Neu- und Ausbau von Hochspannungsleitungen in NRW

Derzeit sind in Deutschland diverse Projekte für den Neu- und Ausbau von Trassen des Hochspannungsnetzes in Planung. Hiervon ist auch NRW betroffen.

Bürgerinnen und Bürger, die in der Nähe geplanter Trassen leben, fühlen sich oftmals von Netzbetreibern und Genehmigungsbehörden schlecht informiert. Außerdem werden u. a. Gesundheitsgefahren infolge des von den Leitungen ausgehenden Elektrosmogs befürchtet.

Deshalb wehren sich Betroffene gegen den Bau oberirdischer Hochspannungsleitungen in der Nähe von Siedlungen und fordern die Festlegung von Alternativtrassen oder die Verlegung von Erdkabeln.

Um die Konflikte zu entschärfen, hat das Land Niedersachsen im vergangenen Dezember ein sog. „Erdkabelgesetz" verabschiedet, das die Verlegung von Erdkabeln in Nähe der Wohnbebauung und in Landschaftsschutzgebieten vorsieht. Auch in anderen Bundesländern (z. B. Bayern) werden derartige gesetzliche Regelungen diskutiert.

Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung:

1. Welche Neu- und Ausbaumaßnahmen auf der Hoch- und Höchstspannungsebene auf dem Gebiet von NRW werden von den Netzbetreibern geplant?

2. Wie verläuft in NRW das Genehmigungsverfahren zum Aus- bzw. Neubau einer Hochbzw. Höchstspannungsleitung?

3. In welcher Weise nehmen die Landesregierung oder nachgeordnete Behörden planerisch Einfluss auf den konkreten Trassenverlauf bzw. die ober- oder unterirdische Verlegung einer Leitung?

4. Was unternimmt die Landesregierung zur Information und zum Schutz in der Nachbarschaft geplanter Leitungstrassen lebender Menschen?

5. Wie bewertet die Landesregierung das niedersächsische Erdkabelgesetz bzw. noch weiter gehende Überlegungen, neue Leitungen vollständig unter der Erde zu verlegen?

Antwort der Ministerin für Wirtschaft, Mittelstand und Energie vom 21. Juli 2008 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz:

Zur Frage 1:

Bei den Bezirksregierungen sind derzeit folgende Verfahren zur Genehmigung von Hochspannungsfreileitungen anhängig oder für die nächste Zeit angekündigt:

1) Bezirksregierung Arnsberg

· Neubau einer 380 kV-Hochspannungsfreileitung vom Kraftwerk Westfalen nach Uentrop

· Erneuerung der 110 kV-Hochspannungsfreileitung zwischen Herdecke und Dortmund

2) Bezirksregierung Detmold

· Neubauabschnitt Steinheim ­ Horn der 110 kV-Hochspannungsfreileitung Vörden ­ Horn

· Ersatzneubauabschnitt Gütersloh ­ Bielefeld ­ Bechterdissen der 380 kVHochspannungsfreileitung Walstedde ­ Bechterdissen

· Ersatzneubau der 110 kV-Hochspannungsfreileitung Kirchlengern ­ Meißen

3) Bezirksregierung Düsseldorf

· Ersatzneubau der 110 kV-Hochspannungsfreileitung Wittenhorst ­ Bocholt

· Masterneuerung im Zuge der 110 kV-Hochspannungsfreileitung Anschluss Mönchengladbach

· Erneuerung der 380 kV-Hochspannungsfreileitung Fellerhöfe ­ St. Tönis

· Ersatzneubau der 110 kV-Hochspannungsfreileitung Dülken ­ Erftwerk

· Neubau der 380/110 kV-Hochspannungsfreileitung Wittenhorst ­Bundesgrenze

· Erneuerung der 380/110 kV-Hochspannungsfreileitung Kruppgürtel Essen

· Ersatzneubau der 380 kV-Hochspannungsfreileitung Sinsteden ­ Rommerskirchen

· Erneuerung der 380 kV-Hochspannungsfreileitung Lackhausen ­ Bredenwinkel

· Masterneuerung im Zuge der 220 kV-Hochspannungsfreileitung Osterrath ­ Wesel

· Ersatzneubau der 110 kV-Hochspannungsfreileitung Wesel ­ Emmerich

· Neubau der 380 kV-Hochspannungsfreileitung Wesel ­ Wittenhorst

· Ersatzneubau der Rheinkreuzung im Zuge der 220 kV-Hochspannungsfreileitung Osterrath ­ Wesel

