Einsturzkatastrophe in Köln: Landesregierung muss gegen organisierte Verantwortungslosigkeit beim U-Bahnbau vorgehen!

Am 3. März 2009 stürzen das Stadtarchiv in Köln und zwei benachbarte Wohnhäuser in ein plötzlich auftretendes Loch über einer Gleiswechselanlage der Nord-Süd-UBahn. Zwei Menschen haben das Unglück mit ihrem Leben bezahlt. Nur mit viel Glück und wegen des couragierten Einsatzes von auf der Baustelle tätigen Bauarbeitern kommt es nicht zu einer noch größeren Katastrophe mit vielen Toten. Hinzu kommt der unwiederbringliche Verlust großer Teile des historischen Kölner Stadtarchives, des größten nördlich der Alpen.

Während die Öffentlichkeit weit über Köln und NRW hinaus mit Fassungslosigkeit auf dieses Geschehen schaut, halten die KVB AG und Teile der Stadtspitze gegenüber der Öffentlichkeit vorliegende Informationen zurück. So wurde insbesondere die Tatsache, dass es bereits im letzten Jahr zu einem hydraulischen Grundeinbruch gekommen ist, lange Zeit der Öffentlichkeit genauso verschwiegen, wie das Anlegen einer Reihe von nicht genehmigten Brunnenbohrungen. Zu all dem gibt es von Oberbürgermeister Fritz Schramma, die Aussage er sehe sich „nicht in der Verantwortung"!

Am 3. März stürzt das Stadtarchiv in Köln ein und reißt zwei benachbarte Wohnhäuser mit in ein plötzlich auftretendes Loch, über dem Tunnelbau für die Nord-Süd-Strecke. Ein Toter kann erst am 8. März, ein anderer erst am 12. März aus den Trümmern der Wohngebäude von der Kölner Feuerwehr geborgen werden.

Während relativ schnell klar wurde, dass der Einsturz des Stadtarchivs mit den Bauarbeiten für den U-Bahn-Tunnel im Zusammenhang stehen könnte, sind aber bis zum heutigen Tag die tatsächlichen Ursachen noch nicht abschließend aufgeklärt. Sechs Tage nach dem Unglück taucht in Presseberichten die Vermutung auf, dass ein Grundwassereinbruch eine mögliche Ursache für den Einsturz gewesen sein könnte. Die KVB weist jedoch jegliche Schuld von sich und stellt dar, dass alles ausreichend geprüft und korrekt ausgeführt worden sei.

Am 17. März wird in der Presse erstmals darüber berichtet, dass anstatt von vier für den Bau notwendigen Grundwasserbrunnen, die auch durch den Planfeststellungsbeschluss genehmigt waren, tatsächlich insgesamt 15 Grundwasserbrunnen angelegt worden sind. Anstatt von genehmigten 450 Kubikmeter Grundwasser wurden täglich rund 750 Kubikmeter Grundwasser abgepumpt. Nach Bekanntwerden dieser Tatsachen sieht ein Vorstandsmitglied der Ingenieurkammer-Bau in NRW ein eklatantes Versagen der Bauaufsicht bei dem Bauprojekt für den U-Bahn-Tunnel. Ebenfalls wurde bekannt, dass bereits seit September 2008 durch ein Gutachten des Aachener Hochschul-Institut für Geotechnik im Bauwesen vorlag, dass die Absicherung gegen einen hydraulischen Grundeinbruch unzureichend ausgeführt worden sei.

Die technische Bauaufsicht für das Projekt wurde mit dem Planfeststellungsbeschluss von der hierfür gesetzlich zuständigen Bezirksregierung in Düsseldorf auf die Stadt Köln und damit in diesem Fall auf die Kölner Verkehrbetriebe (KVB) übertragen. Die KVB hat zwischenzeitlich eingestanden, dass die Bauaufsicht ihrerseits weitere Firmen übertragen worden ist.

Teile der Stadtspitze und die KVB halten wichtige Informationen zurück und OB Schramma versagt bisher als Krisenmanager:

In der ganzen Zeit macht die Stadtspitze unter Leitung des OB Fritz Schramma nicht den Eindruck, als hätte sie auch nur annähernd ein angemessenes Krisenmanagement aufgebaut und würde die Aufklärung der Vorgänge mit angemessener Geschwindigkeit und Nachdruck vorantreiben. Hinzu scheint zu kommen, dass die Kölner Verkehrsbetriebe (KVB) wesentliche Fakten nicht angemessen gewertet haben. Dieser Eindruck drängt sich insbesondere vor dem Hintergrund auf, dass Meldungen über zusätzliche, ungenehmigte Brunnenbohrungen und einen hydraulischen Grundeinbruch bekannt wurden, ohne dass die KVB darüber informiert hätte. In der Öffentlichkeit entsteht angesichts dieser Vorgänge zunehmend die Befürchtung, dass es sich bei dem Unglück um einen Vorgang gehandelt hat, bei dem Beteiligte in einer grob fahrlässigen Art und Weise mit dem Leben von Menschen, aber auch mit dem Hab und Gut der Bevölkerung umgegangen sind!

