Standardisierte Bewertung der Düsseldorfer Wehrhahnlinie

Die Standardisierte Bewertung ist ein vom Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (GVFG) vorgeschriebenes Verfahren zur gesamtwirtschaftlichen Kosten-Nutzen-Untersuchung von ÖPNV-Projekten. Für die Förderung nach dem GVFG maßgeblich ist, dass der Nutzen größer als die Kosten ist. In das Ergebnis der Standardisierten Bewertung sollen alle externen Effekte eines Projektes einfließen. Das Verfahren soll eine vergleichbare Bewertung verschiedener Projekte nach einheitlichen Maßstäben liefern, um öffentliche Fördermittel des Bundes nach Förderwürdigkeit zu verteilen. Dabei werden nicht nur die betriebswirtschaftlichen Effekte einer Maßnahme als Kosten-Nutzen-Analyse ausgewiesen, sondern auch die gesamtwirtschaftlichen und gesamtgesellschaftlichen Effekte.

Der Verkehrsclub Deutschland (VCD), Kreisverband Düsseldorf, hat in Schreiben u. a. an das Ministerium für Bauen und Verkehr und die Bezirksregierung Düsseldorf am 12.05. und am 13.03.2007 auf methodische und sachliche Mängel in der von der Stadt Düsseldorf vorgelegten Standardisierten Bewertung des Stadtbahnprojektes Wehrhahnlinie hingewiesen. Eine formelle, sachliche Stellungnahme dazu steht weiterhin aus. Auf dem Wege der Akteneinsicht unter Berufung auf das Informationsfreiheitsgesetz konnte der VCD Düsseldorf Einsicht erhalten in eine Stellungnahme der Stadt Düsseldorf an die Bezirksregierung vom 17.08.2006 zu dem VCD-Schreiben vom 12.05.2006. Auf diese Stellungnahme bezieht sich auch das VCD-Schreiben vom 13.03.2007. In Reaktion auf entsprechende Nachfragen seitens der Presse hat ein Mitarbeiter des Ministeriums für Bauen und Verkehr Antworten formuliert, die er dem VCD per E-Mail am 31.07.2008 ebenfalls zur Kenntnis gegeben hat mit der Bemerkung: „Ich hoffe, dass hiermit auch Ihre Fragen nunmehr hinreichend beantwortet werden."

Die folgenden Punkte sind im Zusammenhang mit diesem Schriftwechsel von Bedeutung:

1. Der Mitarbeiter des Ministeriums für Bauen und Verkehr schreibt in seiner E-Mail, dass die Liniennetze im Ohnefall und Mitfall bei der Standardisierten Bewertung vor allem „möglichst kongruent" sein müssen. In der Verfahrensanleitung zur Standardisierten Bewertung ist dieses Kriterium nicht erwähnt. Sie sieht vor, dass im Ohnefall Maßnahmen zu berücksichtigen sind ­ etwa aus dem Nahverkehrsplan ­ die bis zum Prognosejahr aller Wahrscheinlichkeit nach realisiert sein werden. Von der Berücksichtigung von Verschlechterungen bereits im Ohnefall, die sich allein durch die Realisierung des Projektes ergeben, ist dort jedoch nicht die Rede.

2. Die Standardisierte Bewertung der Wehrhahnlinie weist aus, dass nach Inbetriebnahme der U-Bahn die Wegezeiten zu den Haltestellen (für Erwachsene) kürzer sein werden als im Ohnefall. Der VCD hatte darauf hingewiesen, dass dieses Ergebnis völlig unplausibel ist, zumal nicht nur die Wege zu den tief gelegenen Bahnsteigen eigentlich länger sind als bisher, sondern auch noch eine heute stark genutzte Haltestelle (Jacobistraße, Kaufhäuser Karstadt und Kaufhof) wegfällt.

3. Nach Angaben in der Standardisierten Bewertung ist in die Modellrechnung eine Fahrzeiteinsparung von 10 bzw. 11 Minuten je nach Fahrtrichtung eingegangen. In der Stellungnahme der Stadt Düsseldorf wird erläutert, dass dies auf einer Auswertung der Fahrzeiten werktags zwischen 16 und 18 Uhr beruht. Die gleiche Fahrzeiteinsparung wurde dann aber auch für alle Fahrten außerhalb der Hauptverkehrszeit angenommen.