· Ersatzneubau der 110 kV-Hochspannungsfreileitung Anschluss Uerdingen

· Ersatzneubau der 110 kV-Hochspannungsfreileitung Anschluss Duisburg-Hochfeld

· Neubau der 380 kV-Hochspannungsfreileitung Osterrath ­ Gohrpunkt

· Neubau der 380 kV-Hochspannungsfreileitung Gohrpunkt ­ Rommerskirchen

4) Bezirksregierung Köln

· Ersatzneubauabschnitt Frenz ­ Hoven der 380/110 kV-Hoch-spannungsfreileitung Weisweiler ­ Oberzier

5) Bezirksregierung Münster

· Ersatzneubauabschnitt Hervest-Dorsten ­ Borken der 110 kVHochspannungsfreileitung Hervest-Dorsten ­ Stadtlohn

· Ersatzneubau der 110 kV-Hochspannungsfreileitung Wittenhorst ­ Bocholt

· Ersatzneubauabschnitt Hambüren ­ Landesgrenze Niedersachsen der 380 kVHochspannungsfreileitung Westerkappeln ­ Gaste

· Neubau der 380 kV-Hochspannungsfreileitung Kraftwerk Datteln - Mengeder

· Neubau der 380 kV-Hochspannungsfreileitung Kraftwerk Lünen - Lippe

Besonders zu erwähnen ist darüber hinaus ein von der Bezirksregierung Münster im April abgeschlossenes Raumordnungsverfahren für eine 380 kV-Leitung von Diele (Niedersachsen) zum Niederrhein nach Wesel, bei der es sich um ein Projekt nach der dena-Netzstudie I handelt (siehe dazu auch die Antwort auf Frage 5).

Zu den Fragen 2 und 3:

Das Genehmigungsverfahren für Hochspannungs-(frei-)leitungen richtet sich nach den §§ 43 ff. des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG). Danach erfordern die Errichtung und der Betrieb sowie die Änderung einer Hochspannungsfreileitung mit einer Nennspannung von 110 kV oder mehr grundsätzlich ein Planfeststellungsverfahren. Jedoch kann nach § 43b Nr. 2 EnWG auf Antrag des Vorhabenträgers anstelle eines Planfeststellungsverfahrens ein Plangenehmigungsverfahren durchgeführt werden, wenn das Vorhaben keiner Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) bedarf.

Nach dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG) sind Hochspannungsfreileitungen ab einer Länge von mehr 15 km und einer Nennspannung von 220 kV oder mehr obligatorisch UVP-pflichtig. Bei längen- oder leistungsmäßig darunter liegenden Vorhaben hängt die UVP-Pflicht von einer Vorprüfung des Einzelfalls ab (sog. „Screening"), deren Intensität wiederum nach Längen- und Leistungsmerkmalen abgestuft ist.

Planfeststellungs- und Plangenehmigungsverfahren selbst richten sich nach § 74 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG), wobei § 43a EnWG einige Sonderregelungen für das Anhörungsverfahren enthält.

Neben dem energiewirtschaftlichen Planfeststellungs- oder Plangenehmigungsverfahren ist bei raumbedeutsamen Leitungsbauvorhaben außerdem ein Raumordnungsverfahren durchzuführen. Es dient der Feststellung, ob das Leitungsbauvorhaben mit den Erfordernissen der Raumordnung übereinstimmt und wie es mit anderen raumbedeutsamen Planungen ­ z. B. gemeindlichen Bauleitplanungen ­ abgestimmt werden kann. Hierbei sind die raumbedeutsamen Auswirkungen des Vorhabens zu berücksichtigen und die vom Vorhabenträger eingeführten Trassenvarianten einzubeziehen.

Da die vom Trassenverlauf berührten Gemeinden sowie die für die fachgesetzlichen Genehmigungsverfahren zuständigen Behörden zu beteiligen sind, ermöglicht das Raumordnungsverfahren auf landesplanerischer Ebene z. B. eine Klärung, welche Grobtrassierung in Abstimmung mit anderen Planungen sowie unter den fachgesetzlichen Gemeinwohlgesichtspunkten vorzugswürdig ist.

