Ergänzungskräfte in Kindertageseinrichtungen brauchen eine berufliche Perspektive

Das Kinderbildungsgesetz sieht in zwei von drei verschiedenen Gruppenformen keine Ergänzungskräfte (z.B. Kinderpflegerinnen) mehr vor, sondern ausschließlich Erzieherinnen und Erzieher. Gerade in der Betreuung von Kindern unter drei Jahren sind Ergänzungskräfte ab Juli 2011 nur noch dann gesetzlich vorgesehen, wenn sie bis dahin eine Weiterbildung zur Erzieherin begonnen haben. Das ist fachlich unbegründet. Der Landtag Nordrhein-Westfalen will, dass auch künftig zusätzlich Kinderpflegerinnen und Kinderpfleger in der Kindertagesbetreuung eingesetzt werden: Gemeinsam mit Erzieherinnen und Erziehern sowie verstärkt Fachkräften mit einem Hochschulabschluss.

Rechtliche Situation:

Die Anlage zum § 19 Kinderbildungsgesetz regelt die Zusammensetzung von Kindergartengruppen und deren personelle Ausstattung als Berechungsgrundlage für die Finanzierung der Einrichtung. In den Kindergartengruppen vom Typ I und II, in denen u.a. Kinder unter drei Jahren betreut werden, sind ausschließlich Fachkraftstunden vorgesehen, die von Erzieherinnen erbracht werden. Im Gruppentyp III für Kinder ab drei Jahren sind zwar auch Ergänzungskraftstunden z. B. von Kinderpflegerinnen vorgesehen, jedoch verliert dieser Gruppentyp zunehmend zahlenmäßig an Bedeutung: Aufgrund des bundesrechtlich verpflichtenden Ausbaus an U 3 Plätzen wird der Gruppentyp III mehr und mehr durch die beiden anderen Gruppentypen ersetzt werden.

Im Ergebnis bedeutet dies, dass Ergänzungskräfte entweder eine Ausbildung mit Prüfung zur Erzieherin machen oder Gefahr laufen, nach Juli 2011 ihren Arbeitsplatz zu verlieren. Da diese für Ergänzungskräfte existenzgefährdende Entwicklung absehbar ist, einigten sich Landesregierung, Kommunale Spitzenverbände, Kirchen und die Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege im Mai 2008 darauf, "umgehend Gespräche über den Einsatz von Er

gänzungskräften (...) nach dem 31. Juli 2011 aufzunehmen" (Personalvereinbarung zum Kinderbildungsgesetz).

Bis heute wurden derartige Gespräche nicht einmal begonnen!

Das Kinderbildungsgesetz ist für viele Ergänzungskräfte existenzgefährdend:

Seit Unterzeichnung der Personalvereinbarung erhalten alle Fraktionen des Landtags Schreiben von Ergänzungskräften (z.B. Zuschriften 14/1616, 14/1686). Darin wird in teils sehr eindringlicher Weise beschrieben, wie gravierend und in negativer Weise das Kibiz in Verbindung mit der Personalvereinbarung in die Existenz der betroffenen Fachkräfte eingreift. Die Schreiben begrüßen grundsätzlich die Möglichkeit der Weiterbildung, machen aber auf 3 problematische Fallkonstellationen aufmerksam:

1. Viele Kinderpflegerinnen und Kinderpfleger mit langer Berufserfahrung sollen jetzt an der finanziell und zeitlich aufwändigen Weiterbildung zur Erzieherin teilnehmen, gehen aber bald nach deren Abschluss in Rente. Den mit der Weiterbildung verbundenen Belastungen folgt insofern kaum ein Nutzen durch einen zeitlich längeren Einsatz als Erzieherin oder Erzieher. Nach Angaben des Bistums Essen (Zuschrift 14/1653) sind 23% der im Kita Zweckverband des Bistums Essen angestellten Kinderpflegerinnen über 50 Jahre.

2. Gravierend auch die Folgen für junge Menschen, die sich in der Ausbildung zur Kinderpflegerin befinden bzw. Berufsanfängerinnen sind. Ihnen stehen die jetzt geschaffenen Weiterbildungsmöglichkeiten zur Erzieherin nicht offen, da eine fünfjährige Berufserfahrung Voraussetzung zur Teilnahme ist. Lediglich mit der Ausbildung zur Kinderpflegerin bzw. Kinderpfleger stoßen sie jedoch in NRW auf einen Arbeitsmarkt, der aufgrund der beschriebenen rechtlichen Situation für sie vollkommen abgeschottet ist.

3. Ein Weiterbildungsangebot für berufserfahrene Ergänzungskräfte, die nicht die Ausbildung zur Kinderpflegerin haben, besteht ebenfalls nicht. Sie dürfen aufgrund fehlender formaler Voraussetzungen an den aktuell anlaufenden Weiterbildungsmaßnahmen nicht teilnehmen. Diesen 3.000 Ergänzungskräften droht der Verlust des Arbeitsplatzes in besonderer Weise, da sie sich nicht einmal durch eine Weiterbildung davor schützen können.

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass das bestehende Weiterbildungsangebot vom Umfang her unzureichend ist und eine Vielzahl von Härten verursacht, die dringend politisches Handeln erforderlich machen.

Ja zu mehr Fort- und Weiterbildung - Nein zur Abschaffung des Kinderpflegerinnenberufs:

Im Antrag "Die Besten für die Jüngsten - Qualität der Elementarbildung durch weitere Professionalisierung der Fachkräfte verbessern" (Drucksache 14/7342) gibt die Grüne Landtagsfraktion ein klares Bekenntnis zu mehr Fort- und Weiterbildung, mehr Durchlässigkeit und internationaler Anschlussfähigkeit für die verschiedenen Berufsbilder in der Kindertages betreuung ab. Dies ist jedoch verbunden mit einem ebenso klaren Bekenntnis zu einem multiprofessionellen Personalmix, "der akademisch ausgebildetes Fachpersonal, Erzieherinnen und Erzieher, Kinderpflegerinnen und Kinderpfleger sowie hauswirtschaftliche Kräfte einschließt" (Drucksache 14/7342, Seite 5).

Der Landtag schließt sich diesen Auffassungen an. Der Weg zu einer Höherqualifizierung muss aber die heute berufstätigen Menschen über angepasste Lösungen mitnehmen. Solche Lösungen sind im Dialog mit den Beschäftigtenvertretungen, den Einrichtungsträgern und den Kommunen schnellstmöglich zu erarbeiten.

Der Landtag fordert die Landesregierung daher auf,

1. mit den Kommunalen Spitzenverbänden, den Kirchen und den Spitzenverbänden der Freien Wohlfahrtspflege eine Beschäftigungsgarantie für diejenigen Ergänzungskräfte zu erarbeiten und abzugeben, denen aus persönlichen oder Altersgründen die Weiterbildung zur Erzieherin nicht zuzumuten ist,

2. eine zeitliche Streckung der begonnenen Weiterbildungsmaßnahmen mit Kommunen und Trägern zu verabreden und zusätzliche Weiterbildungsangebote gerade auch für Auszubildende der Kinderpflege oder Berufsanfängerinnen in der Kinderpflege zu schaffen

3. die formale Qualifikation und die beruflichen Perspektiven für ungelernte Ergänzungskräfte über zusätzliche, berufsbegleitende Weiterbildungsmaßnahmen zu verbessern

4. dem Landtag einen Gesetzentwurf vorzulegen, in dem zusätzliche Ergänzungskraftstunden im Kibiz in der U 3 Betreuung (Gruppentypen I und II) vorgesehen sind.