Verbraucherschutz

Wohnen an Hauptverkehrsstraßen macht krank! - Welche Konsequenzen werden aus dem erneuten Nachweis der Gesundheitsschädigungen durch den Straßenverkehr durch die Landesregierung für die Verkehrs- und Umweltpolitik gezogen?

Wortlaut der Kleinen Anfrage 2645 vom 9. Juli 2008: Wohnen an Hauptverkehrsstraßen macht krank - Dies ist das zentrale Ergebnis einer Längsschnittuntersuchung des Institutes für Epidemiologie des Helmholtz-Zentrums München. Unter der Federführung von Dr. Joachim Heinrich ist in einer sechsjährigen Forschungsarbeit ein Zusammenhang zwischen dem Auftreten atopischer Erkrankungen und der Belastung durch Luftschadstoffe aus dem Straßenverkehr nachgewiesen worden. Kinder, die neben vielbefahrenen Straßen aufwachsen, sind um 50 Prozent häufiger von asthmatischer Bronchitis, Heuschnupfen, Ekzemen und allergischer Sensibilisierung betroffen als Altersgenossen, die vom Straßenverkehr abgeschieden leben. In der Studie sind mehr als 3.000 Kinder aus München und Umgebung sechs Jahre lang regelmäßig untersucht worden. Die Ergebnisse dieser Untersuchung werden als deutlicher Beleg für die nachteiligen Effekte von Luftschadstoffen aus dem Straßenverkehr auf die Entstehung von Allergien und atopischen Erkrankungen gewertet. Die Effekte sind bereits aus Laborexperimenten und Inhalationsuntersuchungen bekannt. Mit der epidemiologischen Untersuchung wurden die krank machenden Folgen des Straßenverkehrs für Kinder nachgewiesen.

In Deutschland sterben jährlich vorzeitig 65.000 Menschen an der Feinstaubbelastung. Viele zusätzliche Erkrankungen werden dadurch ausgelöst. Feinstaub (Partikel-PM10) verursacht schwere Gesundheitsschäden und ein Ansteigen der Sterblichkeitsrate infolge Herz- Kreislauf-Erkrankungen und Lungenkrebs. Nach Untersuchungen der Weltgesundheitsbehörde (WHO) wurde im Jahr 2000 durch Partikel die durchschnittliche Lebenszeit aller Europäer/ innen im Mittel um 8,6 Monate und in Deutschland sogar um 10,2 Monate verkürzt. Laut ei ner Studie der EU-Kommission sterben in Europa mehr als 288.000 Menschen, davon allein in Deutschland 65.000, vorzeitig an den Folgen der Feinstaubbelastung.

Zu den besorgniserregenden Ergebnissen kommt aber nicht nur die EU-Kommission oder die Weltgesundheitsorganisation WHO. Den Zusammenhang zwischen Sterberate und Feinstaub- und NOX-belasteten Straßen hat die vom NRW-Umweltministerium selbst in Auftrag gegebene Langzeituntersuchung für die Menschen im Ruhrgebiet eindeutig wissenschaftlich nachgewiesen.

So heißt es wörtlich im „Umweltbericht NRW 2006" von Umweltminister Uhlenberg: auf S. 65: "... Die Ergebnisse der Studien über die Langzeitwirkungen von Feinstaub weisen länderübergreifend in dieselbe Richtung. An fast allen Untersuchungsorten ergab sich ein eindeutiger Zusammenhang zwischen Feinstaubbelastung und einem Anstieg der allgemeinen Sterblichkeit sowie speziell an Atemwegs- und Herz-Kreislauferkrankungen. In zwei Studien konnten deutliche Erhöhungen der Sterblichkeit an Lungenkrebs in Abhängigkeit von der Feinstaubexposition nachgewiesen werden..." auf S. 69 f: "...Auch die chronischen Wirkungen von Feinstaub auf den Menschen (vgl. 1.4) wurden in einer groß angelegten Kohortenstudie an Frauen epidemiologisch untersucht.

Nach der Feinstaub-Kohortenstudie NRW ist die Gesamtsterblichkeit bei Frauen mit der Konzentration von „Schwebstaub" und NO2 am Wohnort assoziiert. Eine Analyse der todesursachenspezifischen Sterblichkeit ergab, dass mit erhöhten Luftschadstoffkonzentrationen insbesondere das Risiko, an Herz- und Lungenerkrankungen zu sterben steigt. Die Befunde bestätigen andere in den USA durchgeführte Studien..."

Die Landesregierung und hierbei insbesondere Verkehrsminister Oliver Wittke fordert immer wieder den Ausbau des Straßennetzes in NRW. Dem gegenüber wird durch die Landesregierung die Einrichtung von Umweltzonen in den vom Straßenverkehr hoch belasteten Regionen wie etwa dem Ruhrgebiet gegen das einstimmige Votum der Kommunen massiv blockiert. Umweltminister Eckhard Uhlenberg wird trotz seiner fachlichen Zustimmung für die Einrichtung einer flächendeckenden Umweltzone durch das Verkehrs- und Wirtschaftsministerium überstimmt und beweist damit seine mangelhafte Durchsetzungsfähigkeit innerhalb der Landesregierung. Menschen und Umwelt bezahlen dies mit ihrer Gesundheit, wie aktuell die Forschungsergebnisse aus München noch einmal erneut beweisen.

