Sozialhilfe

II. Zum Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Sicherheit in Justizvollzugsanstalten des Landes Nordrhein-Westfalen (JVollzSVG NRW) Gefangenen ist Telekommunikation nur mit Erlaubnis der Justizvollzugsanstalt beziehungsweise im Bereich der Untersuchungshaft mit Erlaubnis des zuständigen Gerichts gestattet.

Unerlaubte Mobilfunkgespräche Gefangener stellen eine ganz erhebliche Gefährdung der Sicherheit und Ordnung in Justizvollzugsanstalten dar. Aus Telefonüberwachungsmaßnahmen der Polizei ist bekannt geworden, dass Gefangene aus Justizvollzugsanstalten heraus mit unerlaubt eingebrachten Mobiltelefonen weiterhin beispielsweise versuchen, den Drogenhandel zu organisieren. Darüber hinaus lassen sich außenstehende Dritte wie beispielsweise Fluchthelfer oder so genannte „Mauerwerfer" anleiten. Als „Mauerwerfer" bezeichnet man Personen, die zu einem verabredeten Zeitpunkt (zum Beispiel während des täglichen Aufenthalts von Gefangenen im Freien) an einem ebenfalls zuvor abgestimmten Abschnitt der Umwehrungsmauer der Justizvollzugsanstalt unerlaubte Gegenstände, gegebenenfalls sogar eine Schusswaffe, über die Mauer in den Innenbereich der Justizvollzugsanstalt werfen, sodass Inhaftierte sie an sich nehmen können. Aus den zuvor angeführten Gründen, aber auch wegen vieler weiterer Gefährdungspotentiale, die von der Bedrohung von Zeugen und Opfern bis hin zur Nutzung dieser Kommunikationsmöglichkeit im Rahmen von Geiselnahmen innerhalb der Justizvollzugsanstalt reichen, ist die Verhinderung unerlaubter Telekommunikation für den Justizvollzug ein unverzichtbares Erfordernis. Für den Bereich des Untersuchungshaftvollzuges gilt dies im Übrigen auch deshalb, weil durch unerlaubte Mobilfunkgespräche der richterlich festgestellte Haftgrund der Verdunklungsgefahr wirksam unterlaufen werden kann.

Das unerlaubte Einbringen von Mobiltelefonen in Bereiche des geschlossenen Vollzuges lässt sich trotz sorgfältiger Kontrollen nicht zuverlässig verhindern, zumal Mobiltelefone immer kleiner werden.

Mehrere Landesjustizverwaltungen, darunter auch Nordrhein-Westfalen, haben versucht, der Nutzung von Mobiltelefonen im Justizvollzug entgegenzuwirken. Mit entsprechenden Geräten lassen sich Mobiltelefone, bei denen aktuell eine Telefonverbindung besteht, aufspüren.

Zwar konnten hierdurch in Einzelfällen immer wieder Mobiltelefone geortet und in der Folge sichergestellt werden, eine vollständige Verhinderung des Mobilfunkverkehrs ist damit jedoch nicht möglich. Hinzu kommt, dass der Zeitabstand zwischen Ortung und Sicherstellung zwar nur wenige Minuten beträgt, selbst in diesem kurzen Zeitraum jedoch ein unüberwachtes Telefongespräch noch möglich ist. Eine zusätzliche Gefährdung ergibt sich aus dem Umstand, dass SMS-Nachrichten wegen der Kürze ihrer Versand- und Empfangszeiten überhaupt nicht detektiert werden können.

Der Gefahr, die aus der Nutzung eingeschmuggelter Mobiltelefone in Justizvollzugsanstalten entsteht, kann letztlich nur durch eine technische Unterdrückung dieses Mobilfunkverkehrs wirksam begegnet werden. Dies ist durch den Betrieb so genannter Mobilfunkblocker möglich.

B Einzelbegründungen Artikel 1

Gesetz zur Regelung des Vollzuges der Untersuchungshaft in Nordrhein-Westfalen (Untersuchungshaftvollzugsgesetz Nordrhein-Westfalen ­ UVollzG NRW) Abschnitt 1

Grundsätze

Der erste Abschnitt fasst Vorschriften zusammen, die grundsätzliche Bedeutung für den Vollzug der Untersuchungshaft haben. Er stellt diese deshalb vor die in den weiteren Abschnitten folgenden näheren Regelungen zu einzelnen vollzuglichen Bereichen an den Anfang des Gesetzes.

