Das Kleingartenwesen in Nordrhein-Westfalen unter veränderten Rahmenbedingungen nachhaltig sichern und ausbauen

I. Das Kleingartenwesen ist ein bewährtes und unverzichtbares Element urbanen Lebens in Nordrhein-Westfalen

Dem Kleingartenwesen in Nordrhein-Westfalen kommt erhebliche und nach wie vor zukunftsweisende Bedeutung zu: Nordrhein-Westfalen ist das einzige Land, in dem die Förderung des Kleingartenwesens in der Landesverfassung verankert ist. Entsprechend hat das Land in den letzten Jahren und Jahrzehnten das Kleingartenwesen im Rahmen seiner Möglichkeiten gefördert. Vor diesem Hintergrund gibt es rund 120.000 Kleingärten, die in mehr als 1600 Kleingartenanlagen zusammengefasst sind. Die Kleingärtner bewirtschaften und betreuen rund 5.500 ha inklusive öffentlich zugänglicher Freiflächen wie Spielbereiche, Wege, Plätze und Biotope. Kleingartenanlagen sind demnach multifunktionale Gründflächen.

Kleingartenvereine sind über die kleingärtnerische Nutzung hinaus Orte eines aktiven sozialen Gemeinwesens und Zusammenhalts. Davon profitieren insbesondere auch Kinder, für die Kleingärten vielfach einen wichtigen Weg zum Erlebnis und Erlernen von Natur und sozialem Gemeinwesen bilden. Daneben leisten die Kleingartenvereine und die dort ehrenamtlich tätigen Mitglieder zunehmend einen wichtigen Beitrag zur Integration von ausländischen Mitbürgern und Aussiedlern.

Darüber hinaus erbringen die in den Kleingartenvereinen organisierten Menschen erhebliches ehrenamtliches Engagement und leisten einen wichtigen Beitrag für das Allgemeinwesen und lebenswerte grüne Räume in urbanen Zentren. Kleingartenanlagen dienen vielfach als öffentliche Grünanlagen, grüne Lungen und Lebensräume für Tiere und Pflanzen in dicht besiedelten Bereichen unserer Städte. Ihnen kommen zudem wichtige Funktionen zu im Hinblick auf eine Umweltentlastung durch wohnungsnahe Naherholung, als Erlebnisräume und Kinderparadiese sowie im Hinblick auf die Integration von Schulgärten in Kleingartenanlagen.

II. Veränderte Rahmenbedingungen als Herausforderungen und Chance für ein zukunftsfähiges Kleingartenwesen

Die Rahmenbedingungen für das Kleingartenwesen unterliegen wichtigen absehbaren Veränderungen, aus denen sich neue Herausforderungen, aber auch Chancen für ein zukunftsfähiges sowie in seiner Bedeutung zunehmendes Kleingartenwesen in Nordrhein-Westfalen ergeben.

Nach dem Wachstum der Städte und Metropolen in den vergangenen Jahrzehnten ist in den nächsten Jahren von einem Schrumpfungsprozess auszugehen. Das belegt insbesondere auch der Bericht der vom Landtag in der 13. Legislaturperiode eingesetzten Enquetekommission Zukunft der Städte. Aus diesem Prozess ergeben sich neue Herausforderungen und Wege zur Weiterentwicklung urbanen Lebens in NordheinWestfalen. Urbanes Leben muss neu konzipiert werden. Stadtumbaumaßnahmen sind erforderlich. Das gilt zum Beispiel im Hinblick auf eine Weiterentwicklung städtischer Freiraumgestaltung, Parks und grünen Adern.

Kleingärten und die in den Kleingartenvereinen tätigen Menschen können dabei einen wichtigen Beitrag zum Erhalt und zur Steigerung des Lebenswerts und gemeinschaftlichen Zusammenhalts in den Städten leisten. Daraus bieten sich neue Perspektiven für das Kleingartenwesen. Zugleich kann ein in den letzten Jahrzehnten festzustellender Trend zum Verdrängen von Kleingartenanlagen an den Stadtrand zukünftig umgedreht werden. Auch daraus ergeben sich neue Perspektiven.

In den nächsten Jahren ist in deutlich verstärktem Maße von einem erheblichen demographischen Wandel auszugehen. Der Anteil alter Menschen wird weiter steigen. Ebenso ist von einem erheblichen Anstieg der Mitbürgerinnen und Mitbürger mit Migrationshintergrund auszugehen. Das betrifft insbesondere auch Kinder und Jugendliche. Für die Jahre 2015 bis 2020 wird davon ausgegangen, dass 50 % der in Deutschland geborenen Kinder einen Migrationshintergrund haben werden. Die absehbare gesellschaftliche Entwicklung hat erhebliche Auswirkungen auf alle Lebensbereiche und nicht zuletzt auch im Hinblick auf das Kleingartenwesen in Nordrhein-Westfalen. Bereits heute sind 90-jährige Kleingärtnerinnen und Kleingärtner in vielen Vereinen keine Seltenheit. Damit auch älter werdende Kleingärtnerinnen und Kleingärtnern die Möglichkeit erhalten bleibt, in ihren Kleingärten und im Vereinsleben aktiv zu bleiben, werden vielfach Änderungen der Kleingartengröße sowie Umbaumaßnahmen in den Anlagen erforderlich. Bereits jetzt ist festzustellen, dass in Kleingartenvereinen zunehmend auch Mitbürgerinnen und Mitbürger mit Migrationshintergrund eingeschrieben sind. Die Kleingartenvereine leisten daher bereits heute in erheblichem Maße Integrationsarbeit und wollen dies auch in den nächsten Jahren und Jahrzehnten weiterhin tun. Davon profitieren die Vereine und ihre Mitglieder ebenso wie die Gesellschaft insgesamt.