In der mit Luftschadstoffen mit am höchsten belasteten Region wird aktuell mitten durch das dicht bewohnte Ruhrgebiet die A 40 ausgebaut. Wohnhäuser stehen zum Teil unmittelbar bis an den Rand der Verkehrsachse, die bundesweit mit die höchsten Verkehrsbelastungen ausweist. Insbesondere gegen den Ausbau des Westkreuzes in Wattenscheid regt sich erheblicher Widerstand in der Bevölkerung, weil die bereits bestehenden Luftschadstoff- und Lärmbelastungen zusätzlich deutlich erhöht werden.

Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung:

1. Welche Erkenntnisse liegen der Landesregierung zu dem Zusammenhang zwischen den Belastungen durch Luftschadstoffe aus dem Straßenverkehr und dem Auftreten von Erkrankungen bei Anwohnerinnen und Anwohnern an Hauptverkehrsstraßen vor?

2. Welche Gutachten und epidemiologischen Studien hat die Landesregierung seit dem Jahr 2005 zum Thema Folgewirkungen von Luftschadstoffen aus dem Straßenverkehr auf Gesundheit und Umwelt mit welchen Ergebnissen in Auftrag gegeben?

3. Wie hoch ist der volkswirtschaftliche Schaden durch krankheitsbedingte Arbeitsausfälle und Gesundheitsschädigungen verursacht durch Luftschadstoffbelastungen aus dem Straßenverkehr?

4. Welche Untersuchungen hat die Landesregierung zu den Planungen für den Ausbau der A 40 im Hinblick auf die Zunahme der Luftschadstoffe und deren Auswirkungen auf die Gesundheit der Anwohnerinnen und Anwohner mit welchen Ergebnissen durchgeführt?

5. Welche Konsequenzen für den Gesundheitsschutz der Menschen in NRW werden aus den der Landesregierung bereits vorliegenden wissenschaftlichen Erkenntnissen sowie aus dem aktuellen Forschungsergebnis der epidemiologischen Untersuchung aus München für die Verkehrs- und Umweltpolitik der Landesregierung gezogen?

Antwort des Ministers für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz vom 11. August 2008 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Bauen und Verkehr und dem Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales:

Zur Frage 1:

Von den durch den Kfz-Verkehr freigesetzten Luftschadstoffen sind vor allem Feinstaub und Stickstoffdioxid von gesundheitlicher Bedeutung. Umweltepidemiologische Studien der vergangenen Jahre haben gezeigt, dass es bei einem Anstieg der Feinstaub- und Stickstoffdioxidbelastung in der Außenluft zu einer erhöhten Anzahl von Erkrankungen der Atemwege und des Herz-Kreislaufsystems in der Bevölkerung kommt. In einigen Studien wurde auch ein erhöhtes Allergierisiko ermittelt. Auch die Sterblichkeit in der Bevölkerung nimmt bei ansteigenden Feinstaub- und Stickstoffdioxidkonzentrationen in der Außenluft zu. Bei der im Auftrag des MUNLV durchgeführten Feinstaub-Kohortenstudie NRW ergab sich bei Personen, die im 50-Meter-Radius einer Hauptverkehrsstraße wohnen, ein deutlich höheres Sterblichkeitsrisiko in Folge von Atemwegs- bzw. Herz-Kreislauf-Erkrankungen als bei Personen in städtischen Wohngebieten ohne starke Verkehrsbelastung.

Sowohl für Feinstaub als auch für Stickstoffdioxid konnten bisher keine Schwellenwerte für eine Konzentration ermittelt werden, unterhalb derer eine Gesundheitsgefährdung ausgeschlossen werden kann.

Zur Frage 2:

Zur Erfassung der langfristigen Auswirkungen von Feinstaub auf die bevölkerungsbezogene Mortalität wird im Auftrag des MUNLV vom Institut für Epidemiologie am HelmholtzZentrum münchen - Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt - die FeinstaubKohortenstudie NRW durchgeführt. Die erste Phase zu diesem Projekt wurde 2005 abgeschlossen. Der Abschlußbericht („Feinstaub - Kohortenstudie Frauen in NRW. Langfristige gesundheitliche Wirkungen von Feinstaub in Nordrhein-Westfalen 2002-2005") wurde im November 2005 an die Mitglieder des Landtags-Ausschusses für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz übersandt (Vorlagennummer: 14/131). Die Studie soll wie geplant ab 2009 weitergeführt werden. Hierzu wird derzeit in einem gesonderten Projekt im Auftrag des LANUV fachlich geprüft, zu welchem Zeitpunkt die geplante zweite Phase der Feinstaub-Kohortenstudie NRW begonnen werden sollte, um statistisch belastbare Ergebnisse zu erhalten.