Finanzierung landesfremder Kinder durch das Kinderbildungsgesetz

Das aktuell noch gültige "Gesetz über Tageseinrichtungen für Kinder" (GTK) finanziert Kindertageseinrichtungen mit definierten Gruppenformen, unabhängig vom Wohnort des Kindes. Mit dem Kinderbildungsgesetz ändert sich die künftige Finanzierungsgrundlage. Wurden bisher die Einrichtungen gefördert, erfolgt zukünftig die Förderung des einzelnen Kindes durch eine Kindpauschale. Jedoch gilt dies nur "für Kinder, die in Nordrhein-Westfalen ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben..." (§ 1, Absatz 2, Kinderbildungsgesetz).

In nahe an den Landesgrenzen gelegenen Städten wie z. B. Siegen bedeutet dies, dass ab dem Inkrafttreten des Kinderbildungsgesetzes am 01.08.2008 keine Landeszuschüsse mehr für Kinder aus Rheinland-Pfalz oder Hessen gezahlt werden, die bisher aufgrund der Betriebsstättenförderung des GTK gezahlt worden sind. Dieser Wegfall der Landeszuschüsse für "landesfremde Kinder" gilt ohne Übergangsfristen und auch für Familien, die gültige Betreuungsverträge mit der Einrichtung haben. Aufgrund unterschiedlicher Finanzierungssysteme wird der Landeszuschuss auch nicht von den Nachbarbundesländern bzw. den dortigen Jugendämtern übernommen.

Ein weiteres rechtliches Problem thematisiert ein jüngst veröffentlichtes Rechtsgutachten der Stuttgarter Anwaltskanzlei Quaas im Auftrag der Vereinigung der Waldorfkindergärten NRW zur Vereinbarkeit des Kinderbildungsgesetzes NRW mit den bundesgesetzlichen Vorgaben des Kinder- und Jugendhilfegesetzes. Demnach bestehe im Bundesrecht der Anspruch auf eine Förderung nicht zugunsten eines Kindes, sondern zugunsten des Trägers, dessen Angebot von der örtlichen Jugendhilfeplanung als bedarfsgerecht eingestuft werde. Demnach müsse das örtliche Jugendamt auch über den 01.08.2008 hinaus den vollen Zuschuss für landesfremde Kinder finanzieren, erhielte aber keine Refinanzierung mehr durch das Land NRW. Dies wäre eine einseitige Benachteiligung von Kommunen, die sich an den Grenzen des Landes Nordrhein-Westfalen befinden.

Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung:

1. Warum wurde in das Kinderbildungsgesetz oder die dazu gehörigen Verwaltungsrichtlinien keine Übergangsregelung zur Finanzierung von Plätzen für landesfremde Kinder eingefügt, die bereits einen vertraglich vereinbarten Kindergartenplatz in Nordrhein Westfalen haben?

2. Besteht für den Einrichtungsträger bzw. die Eltern, die bereits im aktuellen Kindergartenjahr einen vertraglich vereinbarten Kindergartenplatz haben, ein Vertrauensschutz auf vollständige Refinanzierung des Platzes durch den örtlichen Träger der Jugendhilfe?

3. Welche Möglichkeiten sieht die Landesregierung zu länderübergreifenden Vereinbarung über die gegenseitige Finanzierung von Kindergartenplätzen, wenn dies (z. B. durch größere räumliche Nähe der Einrichtung zum Wohnort oder Arbeitsplatz der Eltern) als kinder- und familienfreundlich angesehen werden kann?

4. Teilt die Landesregierung die im zitierten Rechtsgutachten vertretene Auffassung, wonach das örtliche Jugendamt auf Grundlage des Bundesrechts Zuschüsse für landesfremde Kinder an die Kindergartenträger (Betriebsstättenprinzip) zahlen muss, sofern deren Angebote - z. B. auch aufgrund des pädagogischen oder integrativen Ansatzes als bedarfsgerecht eingestuft werden?

Antwort des Ministers für Generationen, Familie, Frauen und Integration vom 7. Juli 2008 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Innenminister:

Zur Frage 1:

Eine Übergangsregelung ist nach Auffassung der Landesregierung entbehrlich, weil ­ entgegen der Auffassung der Fragesteller ­ nach Bundesrecht sehr wohl das Wohnsitzjugendamt zuständig ist. Bundesrechtlich gibt es kein Territorialprinzip, darauf weist das von den Fragestellern in Bezug genommene Rechtsgutachten ausdrücklich hin.

Zur Frage 2:

Nein.

Zur Frage 3:

Die Landesregierung ist davon überzeugt, dass die beteiligten Jugendämter in der Lage und willens sind, die notwendigen Schritte zu unternehmen und Regelungen zu finden, die den betroffenen Eltern die Ausübung des Wunsch- und Wahlrechts ermöglichen. Keine Einrichtung in Nordrhein-Westfalen ist gehindert, ein Kind, das keinen gewöhnlichen Aufenthalt in Nordrhein-Westfalen hat, aufzunehmen.

Zur Frage 4:

Es liegt in der Entscheidung der örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe auch Betreuungsplätze für Kinder finanziell zu bezuschussen, die nicht die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 KiBiz erfüllen. Die finanzielle Förderung richtet sich in diesen Fällen nicht nach den Vorschriften des Kinderbildungsgesetzes.