Ausbildung und Stellensituation der Rechtspfleger

Die Ausbildung zur Rechtspflegerin und zum Rechtspfleger erfolgt in Hessen ausschließlich im Bereich der ordentlichen Gerichtsbarkeit und der Staatsanwaltschaften sowie in der Arbeitsgerichtsbarkeit.

Diese Vorbemerkung vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt:

Frage 1. Wie hat sich die Ausbildungssituation der Rechtspflegerinnen und Rechtspfleger in den letzten fünf Jahren zahlenmäßig bis zum Jahre 2001 entwickelt?

Zum Einstellungstermin 1. September des jeweiligen Jahres haben den Vorbereitungs-/Einführungsdienst für die Rechtspflegerlaufbahn aufgenommen: 1997: 52 Anwärterinnen/Anwärter sowie 4 Aufstiegsbeamtinnen/Aufstiegs-beamte, davon 2 Anwärterinnen bei der Arbeitsgerichtsbarkeit.

1998: 32 Anwärterinnen/Anwärter sowie 1 Aufstiegsbeamtin, davon 2 Anwärterinnen/Anwärter bei der Arbeitsgerichtsbarkeit.

1999: 21 Anwärterinnen/Anwärter sowie 1 Aufstiegsbeamtin, davon 1 Anwärterin/Anwärter bei der Arbeitsgerichtsbarkeit.

2000: 11 Anwärterinnen/Anwärter sowie 1 Aufstiegsbeamter, davon 1 Anwärterin/Anwärter bei der Arbeitsgerichtsbarkeit.

2001: voraussichtlich 30 Anwärterinnen/Anwärter sowie 3 Aufstiegsbeamtinnen/Aufstiegsbeamte bei der Arbeitsgerichtsbarkeit.

Frage 2. Haben die ausgebildeten Rechtspflegerinnen und Rechtspfleger in diesem Zeitraum regelmäßig eine angemessene Beschäftigung in der hessischen Justiz gefunden?

Alle ausgebildeten Rechtspflegerinnen und Rechtspfleger, die an einer Übernahme in den hessischen Justizdienst interessiert waren, wurden nach bestandener Laufbahnprüfung zu Justizinspektorinnen und -inspektoren zur Anstellung ernannt.

Der Haushaltsgesetzgeber hat dies durch diesen bei der Stellenübersicht zu Kap. 05 04 422 61 des Landeshaushaltsplans ausgebrachten Haushaltsvermerk zur Übernahme des derzeit noch bestehenden Überhangs an geprüften Rechtspflegeranwärterinnen und -anwärtern ermöglicht. Danach dürfen geprüfte Anwärterinnen und Anwärter, für die nach Ablegung der Prüfung keine freien Stellen zur Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe zur Verfügung stehen, zulasten der Anwärterstellen ernannt werden. Die Anwärterstellen gelten insoweit als vorübergehend in Planstellen des Eingangsamtes dieser Laufbahn umgewandelt.

Frage 3. Wie viele Rechtspflegerinnen und Rechtspfleger sollen planmäßig in den nächsten drei bis fünf Jahren jeweils in Hessen ausgebildet werden, und wird der Bedarf insoweit in Zukunft voll gedeckt?

Da sich die Anzahl der zur Ausbildung einzustellenden Anwärterinnen und Anwärter grundsätzlich am Bedarf orientiert, der sich aus der voraussichtlichen Personalentwicklung ergibt, können gegenwärtig keine konkreten Angaben für die nächsten Jahren gemacht werden. Die Festlegung der zuzulassenden Rechtspflegeranwärterinnen und -anwärter erfolgt regelmäßig erst am Ende des laufenden Kalenderjahres für das darauf folgende Haushaltsjahr.

Erschwert wird die Bemessung der künftigen Annahmejahrgänge weiterhin durch den oben dargestellten Haushaltsvermerk zur Ernennung gegenüber Anwärterinnen und Anwärtern auf Anwärterstellen. Die auf diesen so genannten Überhangstellen geführten Beamtinnen und Beamte sind zwingend auf die nächste frei gewordene Planstelle umzusetzen; die Überhangstelle wandelt sich erst mit der Umsetzung auf die Planstelle wieder in eine Anwärterstelle um.

Auch wenn sich dadurch für die nächsten Jahre - gemessen am Personalbestand - rechnerisch nur ein geringer Nachwuchsbedarf ergibt, muss zumindest vorübergehend von einem wesentlich höheren tatsächlichen Bedarf im Rechtspflegerdienst ausgegangen werden, da die Angehörigen dieses Dienstzweiges in besonderem Maße in den Modernisierungsprozess der hessischen Justiz eingebunden sind und in herausgehobenen Funktionen vor Ort Verantwortung für das Gelingen der Modernisierung tragen. Darüber hinaus lassen sich die Auswirkungen der Altersteilzeit auf den Bedarf an Nachwuchskräften gegenwärtig noch nicht quantifizieren.

Frage 4. Welche Erkenntnisse gibt es über den tatsächlichen Bedarf an Rechtspflegern in Hessen in den nächsten drei bis fünf Jahren?

