Beihilfe muss auch bei nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln der Homöopathie und Anthroposophie gewährt werden

In Presseberichten und im Rahmen von Fachveranstaltungen wird darauf hingewiesen, dass derzeit Beihilfeberechtigten die Gewährung einer Beihilfe bei nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln verweigert wird. Die Beihilfestelle begründet dies damit, dass nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel nach den einschlägigen Beihilfevorschriften (BhV) generell nicht beihilfefähig seien und es sich auch nicht um ein solches Arzneimittel handele, das nach den Arzneimittelrichtlinien der gesetzlichen Krankenversicherungen (AMR) ausnahmsweise verordnet werden dürfe.

In einer Reihe von Verwaltungsgerichtsurteilen wird dem allerdings widersprochen und die Ablehnungspraxis der Beihilfestellen hinsichtlich der Nicht-Erstattung von nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln als nicht gesetzeskonform dargestellt. So gab u. a. das Verwaltungsgericht Aachen einer Klage recht und wies darauf hin, dass der grundsätzliche Ausschluss der Beihilfefähigkeit von nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln schon deshalb nicht mit der Fürsorgepflicht des Dienstherrn vereinbar ist, weil die Anordnung einer Verschreibungspflicht allein auf die Gefährlichkeit des Arzneimittels abstellt, die aus Gründen der Arzneimittelsicherheit eine Beschränkung des Zugangs erfordert. Die Beihilfe stellt aber allein auf die Notwendigkeit und Angemessenheit eines Arzneimittels unter Fürsorgegesichtspunkten ab. Dabei ist es unerheblich, ob das Medikament ärztlich oder durch eine/n Heilpraktiker/in verordnet wird, da nach § 5 Abs. 1 (BhV) Aufwendungen für Heilpraktiker, anders als in der GKV, ausdrücklich beihilfefähig sind.

Des Weiteren wird von den Verwaltungsgerichten auch auf die medizinisch- fachlichen Gründe für die Einnahme von Arzneimitteln der Homöopathie und Anthroposophie abgehoben.

"Wäre bei einer schwerwiegenden Erkrankung (z. B. Multiple Sklerose) ein verschreibungspflichtiges Arzneimittel der Schulmedizin beihilfefähig, kann der Arzt auch Arzneimittel der Homöopathie und Anthroposophie verordnen, die bei den schwerwiegenden Erkrankungen als Therapiestandard in der Therapierichtung angezeigt ist. Die Anerkennung der Beihilfefähigkeit der Arzneimittel der Homöopathie und Anthroposophie ergibt sich in den entsprechend gelagerten Fällen aus einer programmkonformen Auslegung der Beihilferegelungen und einer entsprechenden Anwendung des Rechtsgedankens der Arzneimittelindustrie" (OVG Nds v.17.01.2008).

Deshalb fragen wir die Landesregierung:

1. Inwieweit wird in den Beihilfestellen über die Beihilfefähigkeit von nicht verschreibungspflichtigen Medikamenten informiert?

2. Inwieweit berücksichtigen die Beihilfestellen die oben zitierten Gerichtsurteile?

3. Welche Arzneimittel der Homöopathie und Anthroposophie werden nunmehr von der Beihilfe akzeptiert?

4. Welche Maßnahmen sind seitens des Landes erfolgt, um die Beihilfeberechtigten über die Beihilfefähigkeit bei nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln der Homöopathie und Anthroposophie zu informieren?

Antwort des Finanzministers vom 15. Mai 2008 namens der Landesregierung:

Die beamtenrechtliche Beihilfe stellt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eine Fürsorgeleistung dar, die der Dienstherr in Ergänzung zur Alimentation gewährt. Mit ihr sollen die Beamtinnen und Beamten von Krankheitskosten freigestellt werden, soweit diese nicht aus den mit der Besoldung zur Verfügung gestellten Mitteln getragen werden können. Das Bundesverfassungsgericht hat erst kürzlich bestätigt, dass aus der Fürsorgepflicht nicht folgt, dass die durch Krankheitsfälle entstandenen Aufwendungen lückenlos erstattet werden müssen. Der Dienstherr muss lediglich gewährleisten, dass Beamte im Krankheitsfall nicht mit erheblichen Aufwendungen belastet bleiben, die sie durch eine zumutbare Eigenvorsorge nicht absichern können.

Zum 01.01.2007 sind in der Beihilfenverordnung des Landes NRW (BVO) die Erstattungsregelungen für Arzneimittel an das Recht der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) angeglichen worden. Von dem grundsätzlichen Ausschluss nichtverschreibungspflichtiger Arzneimittel von der Beihilfefähigkeit besteht wie im GKV-Recht eine Reihe von Ausnahmen u.

a. analog zu den Arzneimittelrichtlinien. Das Land hat damit einer Entschließung des Bundestages vom 26.09.2003 entsprochen. Die Beihilfeberechtigten des Landes sind insoweit den gesetzlich Versicherten gleichgestellt worden und erhalten dieselben Leistungen, wie sie 90 v. H. der Bevölkerung gewährt werden. Der Bund hat für seinen Bereich noch deutlich restriktivere Regelungen geschaffen.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen wie folgt:

Zur Frage 1:

Versorgungsempfänger wurden durch ein den Bezügemitteilungen beigefügtes Merkblatt des Landesamtes für Besoldung und Versorgung, Beamte durch die jeweiligen Beihilfefestsetzungsstellen bzw. Hinweise im Intranet und Internet (www.beihilfe.nrw.de) informiert, die auch von Versorgungsempfängern eingesehen werden können.

Zur Frage 2:

Das zitierte Urteil des Verwaltungsgerichts Aachen betrifft die Beihilfevorschriften des Bundes (BhV) und hat deshalb keine unmittelbaren Auswirkungen auf das Beihilfenrecht des Landes.

Soweit inzwischen andere Verwaltungsgerichte auch die Regelung der BVO als mit dem Beamtenrecht nicht vereinbar angesehen haben, sind gegen die Entscheidungen Rechtsmittel eingelegt worden.

Mit Runderlass vom 04.04.2008 (MBl. NRW. S. 253) ist im Interesse der Beihilfeberechtigten bestimmt worden, dass Beihilfebescheide hinsichtlich nicht erstatteter Arzneimittel „vorläufig" ergehen und dass aus einem eventuellen Ablauf der einjährigen Antragsfrist keine Folgerungen gezogen werden. Hierüber werden alle Beihilfeberechtigten mit dem nächsten Beihilfebescheid informiert; der Runderlass ist außerdem auf der o. a. Internetseite eingestellt.

Zur Frage 3:

Eine Auflistung einzelner Medikamente ist wegen ihrer Vielzahl und der Tatsache, dass nach den Grundsätzen der klassischen Homöopathie jede Behandlung mit einem individuell auf den Patienten, sein Persönlichkeitsprofil und sein jeweiliges Krankheitsbild abgestimmten Arzneimittel erfolgen muss, nicht möglich.

Zur Frage 4:

Auf die Antworten zu Frage 1 und 2 wird verwiesen.