Einführung einer hessenweiten digitalen Signaturkarte zur Stärkung der elektronischen Bürgerdienste

Karten mit Mikroprozessoren, so genannte Chipkarten oder Smart Cards, werden inzwischen vielfach eingesetzt, um Dienstleistungen in Anspruch zu nehmen. Weit verbreitet sind Bank-, Geld- oder Telefonkarten. Derartige Karten werden aber auch als Studenten- oder Betriebsausweis sowie für die elektronische Signatur genutzt.

Weitere Karten werden vielerorts geplant und die Nutzungsmöglichkeiten der vorhandenen Karten erweitert. Die Akzeptanz beim Bürger sowie die Praxistauglichkeit können leiden, wenn eine Vielzahl von Karten mit jeweils anderer Technik und für immer neue Anwendungen auf den Markt kommt.

Das Bundesland Baden-Württemberg hat auf diese Entwicklung reagiert und eine landesweit geltende so genannte Baden-Württemberg-Card eingeführt. Mithilfe dieser Karte und einem Lesegerät ist es möglich, elektronische Dienstleistungen der Behörden in Anspruch zu nehmen, wie die An- und Abmeldung von Auto und Wohnsitz, der Beantragung eines polizeilichen Führungszeugnisses oder einer zusätzlichen Lohnsteuerkarte.

Vorbemerkung des Ministers des Innern und für Sport:

Die vom Bundesland Baden-Württemberg landesweit eingeführte Baden-Württemberg-Card ersetzt nicht die Chipkarten und Smart Cards für spezielle Dienstleistungen, z. B. Bank- oder Geldkarten, Ausweisfunktionalitäten oder Ähnliches. Die Baden-Württemberg-Card sollte im Rahmen der kommunalen und staatlichen e-Bürgerdienste landesweit bei der elektronischen Kommunikation, Interaktion und Transaktion zwischen allen Behörden und Privatpersonen und Privatunternehmen zum Einsatz kommen.

Der laufende Pilotversuch musste für den Abschnitt "elektronische Signatur" unterbrochen werden, da die am Pilotversuch als akkreditiertes Trustcenter und Herausgeber der Baden-Württemberg-Card beteiligte Firma Deutsche Post AG Signtrust zum 31. Dezember 2002 ihren Betrieb einstellt. Die Internet-Marktsituation, die technischen und organisatorischen Probleme um elektronische Signatur-Produkte haben zu diesem Schritt geführt. Über die Fortsetzung des Abschnitts "elektronische Signatur" im Pilotprojekt wird zurzeit verhandelt.

Diese Vorbemerkungen vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage im Einvernehmen mit dem Minister für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung wie folgt:

Frage 1. Wie beurteilt die Landesregierung die Initiative "Baden-Württemberg-Card"?

Die Initiative des Landes Baden-Württemberg wird insgesamt positiv beurteilt und von der hessischen Landesverwaltung auch in den verschiedenen länderübergreifenden Gremien (Kooperationsauschuss Bund/Länder/Kommunaler Bereich Automatisierte Datenverarbeitung - KoopA ADV - und im Arbeitskreis VI der Innenministerkonferenz) mit beobachtet.

Frage 2. Welche Maßnahmen werden von der Landesregierung bisher geplant, um die Inanspruchnahme von elektronischen Dienstleistungen zu erleichtern?

Bei Projekten mit der elektronischen Signatur betritt die öffentliche Verwaltung in technischer und organisatorischer Hinsicht Neuland. Die Technik stellt sich dabei insbesondere in Projekten mit einer größeren Zahl von Anwendern als kompliziert und erklärungsbedürftig heraus. Organisatorisch müssen in den Verwaltungen neue Abläufe etwa zur Behandlung eingehender elektronisch signierter Unterlagen gefunden werden. Beides führt dazu, dass sich bereits in den Konzeptionsphasen von Projekten immer neue Fragen stellen, Zeitverzug eintritt und die erhofften Verbesserungsmöglichkeiten in absehbarer Zeit und mit absehbarem Aufwand nicht realisiert werden können.

Dennoch ist im Rahmen der Aktionslinie "hessen-infoline-kommunal" grundsätzlich geplant, Anwendungen zum Einsatz der elektronischen Signatur in Kommunen zu unterstützen.

