98 illegal getöteten Greifvögeln

FWährend im Zeitraum von 2000 bis 2007 noch 51 Fälle mit insgesamt 98 illegal getöteten Greifvögeln in zwölf Kreis- und Stadtgebieten der niederrheinischen Bucht zu verzeichnen waren, sind es in diesem Jahr bis zum Herbst alleine 40 Fälle mit weit mehr als 100 getöteten Tieren gewesen. Dies dokumentiert einen dramatischen Anstieg der kriminellen Übergriffe auf die Greife, zu denen auch sehr seltene und vom Aussterben bedrohte Arten zählen.

Offenbar werden selbst bekannt gewordene Fälle von den zuständigen Behörden nicht immer konsequent und umfassend verfolgt, wie ein Beispiel aus Disternich, Kreis Düren, zeigt.

Fachleute gehen davon aus, dass neben den bekannt gewordenen illegalen Verfolgungen eine hohe Dunkelziffer an Straftaten besteht. Selbst die Stabsstelle gegen Umweltkriminalität im NRW-Umweltministerium bestätigt, dass es sich um ein weit verbreitetes und ernst zu nehmendes Problem handelt, dass den Erhalt von streng geschützten Tieren nachhaltig gefährdet.

Vorbemerkung der Landesregierung:

Sämtliche in Deutschland heimischen Greifvögel sind streng geschützte Tierarten im Sinne von § 10 Abs. 2 Nr. 11 BNatSchG in Verbindung mit Anhang A der Verordnung (EG) Nr. 338/97.

Jede Art der Nachstellung, etwa durch das Aufstellen von Fangeinrichtungen oder die Tötung von Greifvögeln ist daher gemäß § 66 in Verbindung mit §§ 65 Abs. 1 Nr. 1, 42 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG eine Straftat.

Ferner erfüllt die Tötung eines Greifvogels stets gleichzeitig (tateinheitlich im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB) den Straftatbestand des § 17 Nr. 1 Tierschutzgesetz („Tötung eines Wirbeltieres ohne vernünftigen Grund"). Schließlich kommt zusätzlich die tateinheitliche Begehung einer Jagdwilderei gemäß § 292 StGB oder Jagdfrevel gemäß § 38 Bundesjagdgesetz in Betracht.

Trotz des gesetzlichen Schutzes mehren sich in den letzten Jahren Meldungen über illegale Greifvogelverfolgungen. Betroffen sind nahezu alle Greifvogelarten, besonders aber Mäusebussard, Habicht und Rotmilan. Die Art der Verfolgung reicht vom Fang in Lebend- und Totschlagsfallen, Abschuss in und außerhalb der Brutzeit, gezieltes Fällen von Horstbäumen bis hin zu gezielten Vergiftungsaktionen.

1. In welchem Umfang sind illegale Greifvogelverfolgungen in NRW bekannt geworden (bitte aufschlüsseln nach Arten, Anzahl, Kreisen/Städten für die Jahre 2005 2008)?

Im Zeitraum von 2005 bis 2008 sind dem MUNLV insgesamt 117 Sachverhalte illegaler Verfolgungen bekannt geworden (vgl. Anlage 1). Betroffen waren 206 Exemplare von zehn verschiedenen Greifvogelarten (Rohrweihe, Wiesenweihe, Kornweihe, Rotmilan, Mäusebussard, Habicht, Sperber, Baumfalke, Wanderfalke und Turmfalke).

2. Wie viele strafrechtliche Verfahren konnten in welchem Zeitraum mit welchen Ergebnissen abgeschlossen werden?

Regelmäßig werden die Greifvögel von den Straftätern auf eine Weise verfolgt, dass die Taten keinem Beschuldigten zugeordnet werden können. Ein erheblicher Teil der dem MUNLV bekannt gewordenen Verfahren ist durch die Strafverfolgungsbehörden eingestellt worden, weil ein Täter nicht ermittelt werden konnte.