Der VCD Düsseldorf hatte darauf hingewiesen, dass in der Verfahrensanleitung zur Standardisierten Bewertung in Bezug auf die ÖV-Reisezeiten eine solche „Fokussierung auf die Hauptverkehrszeit" ­ anders als von der Stadt Düsseldorf behauptet ­ nicht vorgesehen ist.

4. In der Standardisierten Bewertung der Wehrhahnlinie wird dargelegt, dass es auf den oberirdischen Vorlaufstrecken eine „Beschleunigungswirkung" (Fahrzeitverkürzung von einer Minute) geben soll aufgrund der neuer, stadtbahntauglicher Fahrzeuge (die inzwischen schon verkehren). In der Stellungnahme der Stadt vom 17.08.2006 wird dann gesagt, dass eine Beschleunigungswirkung nur eingegangen sei für eine von drei Stadtbahnlinien ­ weil dort längere Fahrzeuge eingesetzt werden sollen. Auf entsprechende Nachfrage, welche von beiden Aussagen denn stimmt, hat das Ministerium für Bauen und Verkehr bisher überhaupt noch nicht reagiert.

Vorbemerkung der Landesregierung:

Die Standardisierte Bewertung ist ein bundesweit anerkanntes Berechnungsverfahren zur Beurteilung der Bauwürdigkeit eines Vorhabens im volkswirtschaftlichen Sinne. Grundlage in diesem Verfahren ist eine Vielzahl von Annahmen und Parametern. Diese wurden dem Grunde nach im Vorfeld der endgültigen Aufstellung der Bewertung in 11 Besprechungen intensiv zwischen Bundesregierung, Landesregierung, Bezirksregierung, Stadt Düsseldorf und dem aufstellenden Ingenieurbüro erörtert und festgesetzt.

Das Stadtbahnbauvorhaben „Wehrhahnlinie" ist Bestandteil des sog. Bundesprogramms nach dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz. Demnach ist die Bundesregierung bei der Erarbeitung der Standardisierten Bewertung „Herr des Verfahrens".

Letztendlich wurde die grundsätzliche Plausibilität des Gesamtverfahrens von den Zuwendungsgebern beurteilt und bestätigt.

1. Wie wird die vom Mitarbeiter des Ministeriums für Bauen und Verkehr gegenüber dem VCD Düsseldorf geäußerte Auffassung begründet, dass bei der Konstruktion des Ohnefalles in der Standardisierten Bewertung das Kriterium „Kongruenz" zum Mitfall eine wesentliche Bedeutung haben muss?

In einer Standardisierten Bewertung sind Infrastrukturvorhaben zu bewerten und keine Netze. Dementsprechend wurden Ohnefall und Mitfall auf der Grundlage der Verfahrensanleitung definiert. Wesentliches Kriterium ist die Fokussierung der Wirkungsermittlung auf die Effekte, die von dem zu bewertenden neuen Infrastrukturvorhaben, der Tunnelstrecke der Wehrhahnlinie, ausgehen.

2. Wenn nach Auffassung des Ministeriums für Bauen und Verkehr Plausibilitätsüberlegungen hinsichtlich der Wegezeiten zu den Haltestellen wegen der „hoch komplexen" Berechnungen und zugrunde liegenden „umfangreichen Datenmassive" keine weitere Erklärung erfahren können, wie kann dann das Gesamtergebnis der Standardisierten Bewertung als Fördervoraussetzung bewertet und gerechtfertigt werden?

Die Verfahrensanleitung zur Standardisierten Bewertung sieht diverse Plausibilitätsprüfungen vor, die auch hier durchgeführt wurden.

3. Wenn nach Auffassung des Ministeriums für Bauen und Verkehr laut der Verfahrensanleitung zur Berechnung der Verkehrsnachfrage eine Berechung für Samstage und Sonntage zu aufwändig ist, wie wird dann gerechtfertigt, Reisezeitverkürzungen etwa an Sonntagen in die Nutzen/Kosten-Rechnung einfließen zu lassen?

Die Verfahrensanleitung legt für alle Standardisierten Bewertungen fest, dass die verkehrlichen Wirkungen auf Basis der Verkehrsnachfrage und der Verkehrsangebote für einen Werktag berechnet und mit vorgegebenen Faktoren, die die Wochenenden berücksichtigen, auf Jahreswerte hochgerechnet werden. Reisezeitverkürzungen z. B. an Sonntagen sind nicht alternativ untersucht worden.

4. Wird die Frage, welche Fahrzeitverkürzung auf den Vorlaufstrecken möglich ist und in die Standardisierte Bewertung einfließen kann, als zu vernachlässigendes Detail angesehen?

Nein.