Warum subventionieren Landesregierung und Erftverband zugunsten von RWE die Renaturierung der Erft mit 63 Millionen Euro?

Die Erft wurde in den fünfziger Jahren des letzten Jahrhunderts zur Ableitung des Grundwassers aus dem rheinischen Braunkohlerevier zu einem Kanal ausgebaut und muss nach Ende der Tagebautätigkeit bis zum Jahre 2045 aufgrund der abnehmenden Abflussmengen wieder zu einem möglichst naturnahen Fließgewässer zurückgebaut werden. Die Landesregierung rechnet zurzeit mit Gesamtkosten von 70 Millionen Euro. Davon sollen gemäß des Vereinbarungsentwurfs das Land Nordrhein-Westfalen 52,5 Millionen Euro, der Erftverband 9,5 Millionen Euro und RWE Power 8 Millionen Euro übernehmen.

Obwohl die Ableitung von Grundwasser aus den Braunkohletagebauen und Kühlwasser aus den Kraftwerken der Anlass für die Kanalisierung der Erft war und RWE Power jahrzehntelang Milliardengewinne mit der Braunkohlegewinnung gemacht hat, soll nun die fällige Renaturierung des Flusses zu fast 90% mit öffentlichen Mittel finanziert werden. Darüber hinaus muss bezweifelt werden, ob die geplanten 70 Millionen Euro für die Renaturierung von 50 km Wasserstrecke ausreichend sind. Es ist zu befürchten, dass die SteuerzahlerInnen im Nachhinein noch eine wesentlich höhere Rechnung präsentiert bekommen.

Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung:

1. Zwischen welchen Vertragsparteien soll die o. g. Vereinbarung zur Erftrenaturierung geschlossen werden?

2. Was regelt diese Vereinbarung im Einzelnen?

3. Welche Wassermengen wurden pro Jahr seit der Kanalisierung in den 1950er Jahren aufgrund von Sümpfungsmaßnahmen des Braunkohlebergbaus in die Erft eingeleitet (bitte Auflistung pro Jahr)?

4. Welche Wassermenge führt die Erft im Bereich des Braunkohlebergbaus pro Jahr im Durchschnitt ohne die Einleitungen aus den Braunkohletagebauen?

5. Warum wendet die Landesregierung nicht das Verursacherprinzip an und zieht RWE Power als Nutznießerin der Kanalisierung in angemessener Weise zur Verantwortung?

Antwort des Ministers für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz vom 2. September 2008 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Ministerin für Wirtschaft, Mittelstand und Energie:

Vorbemerkung:

Die Erft ist seit den 1960er Jahren auf einer Strecke von rund 50 km oberhalb von Bergheim bis zur Mündung in den Rhein begradigt, kanalisiert und extrem leistungsfähig, aber naturfern ausgebaut worden. Mit diesem Ausbau wurden damals zwei Ziele verfolgt:

Zum einen sollte die Erft bis zu 30 m³/s Sümpfungswasser aus dem Braunkohletagebauen aufnehmen und ableiten. Hierfür war ein Ausbau des sog. Mittelwasserbettes erforderlich, um eine großräumige Vernässung der Erftaue zu vermeiden.

Gleichzeitig wurden in diesen Jahren Maßnahmen am Gewässer umgesetzt, die eine bessere landwirtschaftliche Bewirtschaftung der Erftaue ermöglichten und der Siedlungsentwicklung sowie dem Hochwasserschutz dienten. Dies kam den Kommunen und der ansässigen Landwirtschaft zugute.

Als Leitlinie und übergeordnetes Ziel für die künftige Umgestaltung der Erft ist deshalb zu beachten, das Auslaufen der bergbaubedingten Einflüsse verträglich zu organisieren, zugleich aber diejenigen landwirtschaftlichen, gewerblichen und Siedlungsstrukturen in der Erftaue zu erhalten, die der „kombinierte" Ausbau ab den 60er Jahren gerade erst ermöglichen sollte. Die geplante Umgestaltung der Erft bis zum Jahre 2045 dient deshalb nicht dazu, den ursprünglichen Zustand wieder herzustellen. Deshalb kann die Erft nicht einfach auf den Zustand vor Beginn des Bergbaus zurückgebaut werden. Vielmehr dient der Umbau der zukünftigen Sicherstellung wasserwirtschaftlicher Verhältnisse, die eine geordnete Erhaltung und Entwicklung landwirtschaftlicher, gewerblicher sowie Siedlungsstrukturen und der Entwicklung eines naturnahen Auenraumes (für Freizeit und Erholung) ermöglicht. Sie stellt erneut eine „kombinierte" Weiterentwicklung von Erft und Erftaue als Gemeinschaftsaufgabe dar. In diesem Sinne ist in den Jahren 2003 und 2004 das „Perspektivkonzept Erftumbau 2045" unter Leitung des MUNLV und des Erftverbandes mit Beteiligung von RWE Power AG und den für die Region zuständigen Behörden und Kommunen erarbeitet worden. Auf diesen Einigungsstand bezieht sich die in der Frage angesprochene Rahmenvereinbarung.

Zur Frage 1:

Die Rahmenvereinbarung wird zwischen dem Land NRW, dem Erftverband und der RWE Power AG geschlossen.

Zur Frage 2:

Die Vereinbarung regelt den Zeitplan mit

- kurzfristigen Maßnahmen bis 2015,

- mittelfristigen Maßnahmen bis 2027 und

- langfristigen Maßnahmen bis 2045.

Der Zeitplan berücksichtigt die Umsetzungszeithorizonte nach § 25c WHG.

Die Rahmenvereinbarung bündelt die Maßnahmen und Beiträge der Beteiligten. Dabei werden folgende Gesichtspunkte einbezogen:

- Reduzierung des Mittelwasserbettes

- Herstellung eines weitgehend naturnahen Fließgewässers nach den Zielvorgaben der EG-Wasserrahmenrichtlinie,

- Aufwertung des Auenlandschaftsraumes als Erholungsfunktion für die Bevölkerung und Naturfunktion für den Artenschutz nach den Zielvorgaben der EGWasserrahmenrichtlinie,

- Management von Gewässernutzungen, wie Sümpfungswasserbelüftung, Wärmefrachtbegrenzung.

Nach der Rahmenvereinbarung sind die Kosten der Erftumgestaltung von rund 70 Mio. vom Land mit rund 52,5 Mio., vom Erftverband mit 9,5 Mio. und von RWE-Power mit 8 Mio. zu tragen. Die Kosten für die Begrenzung der Wärmefracht und für die Sauerstoffbelüftung trägt RWE-Power vollständig.

Zur Frage 3:

Die Jahreseinleitmenge des Braunkohlenbergbaus in die Erft wird seit dem Wasserwirtschaftsjahr 1961 erfasst. Die nachfolgende Tabelle zeigt die eingeleiteten Wassermengen auf.

Zur Frage 4:

Der maßgebende Pegel zur Beobachtung der Wassermengen im Unterlauf der Erft ist der Landespegel Neubrück. Der mittlere, naturnahe Abfluss, also ohne Beeinflussung durch den Bergbau, liegt bei ca. 5 m³/s.

Zur Frage 5:

RWE Power wird durch die Vereinbarung bei Berücksichtigung aller Beiträge angemessen an den entstehenden Kosten beteiligt. Sie geht zurück auf die in den Steuerungsgruppengesprächen im Jahr 2004 festgelegten Beiträge über die Kostenträgerschaft der drei Beteiligten Land NRW, Erftverband und RWE Power AG auf der Basis des „Perspektivkonzeptes Erftumbau 2045" (vgl. Vorbemerkung).