Körperliche Gewalt ist jede unmittelbare körperliche Einwirkung auf Personen oder

Abschnitt 8

Unmittelbarer Zwang

§ 36:

Begriffsbestimmungen:

(1) Unmittelbarer Zwang ist die Einwirkung auf Personen oder Sachen durch körperliche Gewalt, ihre Hilfsmittel und durch Waffen.

(2) Körperliche Gewalt ist jede unmittelbare körperliche Einwirkung auf Personen oder Sachen.

(3) Hilfsmittel der körperlichen Gewalt sind namentlich Fesseln.

(4) Waffen sind die dienstlich zugelassenen Hieb- und Schusswaffen sowie Reizstoffe.

§ 37

Allgemeine Voraussetzungen:

(1) Bedienstete der Anstalten dürfen unmittelbaren Zwang anwenden, wenn sie Vollzugsund Sicherungsmaßnahmen rechtmäßig durchführen und der damit verfolgte Zweck auf keine andere Weise erreicht werden kann.

(2) Gegen andere Personen als Untersuchungsgefangene darf unmittelbarer Zwang angewendet werden, wenn sie es unternehmen, Gefangene zu befreien oder in den Anstaltsbereich widerrechtlich einzudringen, oder wenn sie sich unbefugt darin aufhalten.

§ 38

Grundsatz der Verhältnismäßigkeit:

(1) Unter mehreren möglichen und geeigneten Maßnahmen des unmittelbaren Zwangs sind diejenigen zu wählen, die den Einzelnen und die Allgemeinheit voraussichtlich am wenigstens beeinträchtigen.

(2) Unmittelbarer Zwang unterbleibt, wenn ein durch ihn zu erwartender Schaden erkennbar außer Verhältnis zu dem angestrebten Erfolg steht.

§ 39

Androhung Unmittelbarer Zwang ist vorher anzudrohen. Die Androhung darf nur dann unterbleiben, wenn die Umstände sie nicht zulassen oder unmittelbarer Zwang sofort angewendet werden muss, um die Begehung einer rechtswidrigen Tat, die den Tatbestand eines Strafgesetzes erfüllt, zu verhindern oder eine gegenwärtige Gefahr abzuwenden.

§ 40

Allgemeine Vorschriften für den Schusswaffengebrauch:

(1) Schusswaffen dürfen nur gebraucht werden, wenn andere Maßnahmen des unmittelbaren Zwangs bereits erfolglos waren oder keinen Erfolg versprechen. Gegen Personen ist ihr Gebrauch nur zulässig, wenn der Zweck nicht durch Waffenwirkung gegen Sachen erreicht wird.

(2) Schusswaffen dürfen nur die dazu bestimmten Vollzugsbediensteten gebrauchen und nur, um angriffs- oder fluchtunfähig zu machen. Ihr Gebrauch unterbleibt, wenn dadurch erkennbar Unbeteiligte mit hoher Wahrscheinlichkeit gefährdet würden.

(3) Der Gebrauch von Schusswaffen ist vorher anzudrohen. Als Androhung gilt auch ein Warnschuss. Ohne Androhung dürfen Schusswaffen nur dann gebraucht werden, wenn dies zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für Leib oder Leben erforderlich ist.

§ 41

Besondere Vorschriften für den Schusswaffengebrauch:

(1) Gegen Untersuchungsgefangene dürfen Schusswaffen gebraucht werden,

a) wenn sie eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug trotz wiederholter Aufforderung nicht ablegen,

b) wenn sie eine Meuterei (§ 121 des Strafgesetzbuches) unternehmen oder

c) um ihre Flucht zu vereiteln oder um sie wieder zu ergreifen.

(2) Gegen andere Personen dürfen Schusswaffen gebraucht werden, wenn sie es unternehmen, Untersuchungsgefangene gewaltsam zu befreien oder gewaltsam in eine Anstalt einzudringen.

Abschnitt 9:

Besondere Maßnahmen § 42

Besondere Sicherungsmaßnahmen:

(1) Gegen Untersuchungsgefangene können besondere Sicherungsmaßnahmen angeordnet werden, wenn eine erhebliche Störung der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt nicht auf andere Art und Weise vermieden oder behoben werden kann. Besondere Sicherungsmaßnahmen sind insbesondere zur Abwehr der Gefahr von Gewalttätigkeiten gegen Personen oder Sachen sowie zur Verhinderung von Selbstverletzungen zulässig.

