Unrast beim Verfassungsschutz - Wann ist es Linksextremismus, wann ist es Wissenschaft?

Im Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen über das Jahr 2008 wird der Unrast-Verlag aus Münster dem Linksextremismus zugeordnet. Zur gleichen Zeit in der Broschüre "Musik ­ Mode ­ Markenzeichen Rechtsextremismus bei Jugendlichen" des Verfassungsschutzes ein Buch aus dem gleichen Verlag als empfehlenswerte Literatur genannt.

Wieso werden Veröffentlichungen aus dem Unrast-Verlag einmal als extremistische Literatur und ein andermal als seriöse wissenschaftliche Literatur durch den Verfassungsschutz angesehen?

Der Verfassungsschutzbericht gliedert sich im Bereich des Linksextremismus in drei Abschnitte. Im ersten Abschnitt werden die linksextremistischen Organisationen bzw. solche, bei denen Anhaltspunkte für den Verdacht einer linksextremistischen Bestrebung bestehen, dargestellt. Die Organisationen werden mit einer detaillierten Beschreibung (Gründung, Vorsitzender, Mitgliederstärke, Publikationen und Internet), einer Darstellung ihrer linksextremistischen Zielsetzung und einer Darstellung ihrer Aktivitäten in 2008 in separaten Unterabschnitten mit eigenen Überschriften über mehrere Seiten hinweg ausführlich behandelt.

Im zweiten Abschnitt werden die Aktions- und Themenfelder von Linksextremisten, insbesondere der autonomen Szene, dargestellt. Die Unterabschnitte sind hier nicht mehr nach

Beobachtungsobjekten, sondern nach Ereignissen - insbesondere Demonstrationen - gegliedert. Die Aktions- und Handlungsfelder wie z. B. die Münchener Konferenz für Sicherheitspolitik sind nicht selbst Beobachtungsobjekt des Verfassungsschutzes, sondern nur die autonome Szene, die versucht, ihre eigenen extremistischen Ziele im Rahmen bzw. unter der Legitimation der Handlungsfelder zu verwirklichen.

Im dritten Abschnitt werden dann die Medien dargestellt, mit Hilfe derer der Zusammenhalt innerhalb der linksextremistischen Szene und die Verbreitung von linksextremistischen Zielen vorangetrieben werden. Im Rahmen dessen werden auch eine Reihe von Verlagen - unter ihnen der Unrast-Verlag - genannt, die sich mit ihrer Veröffentlichungspolitik libertäre, alternative und /oder sozialrevolutionäre Vorstellungen zum Ziel gesetzt haben und Bücher und Schriften publizieren, deren Themen sich direkt an die autonome Szene wenden oder Kampagnen behandeln, die bei den Autonomen eine große Rolle spielen.

Mithin werden die genannten Verlage lediglich als Verbreitungsmedium dargestellt. Mit der Darstellung ist keine „Qualifizierung" der Verlage als linksextremistisches Beobachtungsobjekt des Verfassungsschutzes verbunden.

So wird auch bezüglich des Unrast-Verlages lediglich die Aussage getroffen, dass er Bücher veröffentlicht, die dem diskursorientierten Linksextremismus zuzurechnen sind. Da das Verlagsprogramm öffentlich zugänglich ist, wird auf dieses verwiesen.

Neben den Büchern, die dem diskursorientierten Linksextremismus zuzurechnen sind, werden vom Unrast Verlag auch andere Bücher mit gesellschaftspolitischer Schwerpunktsetzung vertrieben. Ein solches ist auch das in der Broschüre „Musik-Mode-Markenzeichen Rechtsextremismus bei Jugendlichen" des Verfassungsschutzes im Literaturverzeichnis aufgeführte Buch.