Zur ersten Erprobung der elektronischen Signatur ist beabsichtigt, alle interessierten hessischen Kommunen mit einer Signaturkarte und einem Lesegerät auszustatten. Damit soll den Kommunen innerhalb einer geschlossenen Benutzergruppe die Kommunikation mit ihren kommunalen Verbänden ermöglicht werden. Weitere Anwendungen, wie z. B. die Datenpflege des Hessischen Gemeindelexikons sowie die Pflege eines landesweiten Veranstaltungskalenders, sind in Planung.

Darüber hinaus sollen Modellprojekte zum Einsatz der elektronischen Signatur gefördert werden. Aus den ersten eingereichten Vorschlägen zeichnet sich derzeit allerdings nur das Verfahren der elektronischen Abwicklung von Bauanträgen als umsetzungsfähig ab. Die diesbezüglichen Projektanträge werden derzeit noch geprüft.

Zurzeit befindet sich eine e-Government-Strategie der Hessischen Landesregierung im Abstimmungsprozess, in der die Fragen der elektronischen Dienstleistungen sowohl aus Binnensicht als auch aus der Sicht der Bürger und der Wirtschaft angesprochen werden. Die Einbeziehung des kommunalen Bereiches ist vorgesehen.

Der Landesautomationsausschuss hat in seiner Sitzung am 21. Mai 2002 beschlossen, in Zusammenarbeit mit der Deutschen Post AG Signtrust - als einzigem Anbieter, der derzeit den Standard ISIS/MTT abbilden kann - die Einführung der elektronischen Signatur im Rahmen eines Pilotvorhabens auf der in Hessen zur Verfügung stehenden Infrastruktur innerhalb der Landesverwaltung zu erproben. Aufgrund der in meiner Vorbemerkung beschriebenen Probleme müssen nunmehr neue Überlegungen angestellt werden.

Frage 3. Sieht die Landesregierung eine Möglichkeit, eine vergleichbare Lösung in Hessen einzuführen?

Wenn die notwendigen, von uns größtenteils nicht beeinflussbaren, technischen und organisatorischen Voraussetzungen geschaffen sind, ist eine vergleichbare Lösung für Hessen denkbar. Voraussetzung dazu ist auch, dass sich eine technische Lösung (Chipkarte, Lesegerät, Software) für die elektronische Signatur für die Anwender rechnet.

Frage 4. Wenn ja, welche rechtlichen Veränderungen müssten in diesem Zusammenhang vorgenommen werden?

Wenn elektronische Bürgerdienste auf kommunaler und staatlicher Ebene umfassend angeboten werden sollen, sind gesetzliche Regelungen in den Bereichen erforderlich, die für das Verwaltungshandeln eine bestimmte Form vorschreiben.

Das Verwaltungsverfahrensgesetz geht zwar vom Grundsatz der Formfreiheit aus. Selbst ein Verwaltungsakt kann mündlich erlassen werden. Diese Formfreiheit eröffnet bereits jetzt - ohne gesetzliche Veränderungen - die Möglichkeit, in vielen Situationen vollelektronisch zu arbeiten und insoweit auch elektronische Bürgerdienste einzuführen. Besondere gesetzliche Regelungen sind daher für den Bereich des formfreien Verwaltungshandelns nicht erforderlich.

Nur dort, wo Regelungen im Verwaltungsverfahrensgesetz und in spezialgesetzlichen Vorschriften die Wahlfreiheit einschränken, indem sie z. B. einen schriftlichen Antrag, einen schriftlichen Bescheid, das persönliche Erscheinen des Bürgers und die Zustellung des Bescheides verlangen, sind rechtliche Veränderungen erforderlich, welche die rechtsverbindliche elektronische Kommunikation auf der Basis qualifizierter elektronischer Signaturen nach dem Signaturgesetz eröffnen. Die qualifizierte elektronische Signatur gewährleistet unter anderem eine der Schriftform gleichwertige Beweisqualität.