(2) Besondere Sicherungsmaßnahmen sind:

1. der Entzug oder die Vorenthaltung von Gegenständen,

2. die Beobachtung von Untersuchungsgefangenen, auch mit technischen Hilfsmitteln,

3. die Absonderung von anderen Gefangenen,

4. der Entzug oder die Beschränkung des Aufenthalts im Freien,

5. die Unterbringung in einem besonders gesicherten Haftraum ohne gefährdende Gegenstände und

6. die Fesselung.

(3) Die unausgesetzte Absonderung von Gefangenen (Einzelhaft) ist zulässig, wenn dies aus Gründen, die in der Person der oder des Untersuchungsgefangenen liegen, unerlässlich ist.

(4) Besondere Sicherungsmaßnahmen dürfen nur soweit aufrechterhalten werden, als es der Zweck erfordert.

(5) Fesseln dürfen in der Regel nur an Händen oder Füßen angelegt werden. Die Fesselung wird zeitweise gelockert, soweit dies notwendig ist.

§ 43

Anordnungsbefugnis besonderer Sicherungsmaßnahmen Besondere Sicherungsmaßnahmen werden durch die Anstaltsleitung, bei Gefahr im Verzug auch durch andere Bedienstete der Anstalt angeordnet. In diesen Fällen ist die Entscheidung der Anstaltsleitung unverzüglich einzuholen.

§ 44

Überwachung durch den ärztlichen und psychologischen Dienst:

(1) Vor der Anordnung besonderer Sicherungsmaßnahmen ist der ärztliche Dienst zu hören, wenn Untersuchungsgefangene ärztlich behandelt oder beobachtet werden oder deren seelischer Zustand den Anlass der Maßnahme bildet. Ist dies wegen Gefahr im Verzuge nicht möglich, wird die ärztliche Stellungnahme unverzüglich eingeholt.

(2) Der ärztliche und der psychologische Dienst der Anstalt suchen Untersuchungsgefangene, die in einem besonders gesicherten Haftraum untergebracht oder gefesselt sind, alsbald und in der Folgezeit möglichst täglich auf. Dies gilt nicht bei einer Fesselung während einer Ausführung, Vorführung oder eines Transports. Solange Untersuchungsgefangenen der tägliche Aufenthalt im Freien entzogen wird, ist der ärztliche Dienst regelmäßig zu hören.

§ 45

Disziplinarmaßnahmen:

(1) Zur Aufrechterhaltung der Sicherheit oder Ordnung können gegen Untersuchungsgefangene, die schuldhaft gegen Pflichten verstoßen, die ihnen durch oder aufgrund dieses Gesetzes auferlegt sind, Disziplinarmaßnahmen angeordnet werden, wenn eine Verwarnung als milderes Mittel keine Aussicht auf Erfolg verspricht. Disziplinarmaßnahmen sind auch zulässig, wenn wegen derselben Verfehlung ein Straf- oder Bußgeldverfahren eingeleitet wird.

(2) Als Disziplinarmaßnahmen kommen in Betracht:

1. Verweis,

2. Beschränkung oder Entzug des Rechts auf Beschaffung von zusätzlichen Nahrungsund Genussmitteln und Gegenständen des persönlichen Bedarfs bis zu drei Monaten,

3. Beschränkung oder Entzug des Lesestoffs bis zu zwei Wochen sowie des Hörfunk- und Fernsehempfangs bis zu drei Monaten, der gleichzeitige Entzug jedoch nur bis zu zwei Wochen,

4. Beschränkung oder Entzug des Besitzes von Gegenständen aus der Habe bis zu drei Monaten,

5. Beschränkung oder Entzug der Teilnahme an gemeinsamen Veranstaltungen bis zu drei Monaten,

6. Entzug einer zugewiesenen Arbeit oder Beschäftigung unter Wegfall der Bezüge oder einer Selbstbeschäftigung bis zu vier Wochen,

7. Arrest bis zu vier Wochen.

(3) Mehrere Disziplinarmaßnahmen können miteinander verbunden werden. Die Maßnahmen nach Absatz 2 Nummer 3 bis 6 sollen nur angeordnet werden, wenn die Verfehlung mit den zu beschränkenden oder zu entziehenden Befugnissen im Zusammenhang steht. Dies gilt nicht bei einer Verbindung mit Arrest. Arrest darf nur wegen schwerer oder mehrfach wiederholter Verfehlungen verhängt werden.