Schornsteinhöhenberechnung

Die Schornsteinhöhenberechnung der Nr. 5.5.3 TA Luft geht von der idealtypischen Annahme aus, dass sich die Abgase in der Umgebung der Anlage ungestört ausbreiten können.

Soweit jedoch Ausbreitungshindernisse bestehen, kann es zu Verwirbelungen und erhöhten Punktbelastungen kommen. Nach Nr. 5.5.4 TA Luft ist insoweit ein Korrekturfaktor zu ermitteln, wenn 5 % des Beurteilungsgebietes eine Bebauung aufweist oder eine Bebauung nach einem Bebauungsplan zulässig ist. Bei der anschließenden Ermittlung des Korrekturfaktors ist nach Abbildung 3 zu Nr. 5.5.4 TA Luft auf die mittlere Höhe der geschlossenen vorhandenen oder nach einem Bebauungsplan zulässigen Bebauung abzustellen.

Die Bezirksregierung Detmold unterscheidet insoweit zwischen den Anwendungsvoraussetzungen der Nr. 5.5.4 TA Luft, die nach ihrem Wortlaut auf das Beurteilungsgebiet Bezug nehmen, und der anschließenden Bestimmung der mittleren Höhe nach der Abbildung 3, die sich nach dem Wortlaut nicht auf das Beurteilungsgebiet bezieht. Nach Ansicht der Bezirksregierung ist bei der Bestimmung der mittleren Höhe nach Abbildung 3 auf die vorhandene oder baurechtlich zulässige Bebauung in der Umgebung der Anlage und nicht auf das gesamte Beurteilungsgebiet abzustellen. Tatsächlich ist in dem vorliegenden Verfahren ein Kesselhaus in der Höhe von 50 Metern vorgesehen und lässt der Bebauungsplan im Bereich der Anlage Gebäude mit einer Höhe von 110 Metern zu.

Nach der Rechtsansicht des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit soll die Bestimmung der mittleren Höhe nach Abbildung 3 in Bezug auf das gesamte Beurteilungsgebiets erfolgen. Allerdings endet die Betrachtung hiermit nicht. Nach den konkreten Umständen vor Ort kann der Regelungszweck der Nr. 5.5.4 TA Luft, einen freien Abtransport der Luftschadstoffe zu gewährleisten und erhöhte Punktbelastungen zu verhindern, auch dann gefährdet sein, wenn in unmittelbarer Nachbarschaft des Schornsteins einzelne hohe Gebäude stehen. Dies ist naturgemäß bei einer pauschalierenden Betrachtung über das gesamte Beurteilungsgebiet (vorliegend von der Bezirksregierung mit einem Umkreis von 4,7 km um den Kamin ermittelt) nicht berücksichtigt. Insoweit weist die Stellungnahme des BMU darauf hin, dass unter Beachtung der Umgebungsbebauung eine weitere Schornsteinerhöhung erforderlich sein kann.

Die in der Anfrage angegebene Kommentierung von Hansmann führt aus, dass der Schornstein nach Nr. 5.5.4 TA Luft zu erhöhen ist, wenn u. a. in 5 % des Beurteilungsgebietes Bebauung vorliegt (Hansmann, Kommentar zur TA Luft, Nr. 5.5, Rdn. 19). Bei der folgenden Beispielsberechnung bezieht sich Hansmann zur Bestimmung der mittleren Höhe auf die Bebauung „in einem anteiligen Areal des Beurteilungsgebietes" und stellt klar, dass bei besonders hohen Gebäuden im Einwirkungsbereich nach Nr. 4.8 TA Luft eine weitere Erhöhung erforderlich werden kann.