Zur Frage 4:

Im Rahmen des energiewirtschaftlichen Planfeststellungs- oder Plangenehmigungsverfahrens wird u. a. geprüft, ob die geplanten Leitungsbauvorhaben nach dem aktuellen Stand der Technik errichtet werden und die zum Schutz der Bevölkerung dienenden Vorschriften eingehalten werden, z. B. die Verordnung über elektromagnetische Felder (sog. ElektrosmogVerordnung, 26. Verordnung zum Bundesimmissionsschutzgesetz).

Diese Verordnung regelt die Anforderungen an einzuhaltende Feldstärken bei Niederfrequenzanlagen ­ wie z. B. Leitungstrassen ­ zum Schutz der Allgemeinheit und der Nachbarschaft vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch elektromagnetische Felder. Ergänzend hierzu wurden durch Erlass des MUNLV "Hinweise zur Durchführung der Verordnung über elektromagnetische Felder" (RdErl. d. Ministeriums für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz - V-5-8828 (VNr. 3/04) - vom 09.11.2004) herausgegeben.

Zur Überprüfung der Einhaltung der Anforderungen sieht die 26. BImSchV Anzeigen vor Inbetriebnahme oder wesentlicher Änderung von Niederfrequenzanlagen vor, sofern diese nicht einer Genehmigung, Planfeststellung oder sonstigen behördlichen Entscheidung bedürfen, bei der die Belange des Immissionsschutzes berücksichtigt werden.

Zur Information der Bürgerinnen und Bürger hat die Landesregierung die Broschüre „Elektrosmog ­ Quellen ­ Wirkung ­ Vorsorge" herausgegeben. Auch das Internetangebot der Landesregierung enthält zahlreiche Informationen zum Thema „Elektrosmog".

Zur Frage 5:

Das Land Niedersachsen hat durch das sog. Erdkabelgesetz vom 13.12.2007 (Nds. GVBl. S. 709) das energiewirtschaftliche Planfeststellungsverfahren für die Verkabelung von Hochspannungsleitungen von mehr als 110 kV geöffnet.

Inzwischen hat die Bundesregierung am 18.06.2008 das zweite Integrierte Energie- und Klimapaket (IEKP) vorgelegt. Ein Bestandteil dessen ist der Entwurf eines Energieleitungsausbaugesetzes (EnLAG), auf dessen Grundlage 24 gemäß der dena-Netzstudie I besonders bedeutsame Leitungsbauprojekte der 380 kV-Ebene beschleunigt verwirklicht werden sollen.

§ 2 EnLAG enthält Regelungen zu Erdverkabelungen dahingehend, den Einsatz von Erdkabeln auf der Höchstspannungsebene zunächst im Rahmen von vier Pilotprojekten zu testen.

Eines davon betrifft die bereits erwähnte Trasse von Diele (Niedersachsen) nach Wesel. Hintergrund dieser Konzeption ist der erhebliche technische Aufwand, der mit der Verlegung von Hochspannungsleitungen im Boden verbunden ist. So bestehen z. B. große Unterschiede hinsichtlich der möglichen Längen und den Übertragungskapazitäten im Vergleich zu einer Freileitung. Ferner ist die sonstige Nutzung der Trassen im Hinblick auf Zugänglichkeit und Schutz des Kabels erheblich eingeschränkt. Auch müssen die Eingriffe in die Umwelt betrachtet werden, die mit Erdverkabelungen sowohl in der Errichtungs- als auch in der anschließenden Betriebsphase verbunden sein können.

All dies führt dazu, dass Erdverkabelungen nach Schätzungen von Experten um mehrere Größenordnungen teurer sein können als entsprechende Freileitungen. Für die erwähnten vier Pilotprojekte ist vorgesehen, den entstehenden Aufwand im Rahmen der Netznutzungsentgelte bundesweit umzulegen. Außerdem sollen die Erfahrungen mit Erdverkabelungen in fünf Jahren evaluiert werden.

Das IEKP II wird nach der Sommerpause zunächst im Bundesrat beraten werden, dann wird sich zeigen, ob auch die Regelungen zu Erdverkabelungen einen parlamentarischen Konsens finden. Unabhängig davon unterstützt die Landesregierung den Ansatz der Bundesregierung, in dieser Frage bundeseinheitliche Regelungen zu schaffen.