Soweit ein Beschuldigter ermittelt werden konnte, sind fünf Ermittlungsverfahren gemäß § 153 Abs. 1 StPO und vier gemäß § 153 a StPO eingestellt worden, in zwei Fällen Strafbefehle mit Geldstrafen von 90 bzw. 30 Tagessätzen rechtskräftig geworden, in drei Fällen von den zuständigen Staatsanwaltschaften Anklagen erhoben worden. In zwei Fällen sind die Angeklagten zu Geldstrafen von 80 bzw. 30 Tagessätzen verurteilt worden. Ein drittes Strafverfahren ist noch nicht abgeschlossen.

3. Welchen Interessenbereichen lassen sich die Täter zuordnen?

In den Fällen, in denen namentlich bekannte Personen als Beschuldigte ermittelt werden konnten, handelte es sich im Wesentlichen um Personen aus drei Gruppen (Jäger, Brieftaubenzüchter und Geflügelhalter).

4. Welche Maßnahmen ergreift die Landesregierung, um der illegalen Greifvogelverfolgung entgegenzutreten?

Da die Bundesrepublik Deutschland für den Greifvogelschutz in der Europäischen Union eine zentrale Verantwortung trägt, besteht ein von allen Seiten anerkannter Handlungsbedarf, Greifvögel effektiv zu schützen.

Eine Maßnahme war die sog. „Düsseldorfer Erklärung gegen illegale Greifvogelverfolgung in NRW" vom August 2005 (vgl. Anlage 2).

Seit März 2005 führt daher die im MUNLV eingerichtete Stabsstelle Umwelt- und Verbraucherschutzkriminalität u. a. ein Register illegaler Verfolgungen von Greifvögeln. Somit ist es nunmehr möglich, sich einen landesweiten Überblick aufgetretener Fälle der Verfolgung von Greifvögeln zu verschaffen, um systematische Erkenntnisse zur Dimension der Problematik zu erlangen und um ggf. die Strafverfolgungsbehörden in ihren Ermittlungen zu unterstützen.

Zu diesem Zweck sind alle anerkannten Naturschutzverbände, der Landesjagdverband, alle Biologischen Stationen, Greifvogelauffangstationen und die unteren Landschaftsbehörden über das Monitoring unterrichtet und um Hinweise auf Fälle illegaler Verfolgungen gebeten worden.

Des Weiteren wurde ein mit Mitteln des MUNLV finanziertes und mit dem Landesjagdverband, dem Naturschutzbund und der Nordrhein-Westfälischen Ornithologengesellschaft abgestimmtes Faltblatt zur Aufklärung über die Problematik mit einer Auflage von 30.000 Exemplaren gedruckt und in deren Gliederungen verteilt sowie im Internet veröffentlicht.

Ferner wird in einem Erlass des MUNLV vom 26.11.2004 an die nachgeordneten Dienststellen die Rechtslage verdeutlicht, die behördliche Zuständigkeit und die Verfahrensabwicklung bei der Auffindung und Untersuchung durch die Staatlichen Veterinäruntersuchungsämter geregelt.

Die Vielzahl dokumentierter Fälle illegaler Verfolgungen lässt auf eine hohe Dunkelziffer schließen und verdeutlicht den dringenden Bedarf der Aufklärung der Öffentlichkeit über diese Problematik.

Nach den vorliegenden Erkenntnissen handelt es sich bei den illegalen Verfolgungen von Greifvögeln um ein weit verbreitetes und ernst zu nehmendes Problem, das den Erhalt von nach dem Bundesnaturschutzgesetz streng geschützten Tieren nachhaltig gefährdet. Hierbei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass nach kriminalistischer Erfahrung nur ein geringer Teil der hier in Rede stehenden Straftaten bekannt wird. Der Umfang solch eher zufällig entdeckter Aktivitäten, die wegen ihrer grausamen, tierschutzwidrigen und unwaidmännischen Vorgehensweise gerade darauf angelegt sind, nicht in der Öffentlichkeit bekannt zu werden, dürfte um ein Vielfaches höher liegen.

Nicht zuletzt auch aus generalpräventiven Gründen ist es ein wichtiges artenschutzrechtliches Anliegen, illegale Verfolgungen von Greifvögeln angemessen zu sanktionieren.