Werden in NRW kritische Wissenschaftler mundtot gemacht?

Am 07.04.2008 hat Professor Heinz Gess auf der von ihm betrieben Homepage www.kritiknetz.de unter dem Titel „Grün-braune Liebe zur Natur: Die NSDAP als „grüne Partei" und die Lücken der Naturschutzforschung" den Artikel der Autoren P. B. und C. H. veröffentlicht.

In seiner Nachbemerkung verweist Prof. Gess darauf, dass "Werner Haverbeck an der FH Bielefeld ungeachtet seiner Nazi-Karriere und neofaschistischen Aktivitäten ungestört seinen ideologischen und politischen Geschäften nachgehen und seine verdorbenen Früchte als "Professor für Sozialwissenschaft" unter die Studierenden bringen konnte, ohne je dafür an der FH in die Kritik zu geraten und ohne dass das Rektorat der FH es je für nötig gehalten hätte, sich von seinem Tun oder seinen Schriften zu distanzieren..." Werner Haverbeck (1909-1999) wirkte in den 70er Jahren an der Fachhochschule Bielefeld als Professor für Sozialwissenschaft. Haverbeck war Mitglied der NSDAP-Reichsleitung, des NS-Studentenbundes und der SA sowie Leiter des NS-Reichsbundes für Volkstum und Heimat. In der Bundesrepublik war Haverbeck Präsident des rechtslastigen Umweltverbandes „Weltbund zum Schutz des Lebens" von 1974 bis 1982 und Mitunterzeichner des so genannten Heidelberger Manifestes von 1981. Haverbeck war zudem Mitbegründer des so genannten Collegium Humanum in Vlotho, einer rechtsextremen Tagungsstätte, die Anfang Mai 2008 von Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble wegen rechtsextremer Umtriebe verboten wurde.

Wegen des o. g. Hinweises von Prof. Gess darauf, dass ein ehemaliger hochrangiger NSDAP-Funktionär und in der Bundesrepublik prominenter Nazi-Aktivist an der FH Bielefeld tätig sein konnte, soll die Rektorin der Fachhochschule Bielefeld ein Disziplinarverfahren eingeleitet haben. Hierin soll sie Herrn Prof. Gess vorwerfen, seine Pflichten als Beamter verletzt, dem Ansehen der Behörde geschadet und insbesondere gegen die Verschwiegenheitspflicht verstoßen zu haben.

Engagierte Bürgerinnen und Bürger, die sich für Prof. Gess einsetzen, beschweren sich, dass sie von Minister Pinkwart durch sein Ministerium "aber nur die lapidare Auskunft bekommen" haben, "dass in der Personalakte Haverbecks kein Hinweis auf dessen NS Vergangenheit zu finden sei und Herr Minister Pinkwart nicht Stellung nehmen wolle, weil das Verfahren eine Angelegenheit der Leitung der Fachhochschule sei."

Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung:

1. Ist die Landesregierung der Ansicht, dass der Ruf der FH Bielefeld durch die Publikation von Prof. Gess geschädigt wurde?

2. Wie konnte es dazu kommen, dass bis April 2008 die Tätigkeiten von Haverbeck an der FH Bielefeld nicht aufgearbeitet wurden?

3. Was will die Landesregierung unternehmen, um zu klären, wie es möglich war, dass Haverbeck an der FH Bielefeld Dozent werden konnte?

4. Warum hat Minister Pinkwart eine Stellungnahme zu dem angeblich eingeleiteten Disziplinarverfahren verweigert?

5. Teilt Minister Pinkwart die Aussage seines Hauses im Antwortschreiben vom 03.09.2008 auf Beschwerden hinsichtlich der Einleitung des Disziplinarverfahrens, dass es keinen Hinweis auf die NS-Vergangenheit von Haverbeck gibt?