Auf der Grundlage der bundeseinheitlichen Bewertung beläuft sich nach den Geschäftszahlen des Jahres 1999 der Bedarf im gehobenen Justizdienst bei den ordentlichen Gerichten und Staatsanwaltschaften auf 1.233,23 Kräfte.

Dem stehen ausweislich des Haushaltsplans für das Jahr 2001 976,5 Stellen (Plan- und Hilfsstellen) für Rechtspflegerinnen und Rechtspfleger gegenüber.

Daneben wurden zum Stand 1. Februar 2001 auf so genannten Überhangstellen (siehe Frage 3) 162,25 Rechtspflegerinnen und Rechtspfleger geführt.

Nach den voraussichtlichen Personalabgängen infolge Eintritts in den Ruhestand, Entlassungen, Versetzungen in andere Geschäftsbereiche usw. und unter Berücksichtigung der Zugänge durch die Zulassung von Anwärterinnen und Anwärtern zum Vorbereitungsdienst ist ein weitgehender Abbau der Überhangstellen voraussichtlich im Jahr 2005 zu erwarten.

Eine am Geschäftsanfall orientierte Prognose zum tatsächlichen Bedarf an Rechtspflegerinnen und Rechtspflegern kann zurzeit nicht abgegeben werden. Durch die Einführung des elektronischen Grundbuchs und des elektronischen Handelsregisters wird zwar eine Entlastung des Rechtspflegerdienstes eintreten. Einem Minderbedarf in diesen Bereichen stehen jedoch zahlreiche zusätzliche Aufgaben im Rahmen der Modernisierung der hessischen Justiz gegenüber. Daneben ist zu berücksichtigen, dass der Geschäftsanfall in der Rechtspflege und somit der tatsächliche Bedarf an Rechtspflegerinnen und Rechtspflegern auch von wirtschaftlichen Rahmenbedingungen abhängig ist, die nicht vorhersehbar sind und daher längerfristige Bedarfsplanungen kaum ermöglichen.

Frage 5. Wie viele Rechtspflegerinnen und Rechtspfleger sind in den letzten Jahren in andere Berufe, wie z. B. Gerichtsvollzieher, gewechselt und aus welchen Gründen?

Zur Entlastung des Gerichtsvollzieherdienstes, der aus Anlass des Übergangs der Zuständigkeiten für die Verfahren zur Abnahme der eidesstattlichen Versicherung durch die Zweite Zwangsvollstreckungsnovelle einen erheblichen Aufgabenzuwachs erfahren hat, sind gegenwärtig 38 Beamtinnen und Beamte des gehobenen Justizdienstes mit ihrem Einverständnis mit Aufgaben des Gerichtsvollzieherdienstes betraut. Zwei weitere Bewerber, die aus anderen Bundesländern kommen und noch nicht in das Beamtenverhältnis des Landes Hessen übernommen wurden, befinden sich in der Hospitationsphase. In diesen Fällen handelt es sich nicht um einen Berufswechsel, sondern lediglich um für die Dauer von fünf Jahren befristete Beauftragungen.

Inwieweit eine Verlängerung dieser Beauftragungen in Betracht kommt, lässt sich derzeit noch nicht absehen. Jedoch ist eine endgültige Übernahme der Beamtinnen und Beamten in den Gerichtsvollzieherdienst nicht beabsichtigt.

Im Übrigen wurden in den Jahren 1998 bis 2001 auf eigenen Antrag (§ 41

HBG) 16 Rechtspflegerinnen und Rechtspfleger aus dem Justizdienst des Landes Hessen entlassen.

Frage 6. Wird es als sinnvoll erachtet, bei Bedarf auch jungen Volljuristen die Chance einzuräumen, über den Einstieg der Funktion als Rechtspfleger einen anderen Weg in die Justizlaufbahn zu ebnen?

§ 2 Abs. 3 des Rechtspflegergesetzes lässt es zwar zu, mit den Aufgaben eines Rechtspflegers zu betrauen, wer die Befähigung zum Richteramt besitzt. Grundsätzlich wird es jedoch nicht als sinnvoll erachtet, Volljuristinnen und -juristen über die Funktion als Rechtspflegerin oder Rechtspfleger einen Seiteneinstieg in die Justizlaufbahn zu gewähren. Zum einen besteht aufgrund des nach wie vor großen Interesses von Bewerberinnen und Bewerbern an der Rechtspflegerlaufbahn insoweit kein Bedarf und wegen der gegenwärtigen Stellensituation darüber hinaus auch keine Möglichkeit, zusätzliche Planstellen mit Volljuristinnen und -juristen zu besetzen. Zum anderen werden die Rechtspflegeranwärterinnen und -anwärter während des Vorbereitungsdienstes praxisorientiert in den dem Rechtspflegerdienst originär obliegenden Aufgabengebieten ausgebildet, sodass sie nach Abschluss der Laufbahnprüfung ohne weitere Einführungszeiten in diesen Aufgabenbereichen eingesetzt werden können.