Das Kleingartenwesen in Nordrhein-Westfalen unterliegt damit erheblichen Änderungen der Rahmenbedingungen und neuen Herausforderungen. Die Bedeutung in den nächsten Jahren und Jahrzehnten wird dabei weiter zunehmen. Der Wandel und die neuen Herausforderungen werden letztlich aber nur dann zielführend und erfolgreich bewältigt werden können, wenn die in den nächsten Jahren anstehenden Weichenstellungen auf einer verlässlichen Daten- und Wissengrundlage erfolgen. Die letzte Untersuchung zum Kleingartenwesen in Nordrhein-Westfalen datiert jedoch aus dem Jahre 1986. Es ist daher umgehend geboten, im Rahmen einer neuen Studie eine umfassende Grundlage zum Stand und zu den Entwicklungsperspektiven des Kleingartenwesens in Nordrhein Westfalen zu erstellen.

III. Verlässliche Grundlage im Bereich von Straßenausbau- und Anschlussbeiträgen schaffen

Ca. 95 % der Kleingartenanlagen in Nordrhein-Westfalen befinden sich im kommunalen Eigentum. Der hohe Anteil von Kleingärten im kommunalen Eigentum ist Ausdruck und Ergebnis der erheblichen Förderung des Kleingartenwesens seitens der Kommunen in der Vergangenheit. Inzwischen unterliegen die Kommunen, wie die anderen Träger öffentlicher Verwaltung auch, im erheblichen Maße Sparzwängen. Dabei werden zunehmend auch Überlegungen angestellt, das Eigentum und die Verwaltung kommunaler Kleingärten auf privatrechtlicher Basis auszugliedern. Daneben gibt es, wie das Beispiel der Stadt Hamm zeigt, immer wieder auch Überlegungen, von der bewährten langjährigen Praxis abzugehen, Kleingärtnern Straßenausbau- und Anschlussbeiträge für die Dauer der Kleingartennutzung zu stunden. Seitens der Kleingartenverbände in Nordrhein-Westfalen besteht damit zunehmend Unsicherheit.

Für die Zukunftsfähigkeit des Kleingartenwesens in Nordrhein-Westfalen und eine weiterhin bestehende Bereitschaft der Kleingärtnerinnen und Kleingärtner, in erheblichem Maße ehrenamtliches Engagement einzubringen, das der Gesellschaft insgesamt zugute kommt, sind aber absehbare und verlässliche Grundlagen geboten. Daher ist sicher zu stellen, dass Kleingartenvereine und die in diesen tätigen Mitglieder auch in Zukunft für die Dauer der Kleingartennutzung nicht mit Straßenausbau- und Anschlussbeiträgen belastet werden.

IV. Beschluss

Der Landtag beschließt daher:

1. Der Landtag sieht in dem Kleingartenwesen in Nordrhein-Westfalen ein bewährtes und unverzichtbares Element urbanen Lebens dessen Bedeutung in Zukunft steigen wird.

2. Der Landtag appelliert an alle Träger öffentlicher Verwaltung in Nordrhein-Westfalen, insbesondere auch an die Kommunen, die Eigentümer von Kleingartenanlagen sind, das Kleingartenwesen zu unterstützen und zu fördern.

3. Der Landtag fordert die Landesregierung auf, zur nachhaltigen Sicherung und Förderung des Kleingartenwesens in Nordrhein-Westfalen folgende Maßnahmen und Punkte umzusetzen:

a) Baldmögliche Vergabe einer Studie zur Zukunft des Kleingartenwesens in Nordrhein-Westfalen, die die Grundlage für eingehende Beratungen und zukunftsweisende Weichenstellungen zum Kleingartenwesen im Landtag und gleichzeitig auch Entscheidungshilfe für die Kleingartenverbände selbst sein soll.

b) Sicher zu stellen, dass auch in Zukunft für die Dauer der Kleingartennutzung Kleingartenvereine und die in diesen tätigen Mitglieder nicht mit Straßenausbauund Anschlussbeiträgen belastet werden.

c) Sicherstellung einer weiteren Förderung der zentralen Schulungsarbeit (Erwachsenenbildung) der Kleingartenverbände mit öffentlichen Mitteln zur Ausbildung von Multiplikatoren, die zuständig sind für eine umweltverträgliche und ökologische Fachberatung sowie das Vereinsmanagement (Vereinsverwaltung).

d) Förderung der Umgestaltung und Erweiterung von Altanlagen sowie des Neubaus von Kleingartenanlagen im Rahmen von Maßnahmen zur Quartier- und Stadtteilentwicklung.

e) Integration des Kleingartenwesens in zukünftige Landesgartenschauen.

f) Vorlage eines Berichts an den für das Kleingartenwesen zuständigen Ausschusses zu den Möglichkeiten, neue und umzugestaltende Kleingartenflächen als Kompensationsflächen für Eingriffe in Natur und Landschaft zu nutzen.