Im Ergebnis gehen alle Ansichten davon aus, dass bei der Bestimmung der Schornsteinhöhe über eine Betrachtung des gesamten Beurteilungsgebietes hinaus auch die Verhältnisse in der Nachbarschaft des Schornsteins berücksichtigt werden müssen. Ein Unterschied besteht in der rechtlichen Ableitung, als einmal bei der unmittelbaren Anwendung der Nr. 5.5.4 TA Luft die Umgebungsbebauung berücksichtigt wird und dies nach anderer Ansicht über Nr. 4.8 TA Luft erfolgt. Die in der Kleinen Anfrage vertretene Rechtsansicht, nach der es zur Bestimmung der Schornsteinhöhe allein auf die mittlere Höhe im gesamten Beurteilungsgebiet ankommt und die Verhältnisse in unmittelbarer Umgebung der Anlage nicht berücksichtigt werden, wird von keiner der Ansichten geteilt.

Die Verfahrensweise der Bezirksregierung Detmold, bei einer Schornsteinerhöhung neben den Bebauungsverhältnissen im Beurteilungsgebiet die vorhandene und zulässige Bebauung in der Umgebung des Kamins zu betrachten, entspricht auch der Verwaltungspraxis der anderen Bezirksregierungen in NRW.

Unzutreffend ist die Annahme, die rechtliche Auslegung der Nr. 5.5.4 TA Luft durch die Bezirksregierung Detmold sei durch das MUNLV vorgegeben worden. Dies ergibt sich auch nicht aus der in der Anfrage zitierten Ergebnisniederschrift einer Besprechung u. a. mit Vertretern des MUNLV. Die Regelung der Nr. 5.5.4 TA Luft und die Frage, wie die Umgebungshöhe zu bemessen ist, waren nicht Gegenstand der Besprechung vom 8.3.2007 (das in der Anfrage benannte Datum 15.3.2007 ist das Datum der Erstellung des Vermerks).

Bei dieser Besprechung ging es darum, ob den Immissionsprognosen die tatsächliche Schornsteinhöhe von 94 m oder die nach TA Luft zu bestimmende Schornsteinhöhe zugrunde zu legen ist. Relevant war und ist diese Fragestellung insoweit, als bei einer Überschreitung der Immissionswerte mit einer nach TA Luft bestimmten Schornsteinhöhe nach Nr. 5.5.2 Abs. 3 TA Luft Maßnahmen über den Stand der Technik hinaus gefordert werden.

Bei der Besprechung vom 8.3.2007 wurde entgegen der ursprünglichen Position der Antragstellerin und mit der Position der Einwender entschieden, dass in dem vorliegenden Verfahren nach Nr. 5.5.3 TA Luft zunächst auf die nach TA Luft zu ermittelnde Schornsteinhöhe abzustellen ist. Die Eingangsfaktoren der Schornsteinhöhenberechnung waren nicht Thema dieser Besprechung.

Die Entscheidung der Bezirksregierung, die im Genehmigungsverfahren diskutierte Rechtsfrage nicht an das BMU weiterzuleiten, war richtig. Wenn aus Sicht der Bezirksregierung eine Rechtsfrage nicht in eigener Verantwortung entschieden werden kann, so ist eine Entscheidung der nächsthöheren Landesbehörde ­ hier des MUNLV ­ herbeizuführen.

Die Anfrage sieht mit dem Vorgehen der Vertreter des MUNLV und der Bezirksregierung Detmold den Verdacht bestätigt, dass diese mit dem Antragsteller „unter einer Decke stecken", um eine Genehmigung für die Anlage zu ermöglichen. Dieser Vorwurf ist in aller Deutlichkeit zurückzuweisen. Auch bei politisch umstrittenen Anlagen wie in dem vorliegenden Fall besteht nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz ein Rechtsanspruch auf Erteilung der Genehmigung, wenn die Genehmigungsvoraussetzungen erfüllt sind. Hierzu sind auch streitige Rechtsfragen von der Genehmigungsbehörde zu entscheiden. Selbst wenn die aufgeworfene Rechtsfrage entscheidungsrelevant wäre, rechtfertigt die Annahme einer von den Einwendern nicht geteilten Rechtsauffassung nicht den Vorwurf der Rechtsbeugung. Dies gilt auch nicht in dem umgekehrten Fall, als in der o.g. Besprechung vom 8.3.2007 von der Bezirksregierung und dem MUNLV mit der Position der Einwender entschieden wurde, eine Immissionsermittlung unter Zugrundelegung der Schornsteinhöhe nach TA Luft zu fordern.