Auf Bundesebene läuft bereits ein entsprechendes Gesetzgebungsverfahren, mit welchem die Verwaltungsverfahrensgesetze des Bundes (Verwaltungsverfahrensgesetz, Sozialgesetzbuch X und die Abgabenordnung) und die Fachgesetze im erforderlichen Umfang geändert werden. Darüber hinaus existiert ein Referentenentwurf zur Änderung des Verwaltungszustellungsgesetzes des Bundes, der die Zustellung auf elektronischem Wege mit einer qualifizierten elektronischen Signatur vorsieht. Das Hessische Verwaltungszustellungsgesetz verweist auf das Verwaltungszustellungsgesetz des Bundes. Das Hessische Verwaltungsverfahrensgesetz kann im Anschluss an das Gesetzgebungsverfahren des Bundes geändert werden, indem nach dem Prinzip der Einheit der Verwaltungsverfahrensgesetze des Bundes und der Länder die gleichen Änderungen wie auf Bundesebene vorzunehmen sind, um auch in Hessen eine rechtsverbindliche elektronische Kommunikation zwischen Bürgern und Verwaltung zu ermöglichen. Dabei soll im Gesetzestext des HVwVfG ebenso wie im VwVfG des Bundes in einem neuen § 3a die Gleichsetzung der elektronischen Form mit der gesetzlich vorgeschriebenen Schriftform mittels einer Generalklausel erfolgen, wodurch ein umfassender Geltungsanspruch über das Verwaltungsverfahrensgesetz hinaus zum Ausdruck gebracht wird. Dies führt dazu, dass auch die Schriftformbestimmungen in Verfahrensvorschriften der Fachgesetze von den Änderungen des Verwaltungsverfahrensgesetzes erfasst werden. Soweit diese Wirkung nicht gewollt ist, müssen in den jeweiligen Fachgesetzen Ausnahmen vorgesehen werden. Außerdem bedarf es der Änderung der Fachgesetze, die besondere Form- oder Verfahrensvorschriften enthalten, wie beispielsweise das Meldegesetz, welches in § 17 Abs. 2 HMG das persönlichen Erscheinen des Meldepflichtigen anordnet.

Frage 5. Sieht die Landesregierung eine Möglichkeit, im Rahmen des Internetauftritts der Landesregierung einen einheitlichen elektronischen Behördenwegweiser zu realisieren, der den Zugang zu elektronischen Dienstleitstungen erleichtern könnte?

Im Rahmen der e-Government-Strategie der Hessischen Landesregierung wird auch über die Frage der Verbesserung des Internetauftritts "www.hessen.de" und der Erweiterung zu einem "Hessen-Portal" diskutiert. Das Hessische Ministerium für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung hat hierzu im Rahmen des Kooperationsvertrages mit der Deutschen Telekom AG eine Studie entwickeln lassen. Innerhalb dieses Portals ist der Bereich eGovernment, in dem ein Behördenwegweiser vorgesehen ist, ein wichtiges Standbein. Eine Realisierung ist derzeit noch nicht abzusehen.

Daneben beteiligt sich Hessen mit einem namhaften Beitrag an einer durch den KoopA ADV in Auftrag gegebenen bundesweiten Machbarkeitsstudie eines "Elektronischen Behördenwegweisers für Bürger und Wirtschaft", eines so genannten Zuständigkeitsfinders. Die Machbarkeitsstudie liegt seit Mitte Juni 2002 mit positivem Ergebnis vor. Eine Umsetzung wird nunmehr in den Gremien Bund/Länder/Kommunaler Bereich diskutiert.

Frage 6. Verfügen die Internetauftritte der Landesbehörden über ausreichende Firewalls, um die Inanspruchnahme von elektronischen Dienstleistungen umfassend gegen den Missbrauch von Dritten abzusichern?

Der zentrale Internetauftritt der Landesregierung und auch die Internetauftritte der Ministerien werden technisch von der Hessischen Zentral für Datenverarbeitung (HZD) betreut. Die Dienstleistungen sind - soweit sie Verwaltungsdienstleistungen enthalten - gegen Missbrauch von Dritten geschützt. Die zentrale Firewall, die die gesamte Netzwerkinfrastruktur des Hessen Corporate Network (HCN) 2000 absichert, entspricht dem Stand der Technik. Sowohl die Security-Policy als auch die technische Auslegung der zentralen Firewall werden ständig überprüft und angepasst. Bisher, die zentrale Firewall existiert seit fünf Jahren, konnten alle "Einbruchsversuche" erfolgreich abgewehrt werden.

Sollten im Rahmen von e-Government neue Ansprüche, d.h. neue Zugriffsmöglichkeiten durch Dritte, gestellt werden, müssen die technische Auslegung und/oder das Regelwerk angepasst werden.

Dienststellen, die außerhalb des HCN 2000 ihren Internetauftritt betreiben, müssen über ihren Provider oder aber innerhalb der Dienststelle für die notwendige Absicherung Sorge tragen. Inwieweit dies der Fall ist, kann nicht in jedem einzelnen Fall nachvollzogen werden. Die jeweilige Dienststellenleiterin oder der jeweilige Dienststellenleiter trägt hierfür die Verantwortung.