Verlagerung der technischen Bauaufsicht weg vom Land führt zu organisierter Verantwortungslosigkeit Zentrale Rechtsgrundlage für den Bau, den Betrieb und Genehmigungen im gesamten ÖPNV-Bereich ist das Personenbeförderungsgesetz (PBefG) des Bundes. Nach § 28 Abs. 1 PBefG dürfen Betriebsanlagen für Straßenbahnen (inklusive U-Bahnen) nur gebaut werden, wenn diese durch ein Planfeststellungsverfahren genehmigt sind. Gemäß § 54 PBefG wird die technische Aufsicht über Straßenbahnunternehmen von der von der Landesregierung bestimmten Behörde ausgeübt. Das Gesetz lässt ebenfalls zu, dass die technische Aufsicht von der Landesregierung anderen Stellen durch Rechtsverordnung übertragen werden kann.

Die Landesregierung hat von der letztgenannten Möglichkeit keinen Gebrauch gemacht.

Durch die Zuständigkeitsverordnung der Landesregierung ist die technische Aufsicht auf der Grundlage von § 54 PBefG der Bezirksregierung Düsseldorf für das gesamte Land NRW übertragen worden. Der Umfang der wahrzunehmenden Aufgaben ergibt sich im Wesentlichen aus den Vorgaben der Verordnung über den Bau- und Betrieb der Straßenbahnen (BOStrab).

In der BOStrab, die mit Zustimmung des Bundesrates erlassen wird, werden die gesetzlichen Grundlagen des PBefG an die technische Überwachung näher bestimmt und präzisiert. Die Bezirksregierung Düsseldorf hat die Aufgaben als landesweit zuständige Technische Aufsichtsbehörde umfassend auf der Homepage der Bezirksregierung dargestellt:

"... In ihrer Eigenschaft als Technische Aufsichtsbehörde (TAB) wird die Bezirksregierung Düsseldorf insbesondere als Bauaufsichtbehörde, Betriebsaufsichtsbehörde und Zulassungsbehörde für Schienenfahrzeuge tätig.

Zu den bauaufsichtlichen Aufgaben gehören:

· die Prüfung der Bauunterlagen einschließlich der Zustimmung zum Bau (§ 60 BOStrab),

· die Aufsicht über den Bau (§ 61 BOStrab) und letztendlich

· die Abnahme der neuen oder geänderten Betriebsanlagen (§ 62 Abs. 1 BOStrab).

Die Aufsicht über den Bau der Betriebsanlagen umfasst dabei nach § 61 Abs. 2 BOStrab insbesondere

1. die Ordnungsmäßigkeit der Bauausführung

2. die Brauchbarkeit der verwendeten Baustoffe und Bauteile

3. die ausreichende Sicherung des durch den Bau berührten Fahrbetriebs.

Die TAB kann sich bei der Ausübung ihrer technischen Aufsicht über den Bau auf Stichproben beschränken (§ 61 Abs. 1 S. 2 BOStrab) und sich anderer sachkundiger Personen oder Stellen bedienen (§ 5 Abs. 2 BOStrab). Zu diesen sachkundigen Personen gehören auch der Betriebsleiter und der Vorhabenträger.

... Im Rahmen der erforderlichen und von der jeweils örtlich zuständigen Bezirksregierung durchgeführten Planfeststellungs- und Genehmigungsverfahren wird die Bezirksregierung Düsseldorf in ihrer Eigenschaft als TAB beteiligt. Sie hat die Planunterlagen technisch zu prüfen und gibt gegenüber der Planfeststellungs- und Genehmigungsbehörde ein entsprechendes Votum ab.

Gegebenenfalls erforderliche Auflagen (z.B. zur Bauausführung) werden von der TAB mit eingefordert und von der Genehmigungsbehörde entsprechend berücksichtigt.

Bestandteil der Genehmigung bzw. Planfeststellung zum Bau ist auch regelmäßig die Übertragung der Aufsicht über den Bau und seiner Abnahme auf „andere sachkundige Personen oder Stellen", so wie es die BOStrab vorsieht. Die notwendige Ausstattung mit geeignetem Personal und deren Sachkunde lässt sich die Bezirksregierung Düsseldorf in jedem Einzelfall entsprechend nachweisen." (Anmerkung: Hervorhebungen in Fettdruck dienen der Verdeutlichung durch die Antragsteller).

Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass die Bezirksregierung Düsseldorf als nachgeordnete Behörde der Landesregierung bei dem Bau für den U-Bahn-Tunnel in Köln die gesetzliche Pflicht für die Bauaufsicht hat. Im Rahmen des Verfahrens wurde vom Landesverkehrsministerium von der rechtlichen Möglichkeit Gebrauch gemacht, diese Aufgabe an "andere sachkundige Personen oder Stellen" zu übertragen.

Entsprechenden Berichten in den Medien ist zu entnehmen, dass die Bauüberwachung für den U-Bahnbau von der Bezirksregierung Düsseldorf an die Stadt Köln übertragen worden ist. Die Stadt Köln soll demnach diese Pflicht zur Bauüberwachung wiederum an die Kölner Verkehrsbetriebe (KVB) weiter übertragen haben. Im Ergebnis würde dies dazu führen, dass die Kölner Verkehrsbetriebe gleichzeitig Bauherr und Bauaufsicht in einer Person darstellt, und sich also bei der Bauausführung selber überwacht hat.

Im Hinblick auf die Verantwortung der Bezirksregierung Düsseldorf stellt sich allerdings auch die Frage, ob die Weitergabe der Bauaufsicht von der Stadt Köln an die KVB den entsprechenden Genehmigungen entsprochen hat bzw. ob dies mit Zustimmung der Technischen Bauaufsicht bei der Bezirksregierung Düsseldorf erfolgt ist.