amts wegen an hessischen Hochschulen 4.891. Diese Zahl umfasst auch die in § 69 Abs. 2 Nr. 2 bis 5

HHG genannten Exmatrikulationsgründe (s. Anlage).

Selbst wenn es sich bei dieser Zahl überwiegend um solche Studierenden handeln sollte, die ihre Prüfung nicht bestanden haben, ist diese Zahl wenig aussagekräftig, denn die meisten Studierenden, die in einer Prüfung scheitern, exmatrikulieren sich bereits zu einem Zeitpunkt, an dem das Scheitern der Prüfung erkennbar ist, das Prüfungsverfahren aber noch nicht formal abgeschlossen ist, oder sie wechseln den Studiengang oder die Hochschule.

Aber auch dann, wenn sich diese Studierenden von sich aus exmatrikulieren, geben sie nur selten die nicht bestandene Abschlussprüfung als Exmatrikulationsgrund an, wie sich aus Spalte 8 der Statistik ergibt.

Frage 2. Wie viele Studierende legen pro Jahr durchschnittlich gegen den Zwangsexmatrikulationsbescheid (aufgrund einer letztmalig nicht bestandenen Prüfung) beim Prüfungsamt ihrer Hochschule Widerspruch ein?

Frage 3. Wie hoch ist die Zahl der Studierenden, die den Klageweg beschreiten, um die Entscheidung des Prüfungsamtes (aufgrund einer letztmalig nicht bestandenen Prüfung) gerichtlich überprüfen lassen?

Wenn ein Prüfungskandidat gegen das Nichtbestehen der Prüfung Widerspruch einlegt, hat dieser Widerspruch aufschiebende Wirkung mit der Folge, dass das Prüfungsverfahren formal noch nicht beendet ist. Erst dann, wenn gegen das Nichtbestehen der Prüfung kein Rechtsmittel mehr möglich ist, melden die Prüfungsämter den Fall dem Studentensekretariat, das sodann die Exmatrikulation vornimmt. Widersprüche gegen die Exmatrikulation mit der Begründung, das Prüfungsverfahren sei nicht beendet, gibt es daher nicht.

Nach Mitteilung der Hochschulen bzw. der Prüfungsämter wird die Zahl derjenigen, die gegen das Nichtbestehen der Prüfung Widerspruch einlegen, auf in aller Regel deutlich unter 1 v.H. der Prüfungsfälle geschätzt. Bei einzelnen Prüfungsämtern wird ein Wert bis zu 2 v.H. angegeben.

Die Technische Universität Darmstadt und das Hessische Ministerium der Justiz, die über ein Prüfungsverwaltungssystem verfügen, konnten über mehrere Jahre hinweg die konkreten Zahlen ermitteln. Sie lauten: TU Darmstadt Anzahl der Prüfungen pro Jahr: ca. 16.000 (Vorprüfungen, Zwischenprüfungen, Diplomprüfungen und Magisterprüfungen) Widersprüche insgesamt Rücknahme des Widerspruchs.

Aus der Aufstellung ergibt sich, dass eine ganze Anzahl der Verfahren mit dem Abschluss des Widerspruchsverfahrens sein Ende findet, sei es, dass dem Widerspruch stattgegeben wird, oder sei es, dass dem Widerspruch nicht stattgegeben wird, der Prüfungskandidat aber den Klageweg nicht mehr beschreitet.

Frage 4. Welche Verfahren werden von der zuständigen Kammer des Verwaltungsgerichts angewandt (Eilverfahren, Hauptsacheverfahren...)?

Es werden sowohl Eilverfahren als auch normale Hauptsacheverfahren angewandt. In einigen Fällen werden die Rechtsfragen auch in einem Antragsverfahren auf Prozesskostenhilfe geklärt. Die Entscheidung über die Verfahrensart trifft der Kläger, also der Prüfungskandidat.

Frage 5. Welche Wartezeiten ergaben sich hierdurch bei den jeweiligen Verwaltungsgerichtsverfahren für die Studierenden, bis ein Urteil in der prüfungsrechtlichen Sache gesprochen wurde?

Die Dauer der Verfahren sind weder bei den Hochschulen noch bei den Verwaltungsgerichten im Einzelnen erfasst. Bekannt ist, dass ein Eilverfahren relativ zügig abgewickelt werden kann.

Aufgrund von Erfahrungen der mit den Rechtsstreitigkeiten befassten Mitarbeiter der Prüfungsämter kann festgestellt werden, dass die Verwaltungsgerichte dann, wenn sie einen Eilantrag oder eine Klage für begründet halten, relativ schnell terminieren oder einen Termin vor dem Einzelrichter anberaumen mit dem Ziel, das Verfahren durch einen Vergleich zu beenden.

Ein Verfahren, das über zwei Instanzen geht, kann dagegen drei bis vier Jahre dauern.

Frage 6. a) Wie beraten die Prüfungsämter einen Studierenden, der einen Zwangsexmatrikulationsbescheid (aufgrund einer letztmalig nicht bestandenen Prüfung) erhalten hat, in Bezug auf Rechtsmittel?

b) Raten sie aufgrund der Verfahrensdauer des Rechtsweges zum Anerkennen des Bescheides bzw. Abbruch des bisherigen Studiums?

Es kann nicht Sache der Prüfungsämter sein, einen Prüfungskandidaten in einer Prüfungsangelegenheit zu beraten, in der das Prüfungsamt selbst Partei ist. Welche Beratungsmöglichkeiten für einen Prüfungskandidaten bestehen, ist in der Vorbemerkung ausführlich dargestellt.

Insgesamt ist festzustellen, dass aufgrund der an den Hochschulen bestehenden Beratungsmöglichkeiten, aber auch durch die Selbstkontrolle im Rahmen der Prüfungsaufsicht, die Anzahl der Widerspruchsverfahren und der sich daran anschließenden Verwaltungsgerichtsverfahren auf wenige Einzelfälle beschränkt bleibt.

Die Landesregierung teilt daher die der Anfrage zugrunde liegende Besorgnis des fehlenden oder verspäteten Rechtsschutzes für Prüfungskandidaten, die ihre Prüfung nicht bestanden haben und die Entscheidung darüber überprüfen lassen wollen, nicht.