Der Entwurf verzichtet auf eine Beschreibung des Zwecks der Untersuchungshaft, der sich bereits aus den in der Strafprozessordnung im Einzelnen und abschließend festgelegten Haftgründen erschließt, ohne dass es einer weiteren Hervorhebung in diesem Entwurf bedarf. Er übernimmt nicht den noch in Nummer 1 Absatz 1 der Untersuchungshaftvollzugsordnung enthaltenen Oberbegriff des "Beschuldigten" als Bezugssubjekt seines Regelungsgehalts und stellt dadurch klar, dass Untersuchungshaft auch gegenüber "Angeschuldigten" und "Angeklagten" (vgl. zur Abgrenzung § 157 der Strafprozessordnung) vollstreckt wird.

Es wird deutlich, dass sich sämtliche, im Rahmen des Vollzuges der Untersuchungshaft notwendigen Maßnahmen an dem Haftzweck auszurichten haben. Denn der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit prägt die Gestaltung der Untersuchungshaft in besonderem Maße. Es wird gleichzeitig sichergestellt, dass sich die gesetzlichen Zwecke der Untersuchungshaft nicht nur nach dem im Haftbefehl konkret herangezogenen Haftgrund bestimmen, sondern allgemein den Gefahren begegnen sollen, die in den Haftgründen der §§ 112 ff. der Strafprozessordnung ihren Ausdruck gefunden haben.

Der Entwurf verzichtet darauf, den Gedanken der Vermeidung oder Verkürzung der Untersuchungshaft ausdrücklich als Grundsatz besonders herauszustellen. Bestrebungen zur Haftvermeidung setzen regelmäßig bereits vor dem Vollzug der Untersuchungshaft ein. Deshalb berücksichtigt das die Haft anordnende Gericht die bestehenden Alternativen zu einer Inhaftierung. Ein ausdrücklicher gesetzlicher Hinweis hierauf wäre zudem aus systematischen Gründen im Rahmen der §§ 112 ff. der Strafprozessordnung und nicht in einem Gesetz zur Regelung des Untersuchungshaftvollzuges zu verankern. Die Anstalten haben nur begrenzte Möglichkeiten, auf eine Aufhebung der Untersuchungshaft hinzuwirken. Der Erfolg entsprechender Bemühungen hängt vor allem von zahlreichen Faktoren außerhalb ihres Einflussbereichs ab, derer sich externe Stellen und Einrichtungen annehmen. Allerdings stellt der Entwurf klar, dass sich die Art und Weise der Mitwirkung der Anstalt an dem zweckentsprechenden Vollzug der Untersuchungshaft auch auf etwaige im Verlauf des Untersuchungshaftvollzuges erkennbare Möglichkeiten der Haftvermeidung zu erstrecken hat (§ 5). Durch die Verpflichtung der unverzüglichen Weiterleitung der so erzielten Erkenntnisse wird sichergestellt, dass das Gericht über einen jeweils aktuellen Kenntnisstand verfügt, den es zur Grundlage seiner Entscheidung über die Fortdauer der Untersuchungshaft heranziehen kann.

Wenn es dem Landesgesetzgeber auch aus verfassungsrechtlichen Gründen verwehrt ist, das Gericht, die Staatsanwaltschaft und die Vollzugsanstalt zu einem Zusammenwirken zu verpflichten, um gemeinsam den Vollzug der Untersuchungshaft seinem Zweck entsprechend zu verwirklichen, so kann nicht übersehen werden, dass dieses Ziel nur durch ein „Miteinander", ein „Hand in Hand ­ Arbeiten" erreicht werden kann. Als in dieser notwendigen Form landesgesetzlich nicht regelbaren Art und Weise des Zusammenwirkens der gemeinsamen, wenn auch unterschiedlich abgestuften Beteiligungsformen muss dieses Miteinander gleichwohl als eine Art ungeschriebener „conditio sine qua non" gelten, deren praktische Ausfüllung unverzichtbare Voraussetzung zur Verwirklichung des Zwecks der Untersuchungshaft ist. Hier ist der Bundesgesetzgeber aufgerufen, die erforderliche ergänzende Regelung zu schaffen.

Daneben unterstützt der Entwurf in § 29 Absatz 2 Haftvermeidungsbestrebungen, indem er eine Benennung von einschlägigen Stellen und Einrichtungen im Rahmen der sozialen Hilfe vorsieht.

Zu § 1 (Stellung der Untersuchungsgefangenen) Absatz 1 hebt den Grundsatz, dass die Untersuchungsgefangenen als unschuldig gelten, hervor und betont, dass im Umgang mit ihnen jeder Anschein des Vollzuges einer Strafe zu vermeiden ist. Die Rechtsstellung der Untersuchungsgefangenen wird ganz entscheidend durch die Unschuldsvermutung geprägt. Obwohl diese bereits in Artikel 6 Absatz 2 der Europäischen Menschenrechtskonvention normiert und Ausdruck des Rechtsstaatsprinzips ist, wird dieser die gesamte Gestaltung der Untersuchungshaft beherrschende Grundsatz wegen seiner besonderen Bedeutung den nachfolgenden Regelungen ausdrücklich vorangestellt.

Es versteht sich von selbst, dass die Persönlichkeit der oder des Untersuchungsgefangenen zu achten ist und sich die Art und Weise des Umgangs mit den Inhaftierten an den grundrechtlich geschützten Persönlichkeitsrechten des Einzelnen auszurichten hat. Dazu gehört auch die Berücksichtigung von Wertvorstellungen anderer Kulturkreise, soweit sie in Einklang mit den Regeln eines geordneten Zusammenlebens in der Anstalt und dem Zweck der Untersuchungshaft gebracht werden kann.

Absatz 2 entspricht nicht nur inhaltlich, sondern abgesehen von einer lediglich klarstellenden Ergänzung, auch wörtlich der Regelung des § 119 Absatz 4 der Strafprozessordnung. Durch den in Absatz 2 hinzugetretenen Hinweis auf die Sicherheit der Anstalt wird, ebenso wie an anderen Stellen des Entwurfs, lediglich klargestellt, dass der bislang vom überkommenen Begriff der Ordnung in der Vollzugsanstalt mitumfassten und nicht ausdrücklich aufgeführten "inneren" Sicherheit als wichtigem Teilaspekt eigenständige Bedeutung im Funktionsablauf der Anstalt zukommt.

Die in Absatz 2 aufgenommene Bequemlichkeitsgarantie des § 119 Absatz 4 der Strafprozessordnung betont, dass die Untersuchungsgefangenen im Hinblick auf die Unschuldsvermutung nicht lediglich Anspruch auf die gesetzlich ausdrücklich vorgesehenen Annehmlichkeiten haben, sondern den durch Absatz 2 gesetzten Rahmen auch darüber hinaus ausschöpfen können.

Absatz 3 stellt eine Generalklausel für Beschränkungen dar, für die das Gesetz keine besonderen Regelungen vorsieht. Sie bestimmt ­ „ultima-ratio" -, dass zur Aufrechterhaltung der Sicherheit und bei einer schwerwiegenden Störung der Ordnung der Anstalt den Untersuchungsgefangenen nur dann weitere als die durch dieses Gesetz im Einzelnen ausdrücklich geregelten Beschränkungen auferlegt werden dürfen, wenn das Gesetz eine besondere Regelung nicht enthält und die Beschränkung unerlässlich ist. Eingriffsgrund ist zunächst die Beeinträchtigung der inneren Sicherheit der Anstalt, also das Vorliegen einer gegenwärtigen und unmittelbaren Gefahr. Darüber hinaus ist ein derartiger Eingriff im Falle einer schwerwiegenden Störung der Ordnung der Anstalt zulässig, die nur durch den Eingriff nur dann abgewendet werden darf.

Diese Maßnahmen unterliegen einer besonders strengen Prüfung im Hinblick auf die MittelZweck-Relation.