Eltern werden zur Kasse gebeten: Aus welchem Grund sind im Mathematik-Unterricht verbindlich vorgeschriebene CAS-Taschenrechner keine Lernmittel?

An den nordrhein-westfälischen Gymnasien werden die Eltern von Oberstufenschülerinnen und -schülern aktuell darüber informiert, dass das Schulministerium plant, die Nutzung von Taschenrechnern mit Computer-Algebra-System (CAS) im Mathematikunterricht verbindlich zu machen. Dies hat auch Auswirkungen auf die Aufgaben im Zentralabitur, denn noch gibt es Aufgabensätze sowohl unter Einbezug von CAS-Taschenrechnern als auch ohne deren Nutzung. Zukünftig sollen die Aufgaben nur noch für CAS-Rechner gestellt werden. Die Problematik trifft also auf alle gymnasialen Oberstufen in NRW zu.

Die CAS-Taschenrechner sind ausgesprochen teuer. Die Eltern müssen von Anschaffungskosten von ca. 175 Euro pro Taschenrechner ausgehen. Diese Summe ist von weniger privilegierten Familien, beispielsweise von Familien mit ALG-II-Bezug nicht oder nur unter großen Schwierigkeiten aufzubringen. Nichtsdestotrotz hat das Schulministerium in einem Runderlass eindeutig geregelt, dass es sich bei den CAS-Rechnern nicht um Lernmittel handelt; sie also als Teil der persönlichen Ausstattung von den Eltern zu beschaffen sind.

Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung:

1. Aus welchem Grund werden derart teuer Geräte wie die CAS-Taschenrechner nicht den Lernmitteln zugeordnet, obwohl ihr Einsatz im Mathematikunterricht obligatorisch ist bzw. werden soll?

2. Wie kann sichergestellt werden, dass auch Schülerinnen und Schüler aus armen Familien die Möglichkeit haben, einen CAS-Rechner zu erwerben bzw. mit einem solchen Rechner zu arbeiten?

3. Mit welchen Mitteln unterstützt die Landesregierung die Schulen darin, auch ärmeren Schülerinnen und Schüler die Möglichkeit einzuräumen, einen CAS-Taschenrechner zu erwerben?

4. Welche Geräte oder sonstige schulische Arbeitsmittel mit Kosten von über 15 Euro werden an den nordrhein-westfälischen Schulen verwendet und müssen von den Eltern auf eigene Kosten angeschafft werden?

5. Plant die Landeregierung eine Novellierung der Regelungen zur Lernmittelfreiheit, um diese an die veränderten Realitäten im schulischen Alltag - beispielsweise der Einsatz teurer Taschenrechner etc. - anzupassen?

Antwort der Ministerin für Schule und Weiterbildung vom 8. August 2008 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Finanzminister, dem Innenminister und dem Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales:

Anders als in der Kleinen Anfrage dargestellt, sind CAS-Taschenrechner aktuell weder verbindlich für den Mathematikunterricht vorgeschrieben noch ist davon auszugehen, dass sie es in absehbarer Zukunft werden. Zum jetzigen Zeitpunkt ist es erlaubt, CAS-Rechner im Unterricht einzusetzen. Diesem Sachverhalt wird im Rahmen des Zentralabiturs Rechnung getragen, indem ein spezieller CAS-Aufgabensatz für entsprechend ausgerüstete Mathematikkurse zur Verfügung gestellt wird.

Zur Frage 1:

Taschen- aber auch Grafikrechner und CAS-Rechner fallen nicht unter den Lernmittelbegriff.

Nach § 30 Abs. 1 SchulG sind Lernmittel Schulbücher und andere Medien, die dazu bestimmt sind, von den Schülerinnen und Schülern über einen längeren Zeitraum genutzt zu werden. Unter den Begriff "andere Medien" fällt aber nie die sog. Hardware. Damit gehören weder Taschenrechner noch Laptops oder ähnliche technische Geräte zu den Lernmitteln.

Zur Frage 2:

Eine Verpflichtung der Eltern zur Übernahme der Kosten für Taschenrechner kann sich dann ergeben, wenn sie Teil der den Eltern nach § 41 Abs. 1 SchulG obliegenden allgemeinen persönlichen Ausstattung des Kindes sind. Nach Ziff 2.2 der Bestimmungen zur Lernmittelfreiheit (BASS 16-01 Nr. 5) gehören dazu unter anderem Schreib-, Zeichen- und Rechengeräte aller Art einschließlich technischer Hilfsmittel. Allerdings muss die Anschaffung solcher Gegenstände auch zumutbar sein. Danach sind Eltern also insoweit verpflichtet, einen Taschenrechner für wenige Euro zu beschaffen. Bei CAS-Rechnern hingegen ist die zumutbare Höhe überschritten. Solche Rechner können deshalb nur auf freiwilliger Basis angeschafft werden. Dabei ist aber in jedem Fall sicher zu stellen, dass alle Schülerinnen und Schüler einer Lerngruppe sich freiwillig zur Anschaffung eines CAS-Rechners entscheiden.

Zur Frage 3:

Die allgemeine persönliche Ausstattung (s. Antwort zu Frage 2) obliegt den Eltern bzw. volljährigen Schülerinnen und Schülern; für die Sachausstattung sind gem. §§ 92, 94 SchulG die kommunalen Schulträger verantwortlich. Demgegenüber trägt das Land nach § 92 Abs. 2 SchulG die Personalkosten für Lehrerinnen und Lehrer sowie das pädagogische und sozialpädagogische Personal gem. § 58 SchulG an öffentlichen Schulen, deren Träger das Land, eine Gemeinde oder Gemeindeverband ist. Aufgrund dieser schulgesetzlich verankerten Lastenverteilung ist das Land nicht für die Beschaffung von CAS-Rechnern zuständig.

Zur Frage 4:

Hierzu wurden bisher in den Schulen keine Abfragen durchgeführt, so dass keine dementsprechenden detaillierten Informationen vorliegen.