1. Warum haben die Vertreter des MUNLV bei der Besprechung am 15.03.2007 nicht darauf hingewirkt, dass die „Umgebungshöhe" in einem iterativen Verfahren als Mittelwert für das Beurteilungsgebiet ermittelt wurde?

Wie oben dargelegt, fand die Besprechung am 8.3.2007 statt. Da die Eingangsfaktoren der Schornsteinhöhenberechnung nicht Gegenstand der Besprechung waren, bestand seitens der Vertreter des MUNLV keine Veranlassung, zur Bemessung der Umgebungshöhe Stellung zu nehmen.

2. Welches Gebiet ist für die Ermittlung der „Umgebungshöhe" in der Vergangenheit bei ähnlichen Vorhaben in Nordrhein-Westfalen (z. B. EBS-Kraftwerk Rheinberg, Kohlekraftwerke, Müllverbrennungsanlagen) betrachtet worden?

Bei dem EBS-Kraftwerk Rheinberg ist zunächst die mittlere Höhe der Umgebungsbebauung im gesamten Beurteilungsgebiet ermittelt worden und anschließend der Schornstein in Hin blick auf das benachbarte Kesselhaus erhöht worden. Ohne dass alle Zulassungsverfahren betrachtet werden konnten, ergab eine Abfrage bei den Bezirksregierungen, dass die Schornsteinhöhenberechnung i.d.R nach dem von der Bezirksregierung Detmold vertretenen Verfahren erfolgt.

3. Wie bewertet das MUNLV den Umstand, dass im Genehmigungsverfahren für die geplante Abfallverbrennungsanlage in Paderborn eine „Irrelevanz" der Zusatzbelastungen nur durch die fehlerhafte Auslegung der Nr. 5.5.4 TA Luft erhalten bleibt, so dass und die Antragstellerin damit bislang vor Erstellung einer neuen Immissionsprognose und einer Vorbelastungsuntersuchung verschont wurde?

Die Berechnung der Bezirksregierung ist nicht fehlerhaft. Eine neue Immissionsprognose ist nicht erforderlich.

4. Was unternimmt die Landesregierung bzw. das MUNLV, um auch im Genehmigungsverfahren für die geplante Abfallverbrennungsanlage in Paderborn noch eine TA Luft-konforme Ermittlung der „Umgebungshöhe" und somit der Schornsteinhöhe zu gewährleisten?

Nichts. Zur Begründung siehe Antwort zu 3.

5. Sieht die Landesregierung die Gefahr von Regressansprüchen der Antragstellerin gegen das Land Nordrhein-Westfalen, wenn die Bezirksregierung Detmold für die geplante Abfallverbrennungsanlage in Paderborn jetzt noch eine TA-Luft konforme Ermittlung der „Umgebungshöhe" bzw. der Schornsteinhöhe verfügt?

Regressansprüche sind aus Sicht der Landesregierung möglich, wenn mit dem Begehren der Kleinen Anfrage eine weitere Immissionsprognose gefordert würde. Bei der Genehmigung von Abfallverbrennungsanlagen besteht nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz ein Rechtsanspruch auf Erteilung der Genehmigung, wenn die Genehmigungsvoraussetzungen erfüllt sind. Ermittlungen, die sich nicht aus dem geltenden Recht ableiten, können vom Antragsteller nicht gefordert werden. Wie die Anfrage selbst anmerkt, haben sowohl die Bezirkregierung als auch das LANUV die Antragstellerin gebeten, weitere Untersuchungen vorzunehmen, um dem Begehren der Einwender nachzukommen. Diese Untersuchungen sind jedoch rechtlich nicht gefordert und können daher auch nicht durchgesetzt